Rund um feine Rohre

Jürg Pfalzberger mit seiner neuen Liege (links) und dem Sofa-Bett (rechts). Bild: SchreinerZeitung

Stahlrohrmöbel.  Obwohl als Möbel bezeichnet, haben Stahlrohrmöbel mit dem Schreiner nicht viel gemeinsam. Gebogenes Stahlrohr dagegen, in der Regel solches aus rostbeständigem Stahl, wird für unterschiedlichste Anwendungen gerne verwendet und mit Holz kombiniert.

Stahlrohre biegen kann ganz schön frustrierend sein. Wer die Technik nicht kennt, dem wird das erste Rohr knicken wie ein Strohhalm im Wind. Damit dies nicht passiert, dafür steht ein Hausrezept: Mit Sand füllen soll man das Rohr. Dass dieses Verfahren jedoch nicht gerade wirtschaftlich ist, lässt sich vermuten. Zum Glück gibt es Spezialisten, die sich in der Umformung von Stahl auskennen.

Achten auf die Details

Ein solcher Spezialist ist Jürg Pfalzberger. In einer unscheinbaren Werkstatt im Basler Horburgquartier stellt er zusammen mit einem Angestellten feinste Stahlrohrteile her, einerseits Stücke für seine eigene Möbelkollektion, andererseits Kleinserien für industrielle Anwendungen. Er zeigt aus dem Fenster auf die Einfassung eines Wegweisers, der aus seiner «Biegeküche» stammt. «Eine Ausnahme», sagt der Spezialist für Einzelanfertigungen, «ansonsten sind wir bei grossen Aufträgen ohne CNC nicht konkurrenzfähig.» Sand benötigt er zum Biegen keinen. «Das würde definitiv niemand mehr bezahlen», lacht er.

Die Radien der diversen Stahlrohre schafft der sympathische Basler, der seine Objekte auch selbst gestaltet, dank einer Biegemaschine. Darauf wird für jeden Rohrdurchmesser eine andere Garnitur befestigt. Inwendig sorgt ein Dorn für den benötigten Gegendruck. Mithilfe dieses Werkzeugs lassen sich die Rohre aus rostbeständigem Stahl sauber um den gewünschten Radius kaltverformen.

Material und Oberfläche

Dass die Materialwahl für das Endergebnis entscheidend ist, scheint logisch. Entsprechend zurückhaltend ist Jürg Pfalzberger hier mit Details. Die Details sind es aber, welche dem fertigen Objekt schliesslich seine Wertigkeit vermitteln – und sauber gebogene Teile von billiger Importware unterscheiden: Das sind beispielsweise schön verschliffene, unsichtbare Schweissnähte bei Verbindungsstücken. Ebenfalls inwendig verstärkte Ecken gehören dazu. «Diese Dinge sind zum Teil nicht auf den ersten Blick sichtbar», mahnt Pfalzberger. Eine passende Oberflächenveredelung rundet die Biegearbeit ab. Ob diese zurückhaltend matt ausfalle oder verchromt glänzend, sei vor allem eine Frage des Trends, weiss der Spezialist. Zurzeit lasse er den Chromstahl meistens unbehandelt, lediglich geschliffen mit einem 320er-Korn. Das spare nicht nur das wenig umweltfreundliche Chrombad, sondern habe zusätzlich den Vorteil, dass die Biegearbeit besser reparierbar sei.

Einsatzgebiete von gebogenem Rohr

Es muss ja nicht gleich ein Freischwinger sein. Das klassische Bauhaus-Stahlrohrmöbel, welches das Möbeldesign zu Beginn des 20. Jahrhunderts dermassen revolutionierte, dass die Urheberschaft unter Kunsthistorikern noch heute umstritten ist, stellt zweifelsfrei die Königsdisziplin des Stahlrohrbiegens dar.

Doch auch der Schreiner setzt hie und da Teile aus gebogenem Rohr ein. Deren gibt es viele: Das Spektrum reicht von Türgriffen über Untergestelle von Tischen bis hin zu Treppengeländern oder Fussablagen. «Hie und da kommt es vor, dass wir eine Reling biegen», sagt Pfalzberger. Die werde dann bei Fenstern eingesetzt, deren Brüstungshöhe nach einem Umbau unter dem erlaubten Meter liegt.

Geländer und Handlaufteile fertigt Roland Stöckli von der Rudolf Schmid AG. Mit «Ignis» bietet das Metallunternehmen auch für Schreiner das hauseigene Handlaufsystem aus Edelstahl an. Dank der Produktion am Standort Thörishaus bei Bern kann das Unternehmen auf Spezialwünsche eingehen – «zum Beispiel wenn der Kunde bei seiner Handlaufstütze eine individuell gebogene Handlaufschale wünscht», so Stöckli. Die Rudolf Schmid AG vermarktet allerdings nicht über den Schreinerfachhandel. Meist ist der Einbau eines Edelstahlgeländers ja das Spezialgebiet des Schlossers. Für den Fall, dass der Schreiner einen Handlauf aus Edelstahl einsetzt, gibt Roland Stöckli einen Tipp: «Inox-Stahl dehnt sich bei Temperaturwechseln aus.» Er rät deshalb unbedingt, zwischen den Segmenten genügend Abstand einzuplanen.

Was ist technisch möglich?

