Wenn alles schiefgeht

Zwischen Beförderung und Überforderung ist oft nur eine dünne Linie. Ohne fachliche Ausbildung und viel Erfahrung kann man keine komplexen Fensteraufträge planen. Bild: Fotolia, Olly

Tatsachenbericht.  Bei der Konstruktion, Montage und Abdichtung von Fenstern kann man viele Fehler machen. Ein Fall aus der Praxis zeigt, wohin dies führen kann und welche Auswirkungen zu befürchten sind. Eines ist aber klar: Bei Bauschäden gibt es nur Verlierer.

Was passiert, wenn Unvermögen und ein ungeeignetes Fenstersystem aufeinandertreffen? Dann bekommen Experten und Rechtsanwälte Arbeit. So passiert in einem Thurgauer Dorf am Bodensee. Doch der Reihe nach: Am Anfang war ein Fenstermonteur, nennen wir ihn K*. Er bekam ein verlockendes Angebot des ausländischen Fensterherstellers F*, eine Vertretung in der Schweiz zu übernehmen. Der geschmeichelte Monteur sagte zu und war plötzlich Unternehmer, Projektleiter und Monteur zugleich. Sein Schwager war Architekt und hatte für ihn einen Auftrag bereit.

Kreative Wahl der Konstruktion

Eine stattliche Villa mit Sicht auf den See sollte der erste grosse Auftrag für den Neuunternehmer sein, der sich bisher fast ausschliesslich um die Montage von Lochfenstern kümmerte. Ausgeschrieben waren Fens- terfronten in Metall – doch ausgerechnet mit solchen Fenstern konnte der Zulieferer nicht dienen. K* griff darum zu einem Trick und liess den ganzen Auftrag in Kunststoff rechnen, einfach mit einer aussen und innen angebrachten Metallabdeckung.

Beim besagten Objekt waren bis zu 18 m lange Fensterfronten nötig, viele Kombinationen von Hebeschiebetüren, Festverglasungen, Glasecken, Elementstössen, Flachdach- und Fensterbankanschlüssen. Zudem hatte der Architekt die Fronten gestuft angeordnet, teilweise sollten Hebeschiebetüren auf Brüstungen angeschlagen sein und die Festverglasungen bis zum Boden hinunterreichen. Zusätzlich erschwerend plante der Architekt ein Tragwerk mit Sichtbeton und innenliegender Wärmedämmung. Für die Verglasung forderte der Architekt einen Ug-Wert von 0,6 Wm2K.

Offene Fugen überall

K* vertraute dem Zulieferer und liess die Arbeitsvorbereitung durch das Werkspersonal erstellen. Was K* aber nicht abschätzen konnte: Auch beim Zulieferer hatte man keine grossen Kenntnisse, was den Objektbau anbetraf. Um wenigstens optisch einem Ganzmetallfenster ähnlich zu sehen, verwendete man für die Rahmenkonstruktion der Festverglasungen und Hebeschiebetüren ein verstärktes Rahmenverbreiterungsprofil mit beidseitiger Metallabdeckung. Doch diese Profile liessen sich nicht entwässern, die Eckverbindungen nicht verschweissen und für vertikale Elementstösse stand kein dichtes Verbindungsprofil zur Verfügung. Zudem konnte man in der Konstruktion nur Isolierglas mit einem Ug-Wert von 1,1 Wm2K einbauen.

Das Leiden beginnt

Damit nahm das Verhängnis seinen Lauf. Für die Montage bot zwar der Architekt noch einen Sachverständigen auf, um die Ausführung der Abdichtungen zu überwachen, doch dieser hatte den Werkvertrag nicht gesehen und auch viele Fensterdetails nicht so genau kontrolliert. Nach der Montage drang schon bald Wasser ins Haus ein, denn die Verglasungsdichtungen waren alles andere als dicht. Dazu gesellte sich auch noch Kondensat. Die spezielle Konstruktion ohne Entwässerung und mit offenen Fugen im Rahmenbereich bot dem eindringenden Wasser kaum Widerstand, es landete direkt auf der Küchenabdeckung oder auf dem Parkett. Die Anschlagsituation mit innenliegender Dämmung bestimmte die Fliessrichtung des Wassers.

Neue Fenster als Ausweg?

Der Schock war gross – beim Bauherrn und beim Gutachter M*. Dieser sah als Ausweg aufgrund der völlig ungeeigneten Konstruktion nur den Ersatz aller betroffenen Fenster als taugliche Lösung. Doch der inzwischen hinzugezogene Anwalt des Neo-Unternehmers winkte ab: Sollte der Bauherr auf seiner Forderung nach neuen Fenstern bestehen – man hatte inzwischen eine realistische Offerte rechnen lassen, die drei Mal höhere Kosten auswies –, werde sich sein Klient in einen Konkurs flüchten und damit den Bauherrn ganz im Regen respektive im Leckwasser stehen lassen.

Viel Silikon, viel Aufwand

Die Sanierungsmassnahmen waren aufwendig und erforderten ständige Präsenz des Gutachters auf der Baustelle. Zuerst wurde alles ausgeglast, sämtliche unteren Fensterfriese entfernt, gesäubert und in einem Silikonbett wieder eingebaut. Dann füllten die Monteure alle Fugen zwischen Quer- und Längsfriesen mit Dichtstoff aus. Das Gleiche machten sie mit den Schrauben, die hinunter in die Hebeschiebetürschwelle reichten. Dann setzten sie die Scheiben wieder ein und führten rundum eine Falzgrundversiegelung aus. Beim Einsetzen der Glasleisten mussten die Monteure jeden Stoss mit Dichtstoff füllen, denn die Gehrungen der inneren und äusseren Glasleisten passten so schlecht, dass man hindurch sehen konnte.

Zusätzlich versuchte man, mit viel Silikon an den Hebeschiebetürflügeln die ungenügende Mitteldichtung zu verbessern.

Dicht, aber wie lange?

Momentan ist der Bau einigermassen dicht. Ob das in einigen Jahren auch so sein wird, ist ungewiss. Neue Fenster auf eigene Kosten konnte sich der Bauherr nicht leisten. Deshalb hält er jetzt stets Putzkessel und -lappen bereit. Der Fall zeigt ausgezeichnet auf, wie anspruchsvoll es ist, moderne Bauten zu planen.

Was Experte M* aber auch feststellte: Die Planung des Architekten ermöglicht gar keine fachgerechte Anschlagssituation und vor allem lässt sie sich nicht zuverlässig abdichten. Wohl auch darum hatte der Architekt wenig Interesse an einer umfassenden Lösung. Nach wie vor sind Architekten in erster Linie an der Ausführung schöner, spektakulärer Bauten interessiert und kümmern sich wenig um die so wichtigen Details. Der Schaden ist mit rund 150 000 Franken sehr gross und viele Probleme wie etwa die schlechte Wärmedämmung des Glases sind ungelöst. Bleibt nur zu hoffen, dass alle Beteiligten ihre Lehren aus dem Schadensfall gezogen haben.

* Namen der Redaktion bekannt

wi

Veröffentlichung: 18. Januar 2013 / Ausgabe 3/2013

Artikel zum Thema

25. April 2024

Talente für die Werkstatt

Bründler AG.  Der diesjährige Maschinen-Vorführtag der Arthur Bründler AG aus Ebikon LU bot einige Neuheiten und Weiterentwicklungen im Bereich der CNC- und Kantenbearbeitung.

mehr
25. April 2024

Schweiz auf Rang 2 in Europa punkto CNC-Arbeitsplätzen

mehr

weitere Artikel zum Thema:

News