- SchreinerZeitung: Welche Herausforderungen gibt es für den Schreiner, wenn er mit der Ausführung von Dampfbremsen konfrontiert wird?
- Heinz Weber: Bei Handwerkern im Allgemeinen ist eine Schwierigkeit, dass sie immer sofort eine Lösung sehen. Das ist eigentlich eine positive Eigenschaft, es ist ja auch ihr Job, möglichst schnell und effizient eine Lösung zu finden. Durch den starken Fokus auf die eine Variante geht aber manchmal der Blick für andere Aspekte und Möglichkeiten verloren.
- Konkret?
- In solchen Situationen tendiert man zu sagen, «das letzte Mal haben wir es auch so gemacht und es hat geklappt». Ob das jetzige Objekt aber wirklich mit dem vorherigen identisch ist, wird dann meistens nicht mehr umfassend abgeklärt.
Warum wird das dann zum Problem?
Auf dem Markt gibt es mittlerweile sehr viele verschiedene Materialien und Produkte für das Erstellen einer Dampfbremse. Diese eignen sich jedoch immer öfter nur für spezifische Anwendungen. Deshalb muss man heute Parameter berücksichtigen, die früher weniger ein Thema waren.
- Zum Beispiel?
- Die Gebäudehülle und als Teil davon das Bauteil muss als Gesamtsystem schadenfrei die geforderten Funktionen erfüllen. Heute geht das so weit, dass man wissen muss, ob das Gebäude oder sogar nur ein Bauteil stark beschattet ist. Oder in welcher Höhenlage es sich befindet, ob im Winter viel Schnee auf dem Dach liegt, wie ein Raum genutzt wird und wie viel Feuchtigkeit dadurch entsteht. Dann natürlich die zentrale Frage, wie bekommt man die Feuchtigkeit aus dem Innenraum heraus? Gerade bei Umbauten von alten Bauernhäusern sind die Voraussetzungen für effizientes Lüften durch kleine Fenster und weit nach unten gezogene Dächer relativ schlecht. Hier könnte mit korrekt dimensionierten Komfortlüftungen ein guter Luftaustausch und Feuchtehaushalt in den Räumen erreicht werden.
- Was hat man denn früher anders gemacht bei den Dampfbremsen?
- Damals wurden einfach dichte Dampfsperren eingebaut. Man hat dann aber gemerkt, dass die Idee von der absoluten Dichtigkeit nicht funktioniert. Also wurde damit begonnen, diffusionsoffene oder feuchteadaptive Dampfbremsen zu entwickeln. Dies führte zu der heutigen Produktvielfalt.
- Ist denn die Funktion einer Dampfbremse über die Lebensdauer eines Gebäudes überhaupt sichergestellt?
- Es gibt sicherlich Materialien, bei denen noch kaum Langzeiterfahrungen vorhanden sind. Allerdings werden diese ja verschiedensten Tests unterzogen, um die Funktion über die Lebensdauer sicherzustellen. Insofern kann man diese Frage mit ja beantworten.
- Und wie sieht es denn in der Realität am Bau aus?
- Heute weiss man, dass es bei den ersten Folien aus den Anfängen manchmal Probleme mit der Dimensionsstabilität gab. Die Bahnen schwanden oder quollen bei Tempe- ratur- und Feuchtigkeitsänderungen sehr stark. Je nach Situation konnte dies dann zu undichten Stellen führen. Das haben die Hersteller aber schnell in den Griff bekommen. Bei unseren Expertisen treffen wir deshalb selten auf Material-, sondern vielmehr auf Verarbeitungsfehler.
- Woran liegt das?
Um eine dauerhafte und funktionale Luftdichtheitsebene herzustellen, braucht es nicht nur die richtige Dampfbremse. Man muss auch je nach Untergrund die passenden Befestigungsmittel, Klebstoffe und -bänder benutzen und sauber verarbeiten. Es ist aber gerade auf den heutigen Baustellen nicht immer einfach, die Untergründe entsprechend vorzubereiten und zu reinigen, weil auf Baustellen aus Termingründen öfters vom Rohbau bis zum Innenausbau alles im selben Raum zur selben Zeit stattfindet.
