Alte Verbindungen eröffnen neue Wege

Nut und Feder in Schwalbenschwanzform halten die Bretter zusammen. Bild: Marc Wilhelm Lennartz

Massivholz.  Im Schwarzwald vereint der Sägewerker und Holzbauer Dieter Junker Theorie und Praxis. Einzig Nut und Feder halten seine Massivholzplatten zusammen. Seine Erfindung ist weltweit einzigartig und eignet sich sowohl für die Konstruktion als auch für den Innenausbau.

Er entstammt einer familiär geprägten, traditionellen Handwerkszunft. «Ich habe mein Leben lang im elterlichen Sägewerk mit Holz gearbeitet. Der reine Sägewerksbetrieb hat mich jedoch nicht komplett erfüllt, weil mich die vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten des Baustoffes Holz mehr interessiert haben. Speziell der Haus- und der Ausbau waren für mich von grossem Interesse», sagt Dieter Junker (Bild). Nach Erfahrungen mit kanadischen Blockhäusern – sein privates Naturstammhaus hat er selbst errichtet – dachte er über Möglichkeiten nach, die Effizienz im Holzbau zu verbessern. Als Erstes entwickelte er ein Bausystem aus Holzhohlkästen, die händisch mit einfachen Maschinen hergestellt und zusammengesteckt werden konnten. «Mit dem System haben wir über 100 Häuser gebaut. Diese Zeit war für mich ein wichtiger Lebensabschnitt, weil ich viele grundlegende Erfahrungen sammeln und mein Wissen im Hausbau enorm steigern konnte, zumal ich bei fast allen Bauvorhaben federführend mitgearbeitet habe.» Das System konnte statisch nachweislich sogar nordamerikanischen Tornados trotzen, doch das ist eine andere Geschichte. Denn inzwischen hatte die Entwicklung des Holzbaus eine industrielle, elementbasierte Fahrtrichtung aufgenommen, sodass das kleinteilige System keine Zukunft mehr hatte.

Die Zeit mit dem Hohlkasten-System bildete aber die Basis für die Erfindung der neuen Platte. Dabei stand für ihn eine möglichst naturbelassene Bauweise im Mittelpunkt: «Verklebte OSB- und Spanplatten stellen für mich keine Alternative dar. Denn durch meine beratende Verkaufstätigkeit hatte ich bemerkt, dass im Holzhausbau immer mehr Bauherren grossen Wert auf wohngesunde und natürliche Baustoffe legten.» Auf der Rückfahrt von einem Vortrag in Paris kam ihm im Zug die entscheidende Idee: eine rein massivhölzerne, luftdichte Platte, zusammengefügt durch eine traditionelle Zimmermannsverbindung, die einfach und schnell zu verarbeiten ist. Damit war der Grundstein für die Entwicklung der GFM-Platte gelegt, die nach vielen Versuchen mit von ihm selbst konstruierten Maschinen schliesslich funktionierte – und er die Platte zum Patent anmelden konnte. «GFM» steht für «glue free massive», also leimfrei und massiv.

In diesem Kontext initiierte er mit dem Karlsruher Institut für Technologie unter der Leitung von Professor Hans Joachim Blass eine Forschungsstudie beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, die im Jahr 2013 erfolgreich beendet wurde und im Jahr 2015 in der bauaufsichtlichen technischen Zulassung der GFM- Platte durch das Deutsche Institut für Bautechnik als «Beplankung für die Holztafelbauart» mündete.

Auf Zehntelmillimeter genau

Die GFM-Platte ist vielseitig einsetzbar und mit etlichen baufachlichen Qualitäten ausgestattet. Sie ist komplett frei von Bauchemie und besteht einzig aus Schwarzwälder Nadelholz – gesägt, gehobelt und getrocknet. Die Platten bestehen aus fünf Einzelbrettern aus Weisstannenholz, das FSC-zertifiziert und bezüglich flüchtiger organischer Substanzen unkritisch ist. Die Restfeuchte beträgt rund zwölf Prozent. Mit einer achtwelligen Hobelmaschine werden längsseitig Schwalbenschwanzverbindungen (Nut plus Feder) in die Bretter gefräst. Danach werden die mit einer Standarddicke von 30 mm verbauten Bretter unter hohem Druck mittels einer von Dieter Junker entwickelten Spezialmaschine zu rechteckigen, 3210 mm oder 3910 mm langen und 625 mm breiten Platten in Längsrichtung statisch wirksam ineinandergeschoben, denn die seit Jahrhunderten bewährte Schwalbenschwanzverbindung ermöglicht zur horizontalen Sicherung auch eine gewisse Beanspruchung auf Zug. Bei diesem Prozessschritt ist zu bemerken, dass sich die Masshaltigkeit der Profilierung im Zehntelmillimeter-Bereich bewegen muss, um etwaigen Brüchen und Fehlstellen vorzubeugen und eine formschlüssige und nahezu fugenfreie Platte hervorzubringen. Im Anschluss wird ein Laser händisch über die Oberfläche geführt, um Astlöcher und Undichtigkeiten mit einem unbedenklichen Heisswachs zu verschliessen. Danach ist die GFM-Platte, mit der knapp drei Meter hohe Holzrahmenbauwände ausgesteift werden können, luftdicht. Ein Prüfzeugnis der HFB Engineering GmbH in Leipzig (D) bestätigt der Massivholzplatte je nach Einbausituation Durchlässigkeiten zwischen 0,14 m3/(m2h) (Kubikmeter Luft pro Quadratmeter und Stunde) und 0,23 m3/(m2h), wobei sich der Mittelwert von 0,16 m3/(m2h) in der Praxis bewährt hat.

