Auf den richtigen Lärm kommt es an

Im Stuttgarter Schauspielhaus ist die technische Lösung für optimale Raumakustik in vollendeter Form zu bewundern. Solche Innenausbauten funktionieren nur bei einer engen Zusammenarbeit aller Fachplaner und Nutzer. Bild: Akustik & Raum AG

Raumakustik.  Für den perfekten Opernklang, das konzentrierte Arbeiten im Büro oder das Ambiente im Restaurant ist die richtige Akustik entscheidend. Nebst den technischen Massnahmen ist auch die Sensibilisierung der Raumnutzer und Planer eine wichtiger Arbeitsschritt.

Die bauliche Verdichtung lässt die Menschen zwangsmässig näher zusammenrücken und in Zukunft werden sich Emissionen und Immissionen noch deutlich verstärken. Auch die Architektur prägt die Problematik der Raumakustik mit, indem sie ausschliesslich harte und glatte Materialien wie Beton, Glas oder Kunststoffe einsetzt. Die Kombination dieser Materialien und der ständig wachsenden Immissionen wirken sich negativ auf die gesamte Raumakustik aus. Die Folgen dieser Umstände könnten für den Schreiner interessant werden.

Kontakt nimmt zu

Der Schreiner wird im Objektbau in Zukunft immer öfter mit der Raumakustik konfrontiert werden. Im heutigen Schreineralltag ist die Raumakustik meist im Office-Bereich sowie in öffentlichen Bauten anzutreffen, doch mit der zunehmenden Verdichtung wird diese Problematik vermehrt auch im privaten Auftrag zum Thema. Damit die Raumakustik wirklich verbessert und nicht verschlimmert wird, ist ein Grundwissen unentbehrlich.

Klatsch in die Hände

Sobald der Schreiner im Bereich Raumakustik Nachforschungen betreibt, kommt er sofort mit der Nachhallzeit T60, oder T genannt, in Kontakt. Unter diesem Begriff versteht man die Zeit von der Entstehung eines akustischen Signals bis hin zu seinem vollständigen Verstummen. Diese Messungen werden von Fachleuten meistens mit der Erzeugung eines Impulsschalls und eines elektronischen Messsystemen durchgeführt. Die Nachhallzeit kann bei einer spürbar schlechten Raumakustik auch auf die Schnelle mit Händeklatschen getestet werden. Die verstrichene Zeit, in welcher der Ton nicht mehr wahrgenommen wird, ist dabei die massgebende Einheit in der Raumakustik.

Die optimale Nachhallzeit wird je nach Raumnutzung anders definiert. Bei Büroräumen und Klassenzimmern spricht man von einer optimalen Nachhallzeit von 0,6 bis 0,8 Sekunden. Wenn die Räume musikalisch genutzt werden sollen, wird von 1,5 bis 3 Sekunden gesprochen, damit sich der Ton optimal entfalten kann.

Wenn Klatschen nicht mehr reicht

Wenn es sich aber um Konzertsäle, Aulen oder Konferenzräume handelt, die später akustisch genutzt werden sollen, reicht es nicht aus, nur in die Hände zu klatschen. An dieser Stelle kommen dann Akustikfachleute zum Zug. Auch bei Neubauten werden die akustischen Anforderungen von einem Bauphysiker berechnet und definiert, sofern die Bauherrschaft das in Auftrag gibt. Auf dieser Basis werden die Anforderungen für die Ausschreibung erstellt.

Im Normalfall tritt der Akustiker nach dem Berechnen der Anforderungen aus dem Projekt aus und begleitet den Bauablauf nicht wie beispielsweise ein Lichtplaner oder Haustechniker. Somit liegt es dann meistens am Architekten oder Innenausbauer, die Anforderungen an die Akustik entsprechend umzusetzen.

Durch die genaue Definition der Anforderungen und der meist mit ausgeschriebenen Materialisierung kommt es in grösseren Aufträgen in der Regel zu wenig Problemen mit der Raumakustik. Sobald bei Bauten die Raumakustik jedoch nicht explizit vorgegeben ist, wird diese von den Planern in der Regel vernachlässigt. Diese Problematik ist häufig bei kleineren und mittleren Objekten zu finden. Hier ist die Sensibilisierung der Raumnutzer wichtig. Der Bauherr oder der zukünftige Nutzer muss seine Anliegen im Werkvertrag einbringen. So können und müssen die Planer auf die Anliegen und Wünsche der Nutzer eingehen.

Aktive Schreiner gefragt

Bei bestehenden Bauten oder Neubauten, in denen der Raumakustik nur wenig oder keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde, kann sich aber eine Tür für den Schreiner öffnen. «Der Schreiner kann aktiv agieren und den Kunden im Falle einer schlechten Raumakustik nebst dem eigentlichen Auftrag eine Lösung anbieten und so vielleicht einen Zusatzauftrag generieren», rät Robert Bähler, CEO der Akustik & Raum AG. So kann der Kunde auf die Problematik angesprochen und sensibilisiert werden. Wenn mit einem kleinen Mehraufwand die Raumakustik in den Auftrag eingebunden werden kann, ist das ein Gewinn für den Kunden und den Schreiner.

Was der Schreiner bestimmen kann

Prinzipiell ist die Raumakustik ein heikles und kompliziertes Gebiet, das über einen Bauphysiker abgedeckt werden sollte. Wenn der Schreiner wie erwähnt in einem Privatauftrag eine schlechte raumakustische Situation vorfindet, kann er mit relativ kleinen Eingriffen schon viel bewegen. Mit zusätzlichen akustischen Elementen oder integrierten Lösungen im Werkstück kann hier schon einiges verbessert werden. Als grobe Faustregel können die 0,8 Sekunden Nachhallzeit in einem Wohnraum genommen und dem Kunden mit dem Klatschtest die Situation vorgeführt werden.

Wenn das Geräusch wahrnehmbar länger im Raum verbleibt, kann die Situation durch den Schreiner auch deutlich verbessert werden. Auch eine verständliche Art, dem Kunden die Raumakustik vorzuführen oder zu erklären, ist der sogenannte Lombard-Effekt (siehe Box). Ein sicheres Hilfsmittel ist ein Akustikrechner. Durch die Eingabe der Flächenmasse und der Materialisierung erhält man die raumakustischen Anforderungen in einer für den privaten Gebrauch ausreichenden Genauigkeit.

Rechner und Wissen zum Abholen

Ein solcher Akustikrechner in Form einer Excel-Datei kann auf der VSSM-Website heruntergeladen werden, und die höhere Fachschule Bürgenstock bietet ein Seminar zum Schallschutz im Innenausbau an. Darin wird die Thematik der Raumakustik mitbehandelt und in Zusammenhang mit Schallschutz behandelt. Weiterführende Informationen, eine Produktübersicht und Lösungsvorschläge sind in der Fachdokumentation «Schallschutz und Akustik im Innenausbau» des VSSM zu finden.

Kleine Anregung

Für den Einsatz im Akustikbereich gibt es eine Vielzahl von verschiedenen Produkten. Für fast alle Ideen bekommt der Schreiner die entsprechenden Bauteile auf dem Markt. «Wir stehen dem Schreiner gerne mit Rat und Tat schