Einbrecher gehen lieber durchs Fenster

Unter optimalen Bedingungen und mit gnadenloser Gewalt werden Fenster auf ihre Widerstandsklasse hin geprüft. Bild: Roger Kiener

Einbruchschutz.  Seit Kurzem gibt es eine geprüfte Holz-Metall-Fensterfamilie aus Schweizer Fertigung, die den internationalen Standard RC 3 erreicht. Bisher haben auch im Ausland nur wenige Fenster diese Hürde genommen, obwohl die Sicherheitsforderungen wachsen.

Fenster machen einen grossen Teil der Fassadenfläche der meisten Häuser aus. Und wie Türen haben sie vielfältige Aufgaben, die auch dem Schutz des Gebäudeinhaltes dienen sollen. Ein Bereich davon ist der Einbruchschutz, denn Einbrecher kommen laut Statistik Schweiz am häufigsten durch Fenstertüren und Fenster. Viele davon sind unzureichend geschützt.

Grundsätzlich gefährdete Fenster

«Alles, was von aussen aus festem Stand gefahrenlos gereinigt werden kann und wo Fluchtmöglichkeit besteht, ohne erhebliche Verletzungen zu erlangen, ist einbruchgefährdet», definiert Felix Bruggmann. Seine Firma WFB-Fenstertechnik ist auf Montagen, Reparaturen und Umrüstungen von Fenstern spezialisiert. Einbrecher verwenden zwar meistens relativ einfache Werkzeuge. Aufgrund ihrer Erfahrung sind sie dennoch in der Lage, sich innert kurzer Zeit und unbemerkt Zutritt zu verschaffen. Wenn der Polizist, nach einem Einstieg einer unbefugten Person, ein paar Schrauben am Boden findet, etwas ausgerissenes Holz und vielleicht noch ein Schliessteil herumliegt, kann der Widerstand nicht besonders gross gewesen sein.

Ein Entwicklungsweg beginnt

Dies störte auch Felix Bruggmann in zunehmendem Masse. Er musste sich in der Vergangenheit immer öfter mit Einbruchreparaturen beschäftigen, womit auch die Frage nach sichereren Lösungen aufkam.

Da die Suche nach vorhandenen Möglichkeiten nur zum Teil befriedigend verlief, entschloss sich Bruggmann zu einem eigenen Weg. Dieser führte zur Zusammenarbeit mit der Kläusler Fensterfabrik AG, welche die «PBL»-Fenster (Power-Bolt-Lock) nach seinen Vorgaben herstellen, und endete mit der Zertifizierung der Produktfamilie nach SN EN 1627/RC 3. Auch ausserhalb der Schweiz sind Fenster in dieser Klasse nur bei wenigen Herstellern erhältlich.

Die Prüfung

Die Berner Fachhochschule – Architektur, Holz und Bau (BFH-AHB) ist seit 2005 für die Prüfung zur Einbruchhemmung akkreditiert. Sie unterhält im Technologiepark in Biel einen Einbruchprüfstand, in dem Fenster nach internationalem Standard bis RC 3 und Türen neu sogar nach Standard RC 4 auf ihre Einbruchhemmung geprüft werden. Das Verfahren entspricht der Normenreihe EN 1627-1630:2011, worin statische und dynamische Belastungen sowie der jeweilige manuelle Angriff und die Werkzeuge vorgegeben sind. Für einen kompletten Prüfungsdurchlauf werden zwei identische Probekörper benötigt. Die Zertifizierung gilt dann für die Grösse und Ausführung dieses Fensters, wobei es später 10 % grösser oder 20 % kleiner sein darf.

Grundsätzlich empfiehlt es sich im Vorfeld solcher Prüfungen einen Experten (von der BFH) beizuziehen. Sie kennen die Schwachstellen und können bereits vorgängig wertvolle Tipps geben.

Sicherheitsgrundlagen fehlen

Um solche Schwachstellen ging es auch beim «PBL»-Fenster. Bei einem normalen Holz-Metall-Fenster ist die Metallfront aufgeklippt und hält auch das Glaselement fest. Nur der Rückhalt im Falz des Rahmens gibt hier eine gewisse Sicherheit, die aber nicht gegen ein gewaltsames Eindringen ausreicht. Die zertifizierten Fenster der Kläusler Fensterfabrik AG sind Holzfenster, die eine Metallverblendung haben. Um RC 3 überhaupt zu erreichen, musste der Rahmen vollständig aus kompaktem Holz mit schlechter Spaltfähigkeit sein.

Der Entwickler Felix Bruggmann vermisst bei neuen Fenstern grundlegende Sicherheitsmöglichkeiten durch fehlendes Rahmenmaterial: «Weil man über die Gläser den besten Wärmedämmwert erreicht, wird der Rahmenanteil möglichst klein gehalten. Diese schlanken Profile verhindern dann aber, dass Sicherheitstechnik überhaupt machbar ist. Ein minimaler Materialquerschnitt ist einfach notwendig, um überhaupt von Sicherheit sprechen zu können, denn es braucht genügend Holz, um alle Beschläge optimal zu befestigen und sicherzustellen, dass der Rahmen dann auch noch selber genügend Widerstand bietet.»

Verschlüsse, die halten

Bei Holz- und Holz-Metall-Fenstern liegt die Problematik bei der Befestigungstechnik der einzelnen Komponenten. Der eigentliche Verschluss, die vorhandenen Schliessteile und deren Befestigung am Rahmen sowie dessen Material sind sehr wichtig. Einfache Verschraubungen halten in der Regel keinen Einbruchsversuchen mit Gewalteinwirkung stand.

