Auf den Knoten kommts an

Bilder (2): Flötotto

Möbelsysteme.  Regale leben von ihren Proportionen und kräftigen Eckverbindungen. Bei modularen Systemen müssen Letztere bei Bedarf jedoch wieder lösbar sein. Es ist nicht einfach, die beiden Anforderungen zu vereinen. Neue Designmöbel zeigen, wie es gehen kann.

Muss die Ecke eines Regals wieder demontierbar sein, kommt die fix verleimte Zapfen-Schlitz-Verbindung an ihre Grenzen. Obwohl Regale aus Holz im Trend sind, bestehen die in vielen Fällen spezifisch entwickelten und patentierten Eckverbinder oft aus Kunststoff.

Möbel, die mitwachsen

Einen solchen Verbinder präsentierte kürzlich das urdeutsche Label Flötotto. Mit dem Regal «Add» des Berliner Designers Werner Aisslinger knüpft die Traditionsmarke an die Eigenschaften des Profilsystems aus dem Jahre 1972 an.

Bereits an diesem zeigten sich eindrücklich die Vorteile eines modularen Möbelsystems: Es begleitet den Benutzer durch die Lebensphasen und wächst mit. Aus dem Wickeltisch entsteht bei Bedarf ein Regal oder umgekehrt. Dem 40-jährigen «Profilsystem» liegt in der Höhe ein Raster von 74 cm zugrunde. Zudem ist es in Breiten und Tiefen von 45 oder 60 cm erhältlich. Sollen Seitenwände, Böden und Deckel angebracht werden, erfordern diese allerdings eine längs angebrachte Nut in den Vierkantstäben. Letztere bestehen beim Original aus Buche, der Querschnitt beträgt 34 mm.

Das neue Systemmöbel «Add» kommt dank dem intelligenten Verbindungsknoten aus Kunststoff ohne Nut aus. Sämtliche Front-, Seiten- und Rückwandelemente lassen sich mithilfe eines Druckknopfs ein- und ausklippsen. Die Vorrichtung hierfür ist in den Eckverbinder integriert. Gleichzeitig sind die Knoten von aussen unsichtbar, während beim Vorgängermodell Schraubenköpfe anzeigen, wo die Verbindung stattfindet.

Ebenfalls verschwunden sind die prägnanten Rundungen an den Profilkanten. Eine scharfkantige Optik verleiht dem Möbel ernste Züge, womit «Add» definitiv nicht mehr den Charakter eines Kindermöbels aufweist. «Das neue Regalsystem ist zwar nicht ganz so robust wie der Klassiker, dafür aber filigraner», sagt Veronika Lidzba vom Hersteller. Daher eigne es sich auch für den Objektbereich. Das Möbel sei an der Möbelmesse in Köln erstmals vorgestellt worden, mit positiven Rückmeldungen. Nun ginge es ans Ausarbeiten der technischen Feinheiten. Voraussichtlich ist das Regal erst Ende dieses Jahres im Handel erhältlich.

Vorkonfigurierte Möbeltypen

Ein Verbindungsstück aus Kunststoff prägt ebenfalls das Regal «St16», vertrieben durch die Pension für Produkte GmbH, und zwar nicht nur in konstruktiver Hinsicht, sondern auch in Bezug auf die Farbgebung, denn der farbenfrohe Verbinder verleiht dem Regal freche Kontraste. Im Gegensatz zum Produkt von Flötotto wählte man hier aber nicht eine Rahmenkonstruktion mit dekorativen Füllungen, die allenfalls noch eine aussteifende Wirkung entfalten. Vielmehr setzte die Designerin Angela Schlösser auf die Stabilität von ausreichend verbundenen Platten.

Und so funktionierts: Sämtliche Seiten und Tablare von «St16» weisen Einschnitte auf. Der Kunststoffbeschlag wird in diese Schlitze gesteckt und mit einem kleinen Exzenterverschluss formschlüssig fixiert. Ein interessantes Detail bildet die Tatsache, dass der Exzenter gleichzeitig als Drehpunkt für allfällige Türen sowie als Befestigung für Seiten- und Rückenelemente wirkt. Das Möbel ist in Breiten von 25 und 35 cm erhältlich. Seitenwandlängen von 2,50 m und 2,01 m ermöglichen den Einsatz als Bücherregal. Die Höhe von 1,64 m ist als Raumteiler gedacht. Wenn das System als Sideboard konfiguriert ist, kommt die Stellfläche auf 89 cm über dem Boden zu liegen.

www.floetotto.dewww.st16.de

Interview. Mit «Werd» entwickelte das Designbüro Stauffacherbenz für Atelier Pfister ein modulares Bücherregal, das nun beim traditionsreichen Schweizer Möbelhändler individuell konfiguriert und gekauft werden kann. Im Interview mit Stefan Stauffacher erfährt die SchreinerZeitung so einiges über den Prozess, in dem «Werd» zum Regal geworden ist.

SchreinerZeitung: Stefan Stauffacher, wie kam die Zusammenarbeit mit Atelier Pfister zustande?