Natürliche Luft- und Dampfbremse

Die Platte verfügt an den Längsseiten über ein überlappendes Profil, in das ein Quellband, ähnlich dem Blockhausbau, eingelegt wird, sodass die flächige Dichtigkeit auch bei kompletten Wandbekleidungen sichergestellt wird. Des Weiteren erfüllt sie die Kriterien nach DIN ISO 12572 für den Dampfdiffusionswiderstand. Das Leipziger Institut hat die Platte dahingehend geprüft, sowohl im Trocken- wie auch im Feuchtbereich, und dabei folgende Wasserdampfdurchlässigkeitswerte ermittelt:

  • Trocken (ca. 10 % HF): µ-Wert 207
  • Nass (ca. 60 % HF): µ-Wert 22

Diese Werte liegen über dem Richtwert nach DIN für Holz (Tanne). Die GFM-Platte fungiert dadurch zugleich auch als natürliche, dauerhafte Dampfbremse ohne zusätzliche Folien im Wandaufbau von Holzrahmen- beziehungsweise Holztafelbauten. Obendrein wirkt sie aufgrund ihrer natürlichen Diffusionsoffenheit als Dampfbremse in beide Richtungen, was der Gefahr von Schimmelbildung vorbeugt. Hinzu kommt, dass die 30 mm starke, luftdichte Massivholzebene eine merkliche Dämmwirkung besitzt, ferner Feuchtigkeit speichert und diese in Form einer natürlichen Ausgleichsbewegung wieder an die Innenraumluft abgeben kann. Des Weiteren wirkt die GFM-Ebene im Brandfall als eine Art schmale Brandwand im Wandaufbau, welche die Durchdringung der Flammen verzögert. Das haben Brandschutztests ergeben.

Rechteckig oder diagonal

Die GFM-Platte gibt es in zwei Grundvarianten: als rechteckige Verlegeplatte, mit der zum Beispiel Dachstühle bekleidet werden können, oder als schadstofffreier OSB-Ersatz in Form einer eingesetzten Diagonalplatte zur Aussteifung von Holzrahmenwerken. Die Montage kann von zwei Handwerkern problemlos vollzogen werden. Die Platte vereint eine Vielzahl von bis dato aufeinander folgenden Arbeitsschritten und Materialeinsätzen. Dadurch ist es dem Holzrahmenbau gelungen, in den Markt der ökologischen Bauweisen vorzudringen, der bis anhin dem massiven Holz- beziehungsweise Blockhausbau vorbehalten war, gleichwohl mit einer preisgünstigeren Alternative. Ferner ist der seit Längerem anhaltende Trend seitens der Bauherren hin zu natürlichen, leimfreien Holzoberflächen in gebürsteter, rustikaler Qualität ungebrochen. Derzeit verkauft Dieter Junker seine GFM-Platten direkt an Zimmereien und Holzbaubetriebe im deutschsprachigen Raum, die sich dem ökologischen Holzständerbau verschrieben haben. Den klassischen Holzhandel lässt er dabei bewusst aus, um die Platte nicht unnötig zu verteuern und von wenigen Grossabnehmern abhängig zu werden. Das Segment des Innenausbaus hingegen gelangt erst jetzt langsam in den Fokus, sodass etliche der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten der GFM-Platte noch ungenutzt sind: ob als massivhölzerner Naturfussboden, als Raumbekleidung von Wänden und Decken oder im Treppen-, Küchen- oder Möbelbau. Aktuell führt Dieter Junker erste Tests mit Erlenholz durch, das sich nun, infolge der Preisverwerfungen im Holzmarkt der letzten Monate, rechnen lässt. «Ich bin gespannt, welche Laubhölzer sich künftig für die GFM-Verbindung eignen werden», sagt der nimmermüde Erfinder, der das Sägen eingestellt hat.

www.massivholz-junker.dewww.gfm-system.com

Marc Wilhelm Lennartz

Veröffentlichung: 26. August 2021 / Ausgabe 35/2021

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