Modernes Design im alten Turm

Innenausbau. In einem Schloss wohnen – ein Traum, der für viele wohl nie in Erfüllung gehen wird. Darin arbeiten und spannende Projekte verwirklichen, liegt schon eher im Bereich des Möglichen. Der Schreinerei Hartmann aus Eglisau bot sich genau eine solche Gelegenheit.

 

Über eine Empfehlung gelangte die Schreinerei Hartmann aus Eglisau im Rahmen der Gesamtsanierung an einen Auftrag auf dem Gelände des Schlosses St. Andreas in Cham. Das 67 000 m2 grosse Anwesen direkt am Zugersee umfasst neben dem Schloss mehrere Nebengebäude, darunter eine Kapelle, ein Kaplanenhaus und ein Bootshaus mit kleinem Hafen. Letzterer ist auf das 14. Jahrhundert zurückzuführen, dazumal war St. Andreas ein strategisch wichtiger Hafen. Deshalb baute man damals eine Festung, die wenig später aus finanziellen Gründen an die Habsburger verkauft wurde. 1387 gelang es den Eidgenossen, die Festung zu erobern. Danach wechselte sie mehrmals den Be­sitzer. Sein heutiges Aussehen erhielt das Schloss vor rund 100 Jahren, als es im Stil des Historismus umgestaltet wurde.

Rollläden statt gewöhnlicher Fronten

Eher wenig Beachtung findet der «Güggelturm», der etwas abseits des Hauptgebäudes steht. «Früher war darin eine Art Wasch­küche untergebracht», erinnert sich Godi Hartmann, Geschäftsführer der Schreinerei. Die ruhige Lage macht den Turm jedoch zu ­einem idealen Gebäude, um ihn zukünftig als Arbeitsraum zu nutzen. Aber wie lässt sich ein kreisrunder, zweistöckiger Turm mit sechs Meter Durchmesser intelligent und optisch ansprechend ausbauen? «Der Architekt hatte sodann die Idee, statt ge­wöhnlicher Fronten Rollläden zu benutzen», erzählt Hartmann. Diese passen sich besser der runden Form an, und im geschlossenen Zustand verbergen sie alle Einbauten. Dank den weichen und runden Formen sowie dem hellen Ahornholz wirken die Fronten sehr leicht und vermitteln ein angenehmes Raum­gefühl.

Planung für den Gipser

Für die Schreinerei war diese Ausführung aber eine grosse Herausforderung, insbe­son­dere bei den Planungs- und Vorbereitungsarbeiten. Der Projektleiter zeichnete dem Gipser vor Ort die Masse auf, die er einhalten musste. «Nur so konnten wir eine verlässliche Planungsgrundlage schaffen», erklärt Godi Hartmann. Dieses Vorgehen ermöglichte es, alle Teile passgenau vorzufertigen. Dazu gehören insbesondere alle Chromstahlteile wie die Schienen für die Rollläden oder die Küchennische mit Spülbecken und Kühlschrank. «Die Metallteile haben wir selbst im CAD geplant, um sie dann auslasern, biegen und schweissen zu lassen». Der Zusammen- und Einbau erfolgte anschlies­send wieder durch die Schreinerei aus Eglisau.

Entscheidend war die Montage der Chromstahlführungen für die Rollläden. Diese haben die Schreiner auf formgefräste Multiplex-Platten geschraubt und bereits im Rohbau montiert. Sehr wichtig war dabei, dass die Boden- und Deckenführungen exakt in derselben Flucht liegen. Erst dann wurden Decke und Boden direkt bis an die Schiene gegipst respektive gegossen. Danach folgte die Unterkonstruktion für Wandverkleidungen, Küche und Treppe. 

Unsichtbar, aber gut zugänglich

Die Küchennische im Erdgeschoss wurde als komplettes Modul vorgefertigt und dann montiert. Dadurch gibt es keine sichtbaren Fugen, da zum Beispiel Rückwand und Seiten aus einem Teil bestehen. Neben dem Spülbecken umfasst das Modul einen Kehrichtauszug und einen Kühlschrank. Auf der Höhe der Tablare, in die rechte Seite integriert, befindet sich zudem noch ein kleiner Schrank. Wasseranschlüsse, Boiler und Stromversorgung wurden rechts neben der Verpflegungsnische, hinter dem Rollladen untergebracht. Dadurch sind sie absolut unsichtbar verstaut. «Im Bedarfsfall lässt sich der Rolladen komplett zurückschieb­en und ermöglicht somit einen einfachen Zugang zu den Installationen», ergänzt Godi Hartmann.

Links von der Nische befinden sich auf der gesamten Länge des Treppenanfangs diverse Tablare und Ablagemöglichkeiten, die auch dezent hinter einem Rollladen verschwinden. Die Treppe wurde auf der linken Seite in der Wand verankert. Rechts werden die Kräfte über die Verkleidung abgeleitet, in die zudem noch LED-Leuchten integriert sind, welche die Stufen durch schmale Schlitze beleuchten. Die Verkleidung läuft vom Boden im Erdgeschoss bis in das Obergeschoss durch, wo sie in eine kaum enden wollende Arbeitsfläche übergeht. Sie läuft beinahe an der gesamten Turmwand entlang, nur beim Treppenaufgang ist ein Stück frei. Unter dem Blatt befinden sich, wiederum hinter Rollläden verborgen, Schubladenkorpusse und Regale.

Extradicke Lamellen

Aber auch die Herstellung der Rollläden war nicht ohne: «Ich machte mir bei einem Hersteller ein Bild von der Produktion», erzählt Godi Hartmann. Dabei stellte er fest, dass die Lamellen standardmässig acht Millimeter dick sind und die Holzqualität teilweise zu wünschen übrig lässt. «Das geht natürlich für über zwei Meter hohe Rollläden nicht», ergänzt Hartmann. In Absprache mit dem Hersteller hobelte die Schreinerei deshalb die Lamellen selber und lieferte sie als Rohmaterial dem Rollladenhersteller – und zwar so, dass sie im eingebauten Zustand eine Dicke von zehn Millimeter aufweisen. Kehlungen, Oberflächenbehandlung usw. erfolgten dann durch den Rollladenhersteller, der dafür eigens einen Profilfräser anfertigen lassen musste.

Aufgrund der enormen Dimension der Läden wäre der Reibungswiderstand in den Schienen viel zu gross gewesen. Auch dafür hatte die Schreinerei eine Lösung: Auf der Innenseite der Rollläden brachte sie kleine Kunststoffrollen an, die das Gewicht tragen. Die Schiene übernimmt also nur noch die Funktion einer Führung. Das Einhängen der Läden gestaltete sich laut Godi Hartmann relativ einfach: «Wir hängten sie in einzelnen Segmenten ein. Am Schluss musste ­einfach ein Monteur in den Schrank hineinstehen, um sie von hinten miteinander zu verschrauben.»

Aufträge dieser Art sind auch für die Schreinerei Hartmann nicht alltäglich: «Für mich sind solche Herausforderungen aber sehr wichtig. Durch das Ausarbeiten neuer Konstruktionen und Details kann sich das gesamte Team weiterentwickeln.» ph

www.hartmann-projekte.ch

Veröffentlichung: 05. Mai 2011 / Ausgabe 18/2011

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