Spannend gelöst

Die freie Sicht auf alte Holzbalkendecken wird oft gewünscht. Aber nicht immer sind diese ausreichend dimensioniert und müssen ertüchtigt werden. Bild: Fotolia/hydebrink

Deckenertüchtigung.  Holzbalkendecken finden sich häufig in alten Häusern. Oft genügen diese heutigen Anforderungen an Schallschutz, Tragfähigkeit und Schwingungsverhalten nicht. Von den Möglichkeiten einer Ertüchtigung fällt ein Verfahren ins Auge: die Unterspannung.

Wenn Kinder im Stockwerk oberhalb toben und man am Schreibtisch um Konzentration ringen muss oder wenn man beim Gehen das Geschirr im Schrank klingen hört und der Boden schlicht «durchhängt», dann hat man es meist mit einer alten Holzbalkendecke zu tun. Damals ausreichend, genügen solche Deckenkonstruktionen heutigen Anforderungen an Schallschutz, Schwingungsverhalten und Tragfähigkeit nicht mehr. Bis in die 50er-Jahre hinein wurden solche Konstruktionen umgesetzt. Je nach Querschnitt der verwendeten Balken und der Spannweite zeigen sich die beschriebenen Phänomene mehr oder weniger. Meist handelt es sich dabei um sogenannte Einschubdecken, bei denen zwischen den Balken Einschübe in Form von Spälten oder Brettern angebracht sind. Manchmal wird diese Ebene auch als Fehlboden oder Streifboden bezeichnet. Die Einschübe sind entweder in den Balken eingenutet oder liegen auf seitlich an den Balken befestigten Hölzern auf. Sodann wurde eine Schüttung auf den Einschüben aufgebracht und als Unterboden eine Dielung. Zusammen mit dem Rohgeflecht und einer Putzschicht auf der Unterseite der Konstruktion stellt dies die Situation dar, der man heute noch häufig begegnet.

Wenn die Ertüchtigung bevorzugt wird

Vor Beginn einer jeden Deckensanierung sollten dann die Auflagebereiche der Deckenbalken auf mögliche Fäulnisschäden des Holzes kontrolliert werden. Denn besonders an den Balkenköpfen treten oft Schädigungen durch erhöhte Feuchtigkeit auf. Diese können etwa durch eine später aufgebrachte Wärmedämmung auf der Aussenwand begünstigt werden.

Erhält bei einer Sanierungmassnahme die Ertüchtigung der Konstruktion gegenüber dem Austausch durch eine neue Decke den Vorzug, stehen mehrere Varianten zur Verfügung. In einem Merkblatt hat die Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege (WTA) die gängigen Verfahren und Massnahmen dargestellt und ihre jeweiligen Vor- und Nachteile benannt. Klar wird danach auch: Das Verschrauben der vorhandenen Dielung mit dem Balken, das Aufnageln einer zweiten Dielung senkrecht zur ersten und das flächige Aufschrauben von Holzwerkstoffplatten mit weniger als 24 mm Dicke bringen keine relevanten Verbesserungen. Bei Sanierungsmassnahmen von der Deckenoberseite aus braucht es mindestens 40 mm starke Furnierschichtplatten, damit sich eine spürbare Tragwerksverbesserung ergibt. Diese Variante scheint deshalb dann sinnvoll, wenn die Steifigkeit der Deckenkonstruktion nur in begrenztem Umfang erhöht werden muss.

Solide Verbindung

Wenn die Tragfähigkeit der Decke deutlich gesteigert werden muss und die Sanierung von oben zwingend ist, etwa weil die Unterdecke erhalten werden soll, dann sind zwei andere Verfahren deutlich wirkungsvoller.

Zum einen kann mithilfe einer Schicht Polymerbeton, die auf den Balken mittels seitlicher Schalung aufgegossen wird, eine starre Verbindung hergestellt und so die Tragfähigkeit wirksam erhöht werden. Die Polymerbetone bestehen aus Kunstharzen wie Polyester und Epoxid sowie Quarzsanden. Sie gehen mit Holz eine aussergewöhnlich starre und haltbare Verbindung ein. Voraussetzung für die hohe Haftfestigkeit ist allerdings, dass das Holz frei von Schmutz und Fremdstoffen ist. Bei einer so hergestellten «Aufdoppelung» im Verbund kann auf zusätzliche und aufwendige mechanische Verbindungsmittel verzichtet werden. Da der Polymerbeton einen um ein Vielfaches höheren E-Modul als das Holz aufweist, reicht schon eine geringe Höhe des Druckbetons aus, um die Tragkraft erheblich erhöhen zu können und die Durchbiegung zu beseitigen.

Holz-Beton-Verbund nachträglich

Das flächige Aufbringen einer Druckbetonschicht aus Zementbeton auf der Deckenoberfläche ist eine wirkungsvolle, aber in der Sanierung arbeitsintensive Methode. Da eine flächige Betonschicht auch eine deutliche Gewichtszunahme bedeutet, muss das bestehende Balkentragwerk zunächst auf ausreichende Tragfähigkeit hin geprüft werden. Positiv wirkt sich dieser Umstand gegenüber allen anderen Ertüchtigungsverfahren hinsichtlich des Schallschutzes aus. Grundsätzlich kann die Betonschicht auf die alte Dielung, auf die Balkenebene und auch zwischen den Balken angebracht werden. An Arbeitsschritten sind mindestens zu nennen, dass zunächst das Holz vor der Feuchtigkeit aus dem Beton geschützt werden muss. Dazu wird eine Folie verlegt. Um sodann zwischen Beton und Holz eine steife Verbindung herstellen zu können, braucht es entsprechende und vor allem zahlreiche Verbindungsmittel (Schubverbinder/Verbundschrauben) sowie eine flächige Bewehrung. Betoniert wird mit einem speziellen, schwindungsarmen Beton. Bis der Beton ausgehärtet ist, muss die Decke wegen des Gewichtes mittels Bauspriesen abgefangen werden. Die nicht reversible Massnahme bringt es dafür auf eine Steigerung der Tragfähigkeit um stolze 400 %.