Wenn es um die Dimensionen von Stahlrohren geht, dann sieht es Jürg Pfalzberger ganz pragmatisch: «Das Auge bestimmt», sagt er und meint damit, dass der Dimensionierung technisch fast keine Grenzen gesetzt sind. So befinden sich unter seinen Stahlrohrmöbeln ganz grazile Exemplare, die fast ein wenig zerbrechlich scheinen und gerade damit zum Testsitzen einladen oder anregen. Bei seinem Sofa-Bett dagegen sind die Rohre markant. Sie wirken beständig und robust. Trotzdem gilt es bei der Planung von gebogenen Teilen aus Stahlrohr primär eines zu beachten: den kleinstmöglich zu biegenden Radius. «Er beträgt anderthalb Mal den Rohrdurchmesser», nennt Pfalzberger eine Faustformel.

Eigenschaften von Stahl

Für niedrig legierte, rostende Stähle, die im Aussenbereich eingesetzt werden, empfiehlt Stöckli eine duplexierte Oberfläche. Duplexieren heisst, dass dem Farbauftrag eine Feuerverzinkung vorausgeht. «Nur so ist die Langlebigkeit garantiert», sagt er. Ohne diese Massnahme sei es nur eine Frage der Zeit, wann der Rost sich bemerkbar mache. Anders beim Inox-Stahl: Er ist je nach Legierung resistent gegen Rost. Nur bei statisch belasteten Anwendungen ist Vorsicht geboten – hier braucht es die Beratung eines Fachmanns. Dass aber auch sogenannt rostbeständige Stähle Anzeichen von Oxidation aufweisen können – das zeigt ein Inox-Geländer auf dem Vorplatz der Rudolf Schmid AG. Bei den braungelben Farbeinläufen in den Fugen handelt es sich um Flugrost. Und wie erkennt man, ob es sich um rostbeständigen Stahl handelt? Stöckli holt einen Magneten hervor. «Inox ist nicht magnetisch», sagt er.

www.ignis.ch

Es gibt viele Namen für nicht rostbeständigen Stahl. Chrom-Nickel-Stahl (CNS), Inox, Nirosta, V2A, V4A, A2, A4, 18/8 (in Anlehnung an den Chrom- und Nickelgehalt) oder Handelsnamen wie Remantit oder Cromargan. Heute stehen rund 120 rostbeständige Edelstahlsorten zur Verfügung, jeder geeignet für spezifische Anwendungen.

Innen- und Aussenbereich

«Bei Beschlägen ist die Stahlqualität kaum ein Thema», sagt Urs Lüchinger, Abteilungsleiter Schreiner bei SFS Unimarket. Diese würden werkseitig einem sogenannten Sprühnebeltest unterzo-gen. Oft wirke hier nur die Oberfläche antioxidativ. Bei rostbeständigem Stahl dagegen bedeutet V2A landläufig «umgebungsresistent», V4A steht für erhöhte Anforderungen in Kombination mit Lebensmitteln oder teilweise auch mit Chemie. Für die meisten Anwendungen im Aussenbereich reicht eine V2A-Qualität aus. Die Bezeichnungen sind allerdings alt und werden heute nur noch selten verwendet. Sie gehen auf das Jahr 1913 zurück, als rostbeständiger Stahl von der Friedrich Krupp AG erfunden wurde.

Befestigungen in Inox

Sehr wichtig ist die Qualität in der Montagetechnik. Hier darf nicht gepfuscht oder gespart werden. Bruno Oehler berät deshalb bei der SFS Schreinereien, wenn es um Befestigungsmittel geht. «Im Innenbereich und bei normalen Hölzern braucht es kaum Befestigungsmittel in Chrom-Nickel-Stahl», sagt er. Der Fachmann warnt aber insbesondere vor gerbsäurehaltigen oder imprägnierten Hölzern. In Kombination mit diesen kann eine A4-Qualität erforderlich sein. Und in Hallenbädern bedürfe es einer noch höheren Legierung. Weil es gerade bei Befestigungsmitteln neben der Korrosionsbeständigkeit auch auf andere Faktoren wie Festigkeitsklasse, Federwirkung oder richtige Montage ankommt, ist meist ein Kompromiss gefragt. Diesen kann man nur zusammen mit dem Spezialisten treffen.

Übliche rostbeständige Stähle

Nach EN ISO 3506 teilt man rostbeständige Stähle nach Anwendung grob in folgende Kategorien ein:

A1 – Durch den hohen Schwefelgehalt ist die Korrosionsbeständigkeit dieses Chrom-Nickel-Stahls gering.

A2 – CNS, beispielsweise für Kücheneinrichtungen, Innenanwendungen und Landklima mit sauberer Luft.

A4 – «Säurebeständige» CNS mit guter Korrosionsbeständigkeit. Geeignet für Küstenklima und Industrieumgebung; Lebensmittelindustrie; Schiffsbau.

A5 – Stabilisierte Stähle mit Eigenschaften wie A4. Besonders hohe Korrosionsbeständigkeit.

Die ISO-Nummer gibt zudem an, um welchen Stahl es sich genau handelt (beispielsweise 1.4301 für den am meisten hergestellten Edelstahl V2A).

www.sfsunimarket.biz

MW

Veröffentlichung: 21. Februar 2013 / Ausgabe 8/2013

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