Ein Verschlusszapfen muss pilzförmig und aus hochfestem Stahl sein. Ebenso müssen die Verschlussteile und deren Befestigung sehr hohen Kräften standhalten, um beispielsweise einem Geissfuss etwas entgegensetzen zu können. Entsprechend muss die Positionierung für jede Flügelgrösse stimmen.

Die Verschlüsse von Kläusler liegen beidseitig der Rahmenecken und in der Mitte der aufrechten Friese. Sie werden aus massivem Spezialstahl gefräst und sind mit durchgehenden Maschinenschrauben sehr gut verankert.

Vom Griff unabhängiges Schloss

Alles am gesamten Fenster muss darauf ausgelegt sein, möglichst keine Angriffspunkte und viel Widerstand durch Stabilität oder Unerreichbarkeit zu bieten.

«Die Ästhetik ist uns auch bei diesem Sicherheitsfenster sehr wichtig», betont Thomas Kläusler. Und so sehen «PBL»-Fenster wie ganz normale Holz-Metall-Fenster aus. Einen sehr gut von innen sichtbaren Unterschied gibt es aber doch: Da abschliessbare Griffe durchaus gewaltsam geöffnet werden können, wird ein spezieller Schliesszylinder, von aussen unsichtbar, in jeden Flügelrahmen eingebaut. Drückt man diesen von Hand hinein, so ist der Flügel verriegelt und kann nur noch mit einem Schlüssel geöffnet werden.

Ebenfalls von innen sind die Rahmenquerholme aufgedoppelt, und somit bündig mit den Flügelteilen. Das verhindert ein optimales Ansetzen von einem Geissfuss, falls er überhaupt so weit von aussen durchbrechen kann.

Innere Qualitäten

Nicht sichtbar sind die durchgehenden Befestigungsschrauben aus festerem Stahl und die quer in die Holzrahmen eingeleimten Verstärkungen, damit diese weniger zerrissen werden können. Eine Schlagleiste aus Holz hat sich als zu schwach erwiesen. Auch das massive Aluminiumteil, das jetzt verwendet wird, war noch eine echte Herausforderung, was die Befestigung am Flügel betrifft, denn im Überschlagbereich können normalerweise Hebewerkzeuge besonders gut angesetzt werden.

Auch unsichtbar ist die spezielle Vergla- sung: Das zweifache IV-Glaselement hat aussen eine 4 mm dicke Wärmedämmscheibe und innen mindestens ein «P5A»-Scheibenelement von 13 mm Dicke. Felix Bruggmann empfielt sogar ein «P6B»-Element, welches nochmals bedeutend stabiler und 15 mm dick ist. Die kompletten Glaselemente erreichen somit fast die Dicke einer Dreifachverglasung. Das Glas und auch die Glasleisten werden mit dem Rahmen verklebt, was ein Durchbrechen zusätzlich erschwert. Die Aussenscheibe soll bei einem Einbruchversuch brechen, um Lärm zu machen. Danach ist aber Schluss mit Weiterkommen. Das folgende Element gilt als ausserordentlich zäh.

Auch für die Montage am Bau gibt es ganz klare Vorschriften, die dann auch eingehalten werden müssen, um nicht die ganze Konstruktion wieder zu schwächen. Felix Bruggmann unterweist die jeweiligen Montageteams, wenn sie zum ersten Mal ein «PBL»-Fenster setzen.

Was den Kunden interessiert

All die Technik hat natürlich auch ihren Preis. So ist dieses Fenster nach RC 3 rund dreimal so teuer wie ein gewöhnliches Holz-Metall-Fenster. Deshalb macht ein gezielter Einsatz in speziell einbruchgefährdeten Bereichen Sinn.

Geht dann mal ein Glas kaputt, empfiehlt sich der Wechsel des gesamten Flügels. Die Fertigungsmethode der Kläusler Fensterfabrik AG ermöglicht ein problemloses Herstellen eines einzelnen Flügels, was günstiger sein dürfte, als das Glas auszuwechseln. Damit dann der Kunde sicher sein kann, dass seine Fenster den geforderten Standard wirklich erfüllen, empfiehlt sich die Abgabe einer Kopie vom Deckblatt des Prüfberichtes mit Angabe der Elementgrösse und Öffnungsart. Eine allgemeingültige Plakette, wie beispielsweise im Brandschutz, gibt es nicht.

www.klaeusler.chwww.burglary.chwww.ahb.bfh.ch

Unter schreinerzeitung.ch/zusatzinformationen sind ergänzend zum Artikel noch mehr Bilder bereitgestellt.

Bedeutung der widerstandsklassen

Bei den europäischen Prüf- und Klassifizierungsnormen für Fenster, Türen und Abschlüsse wird in sechs Widerstandsklassen (Englisch: Resistance Class) unterschieden.

  • Die unterste Stufe RC 1 entspricht dem Grundschutz gegen Aufbruchversuche durch körperliche Gewalt und wenige Werkzeuge.
  • RC 2 bezeichnet eine Stufe, in der Gelegenheitstäter noch mit zusätzlichen Werkzeugen vorgehen. Diese Klasse wird von der schweizerischen Kriminalprävention für den Schutz von Wohnbauten in normalem Standard empfohlen. Verschiedene Hersteller führen entsprechend geprüfte Produkte.
  • RC 3 geht von einem Einbrecher aus, der zusätzlich auch Werkzeuge wie einen Geissfuss effizient einsetzt.
www.vssm.ch/de/technik

ab

Veröffentlichung: 06. November 2014 / Ausgabe 45/2014

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