Alte Villa erstrahlt in neuem Glanz

Villa Patumbah.  Mitten in Zürich steht eine Villa aus alten Zeiten, Baujahr 1885, erbaut im Stil des Historismus. Zurzeit wird im historischen Gebäude die Kassettendecke restauriert. Eine Arbeit, welche den Fachleuten viel Know-how abverlangt.

Sie macht den Anschein einer ganz normalen Baustelle. Auf den ersten Blick fällt die grosse Bautafel auf – und ein kolossaler Berg von Gerüsten und Blachen, die wie ein grosser Regenmantel die Mauern des Gebäudes umhüllen und schützen. Eigentlich ist bereits der schmiedeeiserne Gartenzaun um das grosszügige Anwesen Anzeichen dafür, dass hier kein Neubau entsteht, sondern ein restauriertes Vorzeigeobjekt. Das repräsentative Haus wird zukünftig unter anderem den Schweizer Heimatschutz beherbergen.

Zürcher Historismus

Bei näherem Hinschauen fällt dann eine reich verzierte Kuppel auf – gewölbt in den Formen des Barock. Wie der Sprössling einer Pflanze lugt sie hinter dem Mantel hervor und zeigt damit noch einmal eindeutig, dass es sich beim Patienten um etwas Besonderes handelt. Die Villa Patumbah im Zürcher Seefeldquartier stammt aus dem Historismus, einer Zeitepoche kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert. Im Historismus griff man auf ältere Stilrichtungen zurück und ahmte diese nach. Alle bekannten Neo-Stile sind Kinder dieses Zeitgeistes.

Diesen Sommer hat man begonnen, die Malereien an den Fassaden der Villa zu sichern. Wegen der Kälte hat man hier eine Pause eingelegt, im Innern gehen die Arbeiten weiter. Dabei sind es nicht Maurer, Maler oder Schreiner, die hier das Werkzeug schwingen, sondern ausgebildete Restauratoren der verschiedensten Fachrichtungen.

Repräsentatives Schreinerhandwerk

An Arbeit mangelt es ihnen nicht: In der Villa gibt es farbige Säulengänge, beleuchtet vom Tageslicht, das einfällt durch ein Drachenauge in der Kuppel. Es gibt Parkettböden, die das Schreinerherz höher schlagen lassen – zurzeit sind sie allerdings noch mit Pavatex bedeckt. Und es gibt wundervoll verzierte Kassettendecken mit gedrechselten und geschnitzten Zapfenverzierungen und aufwendig bemalten Füllungen. «Die Kassetten sind alle von hoher handwerklicher Qualität», stellt Jörg Magener fest. «Die Gehrungen bei den Kassetten müssten eigentlich gar nicht verdeckt werden.» Und doch verleihen die Zapfen der Decke einen gewissen aufgesetzten Prunk – den Prunk des Historismus eben.

Europäische und asiatische Kunst

Jörg Magener hat erst Kunstgeschichte studiert und sich dann an der Akademie für Möbelschreiner und Holzbildhauer im bayrischen Garmisch-Partenkirchen zum Schreiner ausgebildet. Die Kunst des Restaurierens hat er am West Dean College in England erlernt. Er mag es, an einem historistischen Gebäude zu arbeiten. «Sich auf die verschiedenen Stile einzulassen, ist eine grosse Herausforderung», sagt er. Denn jedes Zimmer ist anders in diesem speziellen Gebäude. Auch dies ist eine Eigenart des Historismus: Man hat einfach Elemente aus vorangehenden Epochen kopiert und diese schliesslich auch kombiniert. Der Raum mit der Kassettendecke ist dem Barock angelehnt.

Aber hie und da finden sich auch Elemente aus der Renaissance oder sogar welche aus der Gotik. In der Villa Patumbah werden zudem die europäischen Stile ergänzt mit asiatischer Formensprache.

Unterschiedliche Qualitäten

Dabei ist eines auffällig: «Die asiatischen Malereien sind eindeutig von geringerer Qualität als die Malereien in den europäischen Stilen», bemerkt Beat Waldispühl, der im Haus an den bemalten Holzoberflächen arbeitet. Als Konservator und Restaurator mit Fachhochschulabschluss kennt er den Zeitgeist, unter dem die jeweiligen Stile entstanden sind. «Die unterschiedlichen handwerklichen Qualitäten sind umso erstaunlicher, als dass sie von lokalen Künstlern geschaffen worden sind, die eigentlich ihr Handwerk beherrscht haben», sagt er mit Nachdruck.

Diese Tatsache lässt den Verdacht aufkommen, dass hier bewusst die asiatische gegen die europäische Kunst ausgespielt worden ist. Ein anderer Erklärungsversuch wäre natürlich, dass um 1880 aufgrund mangelnder Kenntnisse die asiatische Kunst nicht angemessen dargestellt werden konnte. Qualität hin oder her: Die Asiaten kennen in ihrer traditionsreichen Kunst keine Zentralperspektive, und dies hat man offensichtlich nicht nur auszudrücken versucht, sondern bewusst unterstrichen.

Die Restaurierung beginnt

An den Füllungen war zum Teil die Farbe abgeblättert, zum Teil fehlten ganze Holzelemente. Es galt also zunächst, die instabilen Stellen soweit möglich zu sichern. Erst in einem zweiten Schritt hat man die Fehlstellen gekittet und retouchiert. Wie dies angestellt wird, unterliegt einer klaren Restaurierungsphilosophie.

