Platz schaffen

Bild: Uwe Scholz Eine völlig neue Raumnutzung mit einer multifunktionalen Möbeltreppe erschuf Architekt Streng nach speziellen Kundenbedürfnissen.

Die Treppe als Möbel.  Nicht nur im Zuge von verdichtetem Bauen in der Stadt und dem Bedürfnis nach immer mehr Fläche ist die Integration der Treppe in den Wohnraum durch multifunktio-nale Nutzungen ein spannendes Thema für das gestaltende Handwerk geworden.

Zunächst ist eine Treppe eine Treppe. Sie könnte aber auch gleichzeitig eine Kommode, ein Regal oder eine Sitzgelegenheit sein. Vor allem, wenn sie sich innerhalb einer Wohnung befindet, bietet sich eine weitere Nutzung an.

Da Wohnraum gerade in den Agglomerationszentren knapp und damit teuer ist, kann die intelligente Raumnutzung des als Nutzfläche üblicherweise eher verlorenen Bereichs der Treppenläufe wieder zurückgewonnen werden, zum Beispiel, indem man unterhalb einer Treppe einen Stauraum für das schafft, was sonst weitere Fläche in Anspruch nehmen würde.

Weiter ist der Trend zu grosszügig gestalteten und offenen Räumen in der zeitgenössischen Architektur allgegenwärtig. Eine Möglichkeit, genügend Platz zu schaffen und die Räume offen zu halten, ist, die Treppe auch als Möbel zu planen. Durch die Verschmelzung der beiden lassen sich an anderer Stelle Korpusmöbel einsparen und so die zur Verfügung stehende Fläche grosszügig und offen halten, sprich Raum gewinnen.

Auf die Planung kommt es an

Ein dritter Aspekt ist die gestalterische Wirkung von Treppen. Im Optimalfall ist sie als prägendes und gliederndes Element massgeblich für das Gesicht einer Wohnung über die Stockwerke verantwortlich. Soll sie mehr als ein Mittel zum Begehen und skulpturaler Bestandteil sein, dann muss neben der Treppe auch die Wirkung des Einbaumöbels in die Umgebung mit einbezogen werden. Während eine Treppe eher leicht wirkt, sind gerade grössere Korpusmöbel in ihrer Wirkung tendenziell wuchtig und einschränkend. Manchmal wirken nachträglich eingebaute Möbel in eine Treppe deshalb auch eher als Fremdkörper. Die gestalterische Qualität bei der Verbindung der beiden ist deshalb entscheidend für das Gelingen eines solchen Vorhabens. «Der Entwurf für Treppen und Möbel sollte aus einer Hand stammen, damit sowohl die Ansprüche der Bewohner erfüllt werden als auch die gestalterische Einheit gegeben ist», sagt der Architekt Gerd Streng, der sich auf das Thema spezialisiert hat. Und er weiss: «Man muss sich viele Gedanken machen, bis man für die jeweilige Situation eine optimale Lösung gefunden hat, weil ein Treppenmöbel oft nicht einfach an eine bestehende Wohnung angedockt wird, sondern die dann veränderte Nutzung zu einer komplett neu erdachten Wohnsituation führt.»

Eine ähnliche Situation ergab sich auch beim Entwurf eines Treppenaufgangs, der auch eine Küche ist – oder umgekehrt. Der Bauherr brauchte nach der Geburt des zweiten Kindes Platz, und dazu sollte die Wohnung umstrukturiert werden. Das ging mit der Verlagerung von Küche und Esszimmer sowie der wohnlichen Erschliessung des Dachgeschosses, in dem Arbeits- und Schlafzimmer untergebracht wurden. Herausgekommen ist ein Hybridmöbel, das Küche, Treppe, Bücherregal und Abstellraum vereint und einen homogenen, eigenen Charakter hat.

Die eigentliche Treppe ist in zwei Abschnitte geteilt. Die ersten fünf Stufen führen auf die Küchenanrichte, die mit 120 cm besonder tief ausgebildet ist. Über der Anrichte schwebt das eigentliche Treppenhaus mit massiven Stufen aus geräucherter Eiche. Unter den ersten fünf Stufen ist eine zweite Treppe versteckt, die als Tritt auf Rollen die hohen Oberschränke der Küche zugänglich macht.

Unterschiedliche Bedürfnisse

Für Bruno Tresch, zuständig für die Arbeitsvorbereitung bei der Schreinerei Beeler AG, ist das Thema aber nicht auf die Agglomerationen beschränkt. «Vielmehr kommt es auf den Kunden an. Auch in ländlichen Gebieten ist die Nutzung des Raumes in Verbindung mit einer Treppe ein Thema, um Platz zu schaffen. Der Hausherr muss einfach den praktischen Nutzen erkennen und dann kommt dieser meist schon mit einer Idee zu uns», so Tresch. Oft sind es dann nicht ganze Umstrukurierungen von Wohnungen, sondern vielmehr wird ein praktisches Möbel verlangt, das in eine Treppe integriert werden soll, etwa um Waschmaschine und Tumbler verborgen unterbrin- gen zu können oder die Nutzung in Form einer Garderobe, die sonst keinen Platz finden würde.

Die realisierten Beispiele zeigen deutlich: Wird eine weitere Nutzung von Anfang an mit in die Treppenplanung einbezogen, sind auch raffinierte Lösungen möglich, zum Beispiel wenn man Seitenwände von Treppen von vornherein als Schrank plant oder bei sich verbreiternden Stufen, wo die zusätzliche Treppenbreite als Sitzgelegenheit mitgedacht wird. Das stellt eine Spielwiese für Planer dar, mit einem hochstehenden Anspruch an die Erfüllung von Kundenwünschen.

Konstruktiv kein Problem

Der Schutz vor unerwünschter Schallübertragung ist im Treppenbau immer ein Thema. Bilden Möbel und Treppe eine Einheit, ist darauf besonders Wert zu legen, sonst würde die schleudernde Waschmaschine im Schrank die Treppe klingen lassen oder beim Begehen der darunter liegende Schrank als Resonanzkörper dienen. «Man muss zwar das Ganze als Einheit planen, aber die beiden Bauteile konstruktiv am besten voneinander entkoppeln», weiss Erwin Walker, Inhaber der Bianchi Holz- und Treppenbau AG. Zwar würden einige Architekten gerade in Einfamilienhäusern darauf nicht so grossen Wert legen, doch für Walker als Treppenbauer ist der Schallschutz auch in einem Einfamilienhaus ein wichtiger Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt.

«Realisiert haben wir schon recht oft Einbaumöbel in Verbindung mit einer Treppe», sagt Walker, «aber systematisch angegangen sind wir das Thema bislang noch nicht.» Das soll sich aber ändern.

www.gerdstreng.dewww.beeler-schreinerei.chwww.bianchi-treppen.chwww.treppenbau.ch

Treppenmöbel

Spielwiese für Planer

Historische Vorbilder sind in fast jedem Bereich unserer Lebensraumgestaltung vorhanden: Wandschränke, Wohnküchen oder Lounge-Chairs. Oft tauchen sie derzeit in abgewandelter Form auf, aber sie nehmen meist Bezug auf ihre geschichtlich verankerten Vorbilder. Bei der «Möbeltreppe» ist das anders. Hier gibt es kaum Vorbilder, die neu zu interpretieren wären. Es handelt sich um eine noch junge, gestalterische und planerische Aufgabe, und damit um ein spannendes Feld für alle Beteiligten.

Anders ist es in Japan. Dort hat das Treppenmöbel eine lange Tradition. Mutmasslich auch den räumlich beengten Verhältnissen geschuldet, werden zur Niveauverbindung innerhalb einer Wohnung Möbel entworfen, die begehbar sind. Manchmal auch mobil auf Rollen konstruiert, sorgt das oft als Kommode und Schrank ausgeführte Trittmöbel für die mobile Verbindung zwischen zwei Stockwerken und die Nutzung als Korpusmöbel. Dabei kommen oft Schiebetüren zum Einsatz, was einerseits der japanischen Tradition entspricht, aber auch den praktischen Effekt einer leichten Bedienung, auch bei beengten Verhältnissen, mit sich bringt. Die Entwürfe sind nach unserem Empfinden allerdings gestalterisch eher losgelöst von der sie umgebenden Architektur, was ihrer Mobilität geschuldet ist.

ch

Veröffentlichung: 29. Mai 2014 / Ausgabe 22/2014

Artikel zum Thema

18. April 2024

Herausforderungen gemeinsam meistern

Furnierverband. Für die Generalversammlung sind die Mitglieder des Furnier-Verbands am Donnerstag vergangener Woche nach Tavannes gereist. Wie gewohnt, war der Anlass geprägt von einem Gefühl des Kollektivs und von gegenseitiger Wertschätzung.

mehr
18. April 2024

Fachmesse in Wettingen

mehr

weitere Artikel zum Thema:

News