Stadtpalais mit vielen Extras

Die Häuser erfüllen den Passivhausstandard. Die dafür ge-forderten 15 kWh/m² Jahresheizwärmebedarf und 120 kWh/m² Primärenergiebedarf erreichen sie vor allem dank ihrer hochwärme-gedämmten Fassade und den dreifach ver-glasten Fenstern. Bild: Muhrbeck, muellersbuero.com

Wohnanlage.  Ein ungewöhnliches Flair, individuelle Grundrisse und modernen Komfort bieten die Wohnungen der drei fünfgeschossigen Passivhäuser, die eine Bauherrengemeinschaft im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg in Massivholzbauweise realisiert hat.

Die Baugruppe nennt sich «Zur Börse» – nach der Strasse, in der ihr Bauprojekt liegt. «Alter Schlachthof» heisst das Gelände im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg, auf dem sie für sich drei grosse Passivhäuser in Massivholzbauweise errichtete. Geplant hat sie «Müllers Büro», das allerdings nichts mit der Detektei des gleichnamigen Kultfilms aus den 1980er-Jahren zu tun hat, sondern das auf Niedrigenergie- und Passivhäuser spezialisierte Architektur- und Ingenieurbüro des Bauingenieurs Frank Müller ist.

Müller war auch einer der 36 Bauherren, die sich zusammenschlossen, um für sich Wohnungen nach eigenen Vorstellungen zu realisieren. Wohnungen, die der Markt nicht bietet, zu einem Preis, der die reinen Baukosten darstellt – ohne üppiges Marketing- und Vertriebsbudget. Auf der Suche nach einem passenden Bauplatz fanden und kauften sie 2008 mit Unterstützung der öffentlichen Hand ein knapp 4000 m² grosses Grundstück für ihr ungewöhnliches Projekt. Darauf entstanden drei fünfgeschossige Gebäude und 2500 m² Gartenanlagen mit eigenem Spielplatz.

Die Faszination des Konzepts resultiert aus der Kombination von Vorteilen des klassischen Einfamilienhauses mit denen des urbanen Wohnens: individuelle Grundrissgestaltungen auf diversen Wohnebenen. In den drei Stadthäusern befinden sich 41 verschiedene, ineinander verschachtelte Wohnungen in Grössen zwischen 40 und 190 m².

Südausrichtung mit hohen Räumen

Die Stadtplanungsbehörde hatte erlaubt, die 25 m langen und 16,5 m breiten Gebäude mit der Stirnseite zur Strasse hin zu errichten. So liessen sich die Wohnungen nach Süden orientieren, was in den Aufenthaltsbereichen für eine gute Belichtung und für solare Energiegewinnung sorgt. Das Sockelgeschoss besteht aus Kalksandsteinwänden mit einer Stahlbetondecke, weil man hier ursprünglich eine gewerbliche Nutzung wünschte. Für die vier Stockwerke darüber wählten die Planer Brettsperrholzelemente. Nur die mittig an den Längsseiten gelegenen Treppenhaustürme und Aufzugsschächte sind aus Brandschutzgründen in Stahlbeton ausgeführt. Zusammen erreichen die fünf Geschosse eine Höhe von etwa 17 m.

Die Möglichkeit, eine Wohnung über zwei Geschosse zu wählen, führte zu variablen Raumhöhen. Sie reichen von 2,5 über 3,2 bis zu 5,45 m. Zahlreiche massgefertigte Wand- und Deckenelemente bilden die Trag-struktur.

Holzbau lehnt sich an massiven Kern

Im tragwerksplanerischen Konzept fungiert der massive Treppenhausturm als aussteifender Kern. An ihn lehnt sich die gesamte Holzkonstruktion an. Die zu Deckenscheiben verbundenen Brettsperrholzelemente leiten die horizontalen Windkräfte in den massiven Kern ein, während die vertikalen Eigenlasten über die Wände direkt ins Sockelgeschoss abgetragen werden. Der Erschliessungsturm erfüllt ohne zusätzliche Schichten oder Anstriche die geforderte Feuerwiderstandsklasse F90. Ihn in Holz aus- zuführen, wäre zwar möglich gewesen, hätte jedoch bedeutet, ihn rundum aufwendig mit Zementfaserplatten zu beplanken, um das Kapselkriterium K90 zu erreichen. Deshalb entschieden sich die Architekten für die wirtschaftlichere Lösung aus Stahlbeton.

