Erfrischend anders

Die Tiermodelle der Lausanner Designer Bertille & Mathieu zeigen auf, wie eine frische Denkweise das Möbeldesign bewegen kann. Gezeigt an der Blickfang in Kopenhagen. Bild: Ecal

Neue Möbeltypen.  Designer sind Querdenker von Berufs wegen. Es ist ihre Aufgabe, klassische Möbeltypen zu hinterfragen und den Markt mit frischen Produkten für sich ändernde Bedürfnisse zu bespielen. So kommt es, dass ihre Möbel auch mal belustigen oder irritieren.

Der Stuhl, der Tisch, der Schrank, die Bank: Möbeltypen scheinen klar vergeben. Jeder hat eine genaue Vorstellung davon, für welche Objekte diese Wörter stehen. Wo Leuchte draufsteht, ist Leuchte drin, wer Leuchte hört, sieht vor dem geistigen Auge ein Licht aufflackern.

Doch dieses imaginäre Bild würde sich kaum mit demjenigen einer anderen Person decken, könnte man die beiden vergleichen. Der eine sieht LED, der andere Kerzenlicht. Das eine Licht ist vielleicht goldgelb funkelnd, das andere himmelblau strahlend.

Durch die individuelle Vorstellungskraft, welche denselben Möbeltypus stets anders erscheinen lässt, wandeln sich Produkte über die Jahre hin, so wie sich auch der Sprachgebrauch ständig verfeinert. Aus einem einfachen Tisch werden Esstische, Konferenztische, Salontische, Klapptische, Gartentische oder gar Tischleuchten – je nach Zweck, dem sie dienen. Designer wiederum sorgen durch differenzierte Gestaltung für eine weitergehende Verästelung dieser Kategorien. Nicht jeder Esstisch sieht schliesslich gleich aus. Darüber, was ein Objekt genau ist und wozu es dienen soll, haben sich in der Geschichte schon etliche Theoretiker den Kopf zerbrochen. Der griechische Philosoph Platon beispielsweise hat die individuellen Ausgestaltungen desselben Gegenstands als «Nachbilder» bezeichnet. Er sieht in einem physisch vorhandenen, greifbaren Tisch lediglich ein Abbild des «wahren», «göttlichen» Objekts. Wie dieses Abbild ausdifferenziert und gestaltet ist, liegt in der Kompetenz des Schöpfers, der bei mobilen Gegenständen einhergeht mit dem Designer.

Philosophische Ausführungen nützen den Möbelprüf-Spezialisten an der Berner Fachhochschule in Biel allerdings wenig. Wird ein Möbel hier im Stresstest auf seine Funktionalität geprüft, gelten entsprechende Normen. Dass es gerade bei neuen Möbeltypen nicht immer einfach ist, diese auf Anhieb zu finden, bestätigt Christoph Männle, Leiter des Möbelprüfinstituts. In solchen Fällen lehne man sich an geltende Normen an – in der Regel in Rücksprache mit anderen Instituten für Normprüfungen.

Doch das Thema lässt sich zweifellos am besten exemplarisch abbilden. Aus diesem Grund zeigt die SchreinerZeitung folgende fünf Beispiele von ungewöhnlichen, neuartigen Möbeltypen, die zum Teil erst als Prototyp existieren und funktionieren.

Gemeinsam sitzen auf Augenhöhe

Sebastian Voigt bietet zusammen mit Franz Dietrich auf einer Internetplattform Dienstleistungen im Möbelbereich an. Darauf sorgen seine Kreationen wie der «Drehbock» nicht nur für ein Schmunzeln, sie bieten auch Funktionen, die auf Anhieb irritieren. «Drehbock» ist eine Symbiose aus Drehhocker und Tischbock. Das Produkt spiele ironisch mit dem Thema der Unterschiede zwischen den Menschen, erklärt der Gestalter. Weil sich die beiden im Tischbock integrierten Hocker durch Drehen in der Höhe justieren lassen, sorgt das Möbel dafür, dass sich zwei unterschiedlich grosse Personen auf Augenhöhe gegenübersitzen können.