Zum Verständnis ein kleiner Exkurs: Im Sommer 2013 dürften die Bauarbeiten voraussichtlich fertiggestellt sein. Dann wird in der ersten und zweiten Etage des denkmalgeschützten Gebäudes der Schweizer Heimatschutz einziehen. Im Erdgeschoss entsteht ein öffentlich zugängliches Zentrum für Baukultur. Es ist vorgesehen, dass dort Wechselausstellungen stattfinden. Die historische Bausubstanz soll also nicht nur beherbergen, sondern ihre Spuren des Gebrauchs gleichzeitig zu Schulungszwecken zur Verfügung stellen.

Nutzung beeinflusst Restaurierung

«Die zukünftige Nutzung ist für uns ein wichtiger Faktor, den es bei der Arbeit zu berücksichtigen gilt», erklärt Waldispühl. «Im Zentrum steht immer die Erhaltung der originalen Substanz. Sie ist Teil der sogenannten Restaurierungsethik.» Diese werde jeweils projektspezifisch und in Absprache mit Denkmalpflege und Bauherrschaft definiert. Eigentlich hätten die blauen Kassetten wieder in ihren königsblauen Originalzustand versetzt werden können. Doch die Ethik gebot es, an diesem Objekt den originalen, aber vergilbten Lack zu belassen. «Lediglich eine Kassette haben wir freigelegt», sagt Waldispühl mit Verweis auf das Dreieck, das richtiggehend zu leuchten scheint.

Demontage der «Töggeli»

Jörg Magener schraubt vorsichtig ein «Töggeli» von der Decke. So nennt er die zierlichen Zapfen, welche die Gehrungen bei den sich kreuzenden Rippen kaschieren. Dann zeigt er auf, was daran zu tun ist: Wenn er an hölzerne Objekte gerate, dann nehme er zuerst eine Analyse vor. Um welche Holzart handelt es sich? Welcher Lack wurde eingesetzt? Wo sind die zu restaurierenden Stellen? Zuerst gleicht er das Vorhandene mit seinem Wissen ab. Allenfalls werden Proben entnommen. Falls er sich dann noch nicht sicher ist, worum es sich genau handelt, nimmt er ein Mikroskop zu Hilfe. Das gebe meist Aufschluss über die Beschaffenheit der Oberfläche. Auch darüber, wie viele Schichten Lack und Farbe darauf appliziert seien. «Und wenn dies nicht ausreicht, dann wird eine Probe ins Labor geschickt», so Magener.

«Ersatzteillager» aus Hölzern

Wenn dann Teile ersetzt werden müssen, greift man oft auf die eigene Sammlung von alten Hölzern zurück. «Diese stammen allesamt von Baustellen», erzählt Jörg Magener weiter. Da könne ab und zu schon einmal ein wertvolles Holz vor dem Müll gerettet werden. «Und falls man im eigenen Fundus mal nicht das Passende findet, so können meist befreundete Restauratoren aushelfen.» Denn in ihrer Branche gebe es Leute, die seien auf spezielle, seltene, alte Hölzer spezialisiert.

Exzentrischer Bauherr

Carl Fürchtegott Grob-Zundel dürfte an der Restaurierung seine Freude haben. Der Bauherr der extravaganten Villa stammte aus einer Zürcher Bäckerfamilie. Seinen Reichtum erlangte er mit der Beteiligung an Tabakplantagen in Sumatra. Der Reichtum kam wohl nicht von ungefähr, denn gemäss Überlieferungen ging er mit seinen Angestellten nicht sehr wohlwollend um.

1995 wurde die «Stiftung zur Erhaltung des Patumbah-Parkes» gegründet, deren Name sich später in «Stiftung Patumbah» änderte. Anfang 2013 dürften die Bauarbeiten abgeschlossen sein und die Türen sich für Personen öffnen, die an Stilkunde interessiert sind.

www.stiftung-patumbah.chwww.joergmagener.ch

BEGRIFFE erklärt

Historismus

Die im Gefolge der Industrialisierung auftretende Stilepoche. Der Historismus gilt für manche nicht als eigentlicher Stil, weil viele Elemente aus anderen Epochen kopiert und zusammengefügt wurden. Ein Merkmal des Historismus ist die exzessive, oft überbordende Ornamentik ohne eine Aussage.

Konservierung

Durch konservierende Massnahmen wird der Alterungsprozess von historischen Materialien stabilisiert und das Eintreten künftiger Schäden verlangsamt.

Restaurierung

Beim Restaurieren dagegen werden fehlende Teile ergänzt, um eine beeinträchtigte Bedeutung oder Funktion wieder herzustellen. Dabei gelten der Respekt vor dem Original und die Er- haltung von Spuren der Geschichte als wichtige Grundsätze.

Reversibilität

Der Zustand vor der Restaurierung sollte immer wiederherstellbar sein – ein Grundprinzip, das zum Berufsver-ständnis eines Restaurators dazugehört. Das spiegelt sich wider in der Wahl der verwendeten Materialien und der angewandten Techniken.

Maserierung

Es war in der Vergangenheit Usus, Holz mit Holzstrukturen zu bemalen. Preiswerte Fichte bekam damit beispielsweise einen aufwertenden Nussbaum-Anstrich. Diese künstlerische Arbeit war gängiges Malerhandwerk. Die Arbeit kostete im Gegensatz zum Material fast nichts.

Fassung

Fassung meint in diesem Zusammenhang nicht den Sockel für ein Leuchtmittel, sondern die Grundierungs- und Malschicht, die ein Objekt bedeckt. Früher war das Berufsbild des Malers geteilt in Flach- und Fassmaler.

mw

Veröffentlichung: 29. Dezember 2011 / Ausgabe 51-52/2011

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