Zwischen den Balken

Soll die Deckenhöhe erhalten bleiben, oder sprechen andere Gründe wie etwa vorhandene Treppenanschlüsse gegen eine Veränderung des Bodenniveaus, kann das vorhandene Tragwerk auch seitlich verstärkt werden. Grosser Nachteil dabei ist, dass die Decke geöffnet und bis auf die Balken freigelegt werden muss. Bei den oft verwendeten Lehmschüttungen ist dies ein aufwendiges und schmutzintensives Sanierungsverfahren. Ertüchtigt wird die Decke sodann durch das Anbringen von Verstärkungsbauteilen seitlich an die Deckenbalken. Die Wirksamkeit solcher Massnahmen ist stark abhängig vom verwendeten Material und der Befestigungsart an den alten Balken. Weitere einfache Methode: die Balkenabstände durch den Einbau zusätzlicher Balken verringern. In beiden Fällen kann die Unterseite der Decke unter Umständen geschlossen bleiben. Was sich salopp anhört, kann im Detail eine gute Lösung sein. Das Verfahren wurde zum Beipiel bei der Sanierung des Jugendstil-Hotels Paxmontana in Flüeli-Ranft OW angewandt, wo zusätzlich eine statische Scheibe eingesetzt wurde. Bei der Deckensanierung von unten blieb bis vor einigen Jahren nur die Möglichkeit, die vorhandenen Spannweiten zu reduzieren, indem neue Auflager als Unterzug montiert wurden. Im WTA-Merkblatt wird der Einbau eines Unterzuges, möglichst in der Feldmitte, als wirksamste Massnahme bezeichnet. Je nach Deckenhöhe kann der Unterzug im konkreten Fall aber auch störend bis unmöglich sein.

Durchbiegung geht zurück

Recht wenig bekannt ist das Verfahren der unterspannten Holzbalkendecke (UHB). Die Ertüchtigung erfolgt an der Unterseite, wobei der vorhandene Deckenaufbau bei der Sanierungsmassnahme nicht rückgebaut oder geöffnet werden muss. Dabei werden Holzbohlen über schräg eingebrachte Vollgewindeschrauben mit der bestehenden Deckenkonstruktion verschraubt. Durch die schubsteife, rein mechanische Verbindung der Bohlen mit den alten Deckenbalken entsteht ein neuer Verbundquerschnitt. «Vor Ort wird die Bohle in Balkenachse ausgerichtet und mit einer Schalungsstütze unter der Deckenunterseite, zum Beispiel einem Aufbau aus Putz auf Putzträger und Sparschalung, gesichert. Dabei wird die Konstruktion mit der Schalungsstütze hochgedrückt, sodass die vorhandene Durchbiegung des Balkens ganz oder teilweise zurückgeht. Dann werden die Vollgewindeschrauben selbstschneidend und staubfrei durch den Putz und die Unterkonstruktion in die vorgebohrten Bohlen eingeschraubt», erklärt Gerhard Berg, Entwickler des Verfahrens und Leiter der VMPA Schallschutzprüfstelle am Institut für Prüfung und Forschung im Bauwesen an der FH Hildesheim.

Versteckter Fachwerkbinder

Das Ganze folgt zwei statischen Prinzipien: zum einen der Vorspannung durch Überhöhung, und zum anderen entsteht im Grunde ein versteckter Fachwerkbinder, bei dem die Schrauben die zug- und druckfesten Schrägstäbe bilden. Alter Balken und neue Bohle sind Ober- und Untergurt. «Die Schraubenanzahl und ihre Anordnung folgt dem Schubkraftverlauf und den räumlichen Aus- führungszwängen am Auflager. Deshalb müssen zum Auflager hin mehrere Schrauben nebeneinander eingebracht werden. Aus Montagegründen erfolgt beidseitig ein Wechsel des Fachwerksystems von Schrägstäben im mittleren Balkenbereich hin zu vertikalen Druckstäben und schrägen, zum Auflager hinweisenden Zugstäben», so Berg.

Verbesserungen beim Trittschall

Neben dem Vorteil, dass die Decke nicht geöffnet werden muss, kann mit dem Verfahren die Tragfähigkeit um bis zu 100 % gesteigert werden. Da die Deckenkonstruktion vor dem Befestigen der Bohlen über Schalungsstützen hochgedrückt wird, können vorhandene Deckendurchbiegungen weitgehend rückverformt werden. Und es ergeben sich bei zusätzlich federnd abgehängten Unterdecken dann auch Verbesserungen des Luft- und Trittschallschutzes.

«Jeder Fachmann kann die Sanierung nach konstruktiver Bearbeitung mit detaillierter Ablaufbeschreibung durchführen», so Berg über sein patentiertes Verfahren.

www.baufachinformation.dewww.uhb-decke-berg.de

ch

Veröffentlichung: 10. November 2016 / Ausgabe 45/2016

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