Stefan Stauffacher: Wir hatten das Glück, von Kurator Alfredo Häberli bereits 2011 ausgewählt worden zu sein, um die erste Kollektion von Atelier Pfister mitzuprägen. Die Gedanken kreisten damals um eine «Tafelrunde». Das weit gefasste Thema gab uns viel Freiraum für den Entwurf. Entstanden sind in einer ersten Runde der Stuhl «Andermatt», der Tisch «Meilen» sowie «Steg», ein Stapelhocker.

Sind die Vorgaben des Marketings immer so offen formuliert?

Für das Regal «Werd», das zur zweiten Kollektion von Atelier Pfister gehört, erhielten wir vom Marketing recht klare Vorgaben, die da lauteten, ein «offenes oder geschlossenes Büchergestellsystem» zu entwickeln.

Das sind hohe Anforderungen an ein Möbel. Wie wurden Sie diesen gerecht?

Wir haben das Thema für uns sogar noch erweitert. Das Regal soll sich nicht nur als Büchergestell bewähren, sondern auch als Raumtrenner im Wohnbereich. Von Anfang an war uns wichtig, dass es zwar modular aufgebaut ist, aber nicht die technische Ausstrahlung erhält, die modularen Systemen eigen ist. Um das technische Element zu brechen, wollten wir «Werd» unbedingt aus Holz realisieren. Zudem wählten wir eine Formensprache mit weichen, flies- senden Linien. Grossen Wert legten wir auf das Detail des Verbindungsknotens. Diesen diskutierten wir während des Entwicklungsprozesses intensiv mit dem Hersteller.

Auch in technischer Hinsicht?

Die technische Grundidee kam von uns, bei der Ausführung vertrauten wir auf die Erfahrung von Hannes Vifian, der das Regal mit seiner Möbelwerkstätte in Schwarzenburg produziert. Anhand von Modellen konnten wir schliesslich verschiedene Varianten beurteilen. Am Ende erwies sich die einfachste Lösung als die beste.

Wie sieht diese aus?

Die Distanz zwischen den Tablaren wird durch aufrechte Rundstäbe aus Eschenholz definiert. In die Rundstäbe ist auf der einen Seite eine Gewindehülse eingelassen und auf der anderen Seite eine Gewindestange eingeschraubt. Sie durchdringt den vorstehenden Knoten im Tablar und ermöglicht so, dass man wiederum den Rundstab fürs nächste «Stockwerk» anschrauben kann. Der Deckel bildet nach oben hin den Abschluss. Er ist lediglich aufgesteckt.

«Werd» ist in zwei diversen Tablarhöhen erhältlich. Der Zwischenraum beträgt einerseits 160 mm, andererseits 350 mm. Wie kamen die Masse zustande?

Grosse Bücher oder ein Bundesordner sollten auf den Tablaren Platz finden, da ergeben sich die Dimensionen fast von selbst. Zudem baut das System auf einem Raster auf. Wenn man die 30 mm Tablardicke dazurechnet, entsprechen zwei kleine Höhen exakt einer grossen.

Das Raster erlaubt es dem Kunden, «Werd» nicht nur als Regal, sondern auch als Sideboard einzusetzen. War das beabsichtigt?

Das Möbel wird von Atelier Pfister standardmässig als Sideboard mit einer Höhe von knapp über 1 m und als Regal mit 1,65 m Höhe angeboten. Aber es ist ja modular aufgebaut und so sind beliebige Varianten möglich. Obwohl wir nebst Kernesche Natur drei lackierte Grundfarben definierten, ist «Werd» auf Wunsch in jeder beliebigen Farbe erhältlich. Wir legen als Designer allerdings Wert darauf, dass die Tablare in der gleichen Farbe gehalten sind wie die Distanzstäbe. Anderenfalls zerfällt das Regal in einzelne Funktionselemente, was nicht in unserem Sinne ist. Gemäss unserem Konzept soll es als Einheit wirken.

Kann man mit «Werd» unendlich in die Höhe bauen?

Prinzipiell schon. Doch bei Raumhöhen von knapp über 2 m macht das meist keinen Sinn. Auch sollte ein Mensch die Gegenstände stehend noch erreichen können. Ab drei Stockwerken benötigt das Regal aus Stabilitätsgründen zudem eine Rückwand.

Ist die Produktentwicklung nach der Markteinführung nun zu Ende?

Um dem Briefing definitiv gerecht zu werden, wird «Werd» in Zukunft um Bücherstützen ergänzt. Diese sind bei uns in der Pipeline.

www.atelierpfister.ch

StauffacherBenz

Profis mit breitem Arbeitsspektrum

Seit 2003 machen Stauffacherbenz Design. Stauffacherbenz, das sind:

Nicole Benz: Die ehemalige Primarlehrerin und Musikerin ist speziell interessiert an den semantischen Aspekten von Design. Mit «Glücksli» betreibt sie ein eigenes Schmucklabel.

Stefan Stauffacher: Nach einem Naturwissenschaftsstudium hat er wie seine Partnerin an der Zürcher Hochschule der Künste Produktdesign studiert. Stauffacher mag die Analyse, ist präzise und hartnäckig, hat Gefühl für die schöne Form.

www.stauffacherbenz.ch

MW

Veröffentlichung: 14. März 2013 / Ausgabe 11/2013

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