Wenn Wellen schön sind


Noch warten viele alte Fenster auf ihre Verwertung. Neben dem Glas sind vor allem die Beschläge sehr begehrt.
Noch warten viele alte Fenster auf ihre Verwertung. Neben dem Glas sind vor allem die Beschläge sehr begehrt.
SpezialGlas. Wer historische Bauten stilgerecht sanieren will, ist auf authentische Gläser angewiesen. Einige Produkte lassen sich auch heute noch bestellen, Originale findet man aber nur in bestehenden Fenstern.
Blasen, Kratzer, Wellen, Schlieren – historische Gläser weisen Oberflächeneigenschaften auf, die an modernen Produkten störend wirken und Reklamationen auslösen würden. Glas – die Schmelze aus Quarz, Kalk und Soda hat eine lange Geschichte hinter sich und kann noch nicht lange in einer so hohen Qualität hergestellt werden wie wir es uns heute gewohnt sind. Erst seit etwa 120 Jahren lässt sich Flachglas überhaupt im industriellen Stil herstellen. Zuvor dominierte die Handarbeit, das heisst, Schmelze wurde manuell aus der Wanne entnommen und geformt. Zu Beginn der Flachglasproduktion formten Glasmacher die Schmelze durch Drehen mit der Fliehkraft zu tellerförmigen Scheiben von etwa 80 cm Durchmesser, kühlten die Teller ab und schnitten Scheiben. Den Mittelpunkt mit der Kontaktstelle zur Glaspfeife verwendete man als Butzenscheibe. In einem anderen Verfahren hat man zum Beispiel grosse Zylinder geblasen, aufgetrennt, die wellige Glastafel platt gedrückt und abkühlen lassen. Dieser Vorgang wurde zwar zu einem industriellen Verfahren weiterentwickelt, aber schon bald wieder abgelöst.
Ab etwa 1903 setzte sich schnell das Ziehverfahren nach System Fourcault durch. Die Glasschmelze wird dabei aus einem Becken durch eine Schamotdüse in Bahnen etwa 8 m senkrecht nach oben gezogen, abgekühlt und geschnitten. Einige Jahre später konnte man auch bei der Gussglasproduktion einen Durchbruch erzielen. Das Ziehen oder Giessen der Gläser war nun im heute üblichen Format von 6 × 3 m möglich. Diese Verfahren haben sich lange gehalten, erst ab 1960 setzte sich das Auskühlen der Schmelze auf einem flüssigen Zinnbad durch. Das Floatingverfahren erzeugt deutlich glattere und regelmässigere Glasoberflächen als alle bisher erwähnten. Die Zylinderblasmethode lässt etwa deutlich sichtbare Wellen, Schlieren, sowie Luftblasen zurück. Differenzen sind auch bei der Dicke zu erwarten. Das nicht immer gleichmäs- sige Schmelzverhalten und unterschiedliche Temperaturen beim Verarbeiten sorgen für die Dickenunterschiede, ungenügendes Ausgasen bildet die Blasen. Vom geblasenen Zylinderglas gibt es denn auch kaum zwei identische Glasplatten. Wie regelmässig das Resultat ausfällt, hat viel mit dem Gefühl und Geschick des Glasbläsers zu tun. Auch beim industriellen Zylinderglas ist dies nicht anders, zu viele Faktoren beeinflussen das Ergebnis. Gezogene oder gegossene Gläser weisen je nach Produktionsmethode leichte Wellen oder Ziehspuren auf.
Wer auf die Produktionsmerkmale der jeweiligen Epochen acht gibt, kann in etwa den Produktionszeitpunkt des Glases erkennen. «Das ist aber sehr schwierig, denn auch Gläser aus der selben Epoche können sich stark unterscheiden», sagt Christian Rüttimann von der Vogel Fensterbauer AG. Das Unternehmen hat sich auf die Erhaltung und Fertigung traditioneller Fenster spezialisiert. In Goldach fertigt das Unternehmen neue Fenster auf neuen Maschinen, aber in traditioneller Ausführung. Zum Teil brauchen die Mitarbeiter aber auch sehr alte Anlagen wie zum Beispiel Kreuzsprossenfräsmaschinen, mit denen viele Konstruktionen erst realisierbar werden.
«Geht es um richtig alte Scheiben, bleibt meist nur noch der Griff in unser umfangreiches Lager», sagt Rüttimann. Während Jahrzehnten haben die Fensterbauer fast jedes nicht mehr benötigte historische Fenster zerlegt, Glas und Beschläge demontiert, die Konstruktionsmerkmale aufgenommen und die Komponenten eingelagert. Nun stehen einige 100 m2 gebrauchtes Glas in den Lagergestellen der Fensterbaufirma. «Braucht es einen Ersatz, etwa wenn eines von sechs Gläsern eines Flügels gebrochen ist, können wir etwas Passendes heraussuchen», meint Rüttimann. Sein Altglaslager beherbergt wahre Schätze, die er gut behütet. Zusätzlich stehen viele alte Fenster zum Ausglasen bereit.