www.sebastian-voigt.com

Leuchte und Abstellfläche

Alleine führt Franz Dietrich das Label Rejon. Eigenwillige, neuartige Produkte sind bereits das Markenzeichen des jungen Designers. Seine «Tischleuchte» erklärt mit ihrem Namen, wofür sie steht. Eine Art Salontisch ist bereits ab Manufaktur mit der geeigneten Beleuchtung versehen. Oder anders ausgedrückt: Der Stehleuchte wurde ungefähr auf Kniehöhe ein Zwischenpodest eingefügt, welches ganz praktisch als Ablage dient. An Licht dürfte es hier nicht mangeln. Dass die eigenwilligen und poetischen Produkte auf Nachfrage stossen, lässt sich von einer anderen Tatsache ableiten: Franz Dietrich plant im neuen Jahr den Ausbau seines Betriebs.

www.rejon.de

Skulptur mit Funktion

Nur ein kleines bisschen Tisch steckt in dieser Leuchte von Cappellini. Ihre langen Beine erinnern an eine Giraffe, während die auskragenden Arme eher mechanischer Hydraulik nahe kommen. So persönlich das Aussehen auch interpretiert werden kann, so klar beschreibt der Name die Funktionalität dieser stacksigen Kreatur: Die «Sofalamp» steht als Leselampe einem Sofa bei. Das Untergestell aus Nussbaumholz sowie die einfache, traditionelle Form der Einlageschale zitieren vergangene Stilepochen. Nebst der «Sofalamp» hat die niederländische Designerin Daphna Laurens für das italienische Traditionslabel auch eine «Fruitlamp» entworfen. In der gleichen Formensprache gehalten kommt sie als beleuchtete Fruchtschale auf Tischen zum Einsatz.

www.daphnaisaacs.nl

Tischtuch aus Faserzement

Wenn die Designer Fries & Zumbühl am Werk sind, legt sich ein hartes Material kurzerhand weiche Formen zu. «Hocuspocus» nennt sich das Tischtuch aus einer Faserzementmatte. Wie von Zauberhand als Unikat zu einem Salontisch geformt, hält es auch ohne Unterkonstruktion den geforderten Belastungen stand. Noch existiert das Zaubertuch nur als kleine Serie von Prototypen. Das soll sich gemäss der Eternit (Schweiz) AG aber bald ändern. Das bekannteste Eternit-Möbel ist wohl die Gartenliege «Loop», mit welcher Willy Guhl vor knapp 60 Jahren einen absoluten Designklassiker schuf.

www.frieszumbuehl.ch

Redesign eines Flurmöbels

«Scandi Standi» ist ein Prototyp von Daniel Schofield aus dem englischen Sheffield. Der gelernte Schreiner und Grafiker hat sich im Produktdesignstudium mit dem Telefontisch befasst und versucht, diesem altgedienten Objekt zurück in den heutigen Markt zu verhelfen. Entstanden ist ein Flurmöbel, in welchem sich Garderobe, Sitzbank und Telefontisch vereinen. Formal ist das gute Stück ein Kompromiss zwischen angemessener Produktsprache und technischen Rahmenbedingungen. Die Multiplexteile für «Scandi Standi» sind restlos aus einer einzigen Platte gefräst.

www.danielschofield.co.uk

MW

Veröffentlichung: 11. Januar 2013 / Ausgabe 1-2/2013

Artikel zum Thema

18. April 2024

Herausforderungen gemeinsam meistern

Furnierverband. Für die Generalversammlung sind die Mitglieder des Furnier-Verbands am Donnerstag vergangener Woche nach Tavannes gereist. Wie gewohnt, war der Anlass geprägt von einem Gefühl des Kollektivs und von gegenseitiger Wertschätzung.

mehr
18. April 2024

Fachmesse in Wettingen

mehr

weitere Artikel zum Thema:

News