- Das übliche Termin- und Planungs- problem also ...
- Leider ja. Beim Anbringen von Dampfbremsen muss es das Ziel sein, den Einsatz solcher Klebemittel auf ein Minimum zu reduzieren oder diese so zu planen und vorzubereiten, dass sie auf der Baustelle sauber ausgeführt werden können. Der Schreiner kann zum Beispiel frühzeitig die Anschlüsse an Fenster- und Türrahmen zur Sprache bringen, denn vor allem bei Umbauten nehmen die Planer solche Dinge häufig auf die leichte Schulter. Am Ende muss sie aber der Monteur vor Ort ausführen und sein Betrieb steht dafür gerade.
- Ist denn eine Folie als Dampfbremse in jedem Fall zwingend?
- Richtig aufgebaut, kann tatsächlich auf die üblichen Folien verzichtet werden. Insbesondere im Holzbau können solche Überlegungen interessant sein, weil jede Materialschicht einen gewissen Dampfdiffusions-widerstand hat, also auch die verschiedenen Holzwerkstoffplatten, die im Holzbau zum Einsatz kommen. Zudem sind die Platten in sich eigentlich auch luftdicht. Diese Methode eignet sich aber eher für Neubauten.
- Und solche Gebäude werden bereits gebaut?
- Ja, dabei stellt sich dann einfach die Frage: Wie plane ich die ganzen Anschlüsse und Stösse zwischen den Platten und den angrenzenden Bauteilen, damit diese luftdicht sind? Setzt man hingegen eine Folie als Dampfbremse ein, spielen diese Dinge weniger eine Rolle.
- Wie schätzen Sie denn die Rolle der Hersteller von Dampfbremsen ein?
- Da gibt es halt verschiedene Philosophien. Es gibt Firmen, die verkaufen einfach ihre Produkte und nennen die Kennwerte. Andere wiederum liefern zusätzlich Konstruktionsbeispiele, die dann aber nur einen Teil aller Bausituationen abdecken. Bei kleineren Aufträgen, wie sie beim Schreiner oftmals vorkommen, bieten manche Lieferanten halt nur eine begrenzte Unterstützung, weil es sich ansonsten für sie nicht rechnet. Dann muss sich der Handwerker das Know-How eben woanders holen.
- Bei Bauphysikern zum Beispiel ...
- Ja, das ist jetzt natürlich etwas Eigenwerbung. Aber es gibt gerade im Umbaubereich viele Situationen, die sich nicht einfach so mit Normen beurteilen und absichern lassen. Erfahrungen helfen, Berechnungsresultate zu interpretieren und die Folgen richtig einzuschätzen.
- Solche Abklärungen sind aber auch immer ein Kostenfaktor.
- Klar kann der Schreiner sagen, ‹wir haben die Dampfbremse schon 100 Mal so gemacht und es gab nie Probleme›. Aber was ist beim 101. Mal? Dann steht er einfach besser da, wenn alles umfassend abgeklärt und dokumentiert wurde. Ich stelle aber immer wieder fest, dass die Handwerker Respekt vor solchen Bestandsaufnahmen und kritischen Fragen haben, weil sie den Mehraufwand fürchten und dadurch den Auftrag verlieren könnten. Dabei kann man doch so dem Planer oder Bauherren seine Kompetenz unter Beweis stellen und auch Kosten sparen.
Zur Person
Heinz Weber ist Architekt HTL/STV und Bauphysiker. Er unterrichtet unter anderem an der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau (AHB) und an der HF Bürgenstock.
Im Jahr 2005 gründete er die Weber Energie und Bauphysik GmbH und be- schäftigt mittlerweile einen Akustiker und einen Energieingenieur, beide mit Hintergrund Holzbauingenieur FH.
Das Unternehmen bietet Dienstleistungen in den Bereichen Bauphysik, zum Beispiel Wärme, Feuchte, Schallschutz und Raumakustik für Neubauten und Sanierungen, Konzeption und Umsetzung mit Qualitätskontrolle inklusive Messungen, speziell für den Holzbau, an.
www.weberbauphysik.ch
ph
Veröffentlichung: 19. September 2013 / Ausgabe 38/2013