Um diese Arbeiten zu erledigen, braucht Rüttimann Schreiner mit viel Fingerspitzengefühl: «Das Heraustrennen der alten Gläser ist sehr heikel und mit viel Aufwand verbunden. Die wertvollen Zeitzeugen brechen schnell, besonders beim Enfernen der Gläserecken.» Auch das spätere Formatieren provoziert Brüche, so dass die Ausbeute klein bleibt. Muss aus einem alten Glas ein Isolierglas hergestellt werden, schneiden Rüttimanns Mitarbeiter die Gläser zu und übergeben sie der Firma Glassolutions in Kreuzlingen, die eine zweite funktionelle Scheibe, meist mit Wärmeschutzbeschichtung dazu montiert und daraus Isoliergläser fertigt.
Findet Christian Rüttimann kein passendes Glas, greift er auf Lieferanten zurück. In Frage kämen dabei traditionell produzierende Glashütten. Es gibt aber nur noch eine, die Glashütte Lamberts im deutschen Waldsassen nahe der tschechischen Grenze. Dort fertigt man nach traditioneller Methode, also mit der Zylinderblastechnik eine Vielzahl unterschiedlicher Gläser. «Von diesem Lieferanten gibt es Musterkollektionen, trotzdem können die gelieferten Gläser davon abweichen», sagt Rüttimann. In der Schweiz werden die Lamberts-Gläser von der Firma Sonanini, Zürich, vertrieben.
Der Bedarf an solchen wirklich alten oder auf alt getrimmten Gläsern ist aber relativ klein. Weitaus mehr braucht es für den Ersatz von gezogenen respektive gewalzten Gläsern für Fenster mit Baujahr etwa ab 1905. Diese weisen nur ab und zu kleine Blasen auf und sie sind an den deutlichen Walz- oder Ziehspuren erkennbar. Die Oberfläche solcher Scheiben ist leicht gewellt. «Diese Gläser wurden noch bis vor wenigen Jahren in wenig industrialisierten Ostblockländern auf den Originalmaschinen hergestellt», meint Rüttimann. Dies allerdings nicht zum Ausrüsten von historischen Fenstern. Die Maschinen entsprachen in diesen Ländern dem Stand der Technik und die Gläser wurden in aktuelle Fensterkonstruktionen eingesetzt. Die Anforderung an die Planität scheint nicht überall gleich hoch zu sein.
«Von gezogenen Gläsern braucht es relativ viel, man kann sie zum Glück noch bestellen», sagt Rüttimann. Unter den Bezeichnung «Goetheglas», «Restover» und «Tikana» führt die Firma Schott als einzige noch eine Produktlinie mit Restaurationsgläsern. Der Vertrieb erfolgt über die Flachglasverarbeiter. Man kann also bei den meisten Glashändlern ohne weiteres Isoliergläser mit Einzelscheiben von Schott bestellen. Die Oberflächenstruktur ist den Originalen sehr ähnlich, dies auch, weil die Herstellungsverfahren noch immer praktisch identisch geblieben sind.
«Goetheglas» ist ein gezogenes, den Strukturen des 18. und 19. Jahrhunderts angegliches Produkt, mit unregelmässiger Oberfläche. Es eignet sich für die Verarbeitung zu Isolierglas, daneben auch als Schutzglas für wertvolle Bleiverglasungen. «Restover» ähnelt dem um 1900 gefertigten Glas. Durch seine geringe Dicke lässt es sich problemlos in die sehr filigranen Konstruktionen dieser Epoche einbauen. Beim «Restover» gibt es eine «Light»-Version mit weniger Struktur und eine «Plus»-Version mit stärkerer, mundgeblasenem Glas nachempfundener Struktur. «Tikana» schliesslich eignet sich für Sanierungen von Fenstern aus der Bauhauszeit und Bauten der klassischen Moderne, bis zur Floatglaszeit. Seine leicht gewellte, unregelmässige Oberfläche gibt solchen Fenstern Authentizität. Besonders die Bauhausarchitektur mit den meist sehr schlanken Metallprofilen lebt vom leichten Verschwimmen der streng geometrischen Formen. Sanierungen mit Floatglas rauben den Bauwerken denn auch viel von ihrem Charakter.
Wer aber mit den Gläsern von Schott plant, muss bezüglich Formate und Dicken aufpassen: Nicht alle gewünschten Formate und Dicken sind erhältlich. «Tikana» gibt es in 4 mm, «Goethe» in 5 mm Dicke. «Restover» hingegen gibt es nur 2,5 bis 3 mm dick. Die Formate hängen stark von der Produktion im Schott-Werk ab. «Nicht immer bekommen wir die maximalen Formate geliefert», sagt Jerome Bally von Glassolutions Kreuzlingen. Die Produktion dieser Gläser ist nicht mit der von Industrieglas vergleichbar. «Gläser mit Längen über 1500 mm muss man vorsichtig planen und immer erst anfragen, ob eine genügend grosse Glastafel zur Verfügung steht», meint Bally. Zusätzlich ist unbedingt die Zugrichtung zu beachten und bei der Bestellung anzugeben.
www.vogel-fensterbauer.chwww.glassolutions.chVeröffentlichung: 24. Mai 2012 / Ausgabe 21/2012
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