Präzision in Planung und Ausführung

Die Dicke der Brettsperrholz-Wandelemente variiert je nach vertikaler Lasteinwirkung zwischen 9,5 cm und 16,2 cm. Die Geschossdecken dagegen sind durchgehend 20,8 cm und die Balkone 20 cm stark. Wo die Wand- und Deckenelemente mit ihren jeweiligen Dicken und Abmessungen eingebaut werden müssen, haben die Planer mit dem ausführenden Holzbauunternehmen in Werk- und Positionsplänen genau festgelegt.

Die drei- bis siebenlagigen Brettsperrholz-Platten wurden mit Hilfe modernster CNC-Technologie zugeschnitten. Zur Abbundplanung gehörten auch alle für Anschlüsse notwendigen Ausfräsungen. Zum Beispiel jene für die eingelegten Holzwerkstoffstreifen über den Längsstössen zur Verbindung der Deckenelemente oder Bohrungen für Durchbrüche aller Art.

Bis zu 16 m lang und 3 m breit waren die Platten, die das Werk verliessen. Ihr millimetergenauer Zuschnitt sorgte für eine passgenaue Montage ohne Zwängungen. Sie erfolgte nach dem Stapelprinzip «Decke-Wand-Decke»: die Wände stehen auf den Geschossdecken oder stossen stumpf unter sie. Selbst die zwei Geschosse hohen Wandscheiben stehen zwischen den Decken. Ihre Dicken sind so dimensioniert, dass sie für diese Wandhöhe ohne seitliche Halterung einsetzbar waren.

Die Holzoberflächen der Wände und Decken verschwinden nach dem Rohbau zwischen Brandschutzbekleidung und Vollwärmeschutz. Der Brandschutz spielt im mehrgeschossigen Holzbau eine wichtige Rolle. Deshalb werden die Holzelemente gekapselt, das heisst, mit Gipsfaserplatten beplankt und beidseitig wärmegedämmt, «Gesamtdicke knapp 50 cm …», weiter möchte Müller den Schichtaufbau nicht beschreiben. «Da stecken viele Jahre Entwicklungsarbeit drin», begründet der Ingenieur seine Zurückhaltung.

Überhaupt sei das komplette Know-how, das er sich in 15 Jahren Spezialisierung auf den energieeffizienten Holzbau angeeignet hat, in das Projekt eingeflossen.

Kurze Bauzeit bringt finanzielle Vorteile

Durch die präzise Vorfertigung und den perfekt geplanten Bauablauf liess sich pro Woche ein Geschoss errichten. So konnten nach dem Baubeginn im März 2009 bereits im April 2010 die ersten Bewohner einziehen. Die kurze Bauphase bedeutete für die Bauherren auch eine kurze Zeit finanzieller Doppelbelastung aus Miete für die alte Wohnung und den Finanzierungskosten für die neue.

Das ganze Bauprojekt hat von der Gründung der Baugruppe im Mai 2008 über den Grundstückskauf im August 2008 und die Baugenehmigung im Januar 2009 bis zur kompletten Fertigstellung nicht einmal zwei Jahre gedauert.

Die Wohnungen lassen sich sowohl geschossweise als auch in einer anderen Ebene miteinander verbinden. Schon jetzt sind manche zusammengelegt, für eine mögliche Trennung aber vorgesehen, und angrenzende Wohnungen für eine spätere Verbindung vorbereitet. Innerhalb der unterschiedlichen Wohnungsgrössen und -typologien findet sich Wohnraum für «jede Lebenslage und jeden Geldbeutel», so dass eine interessante Bewohnerstruktur mit jungen Familien, Singles, Rentnern, Freiberuflern und Studenten entstanden ist.

www.passivhaus-prenzlauerberg.dewww.muellersbuero.comwww.ks-holzbau.dewww.aba-holz.de

SJ

Veröffentlichung: 12. April 2012 / Ausgabe 15/2012

Artikel zum Thema

18. April 2024

Herausforderungen gemeinsam meistern

Furnierverband. Für die Generalversammlung sind die Mitglieder des Furnier-Verbands am Donnerstag vergangener Woche nach Tavannes gereist. Wie gewohnt, war der Anlass geprägt von einem Gefühl des Kollektivs und von gegenseitiger Wertschätzung.

mehr
18. April 2024

Es hat noch freie Plätze

mehr

weitere Artikel zum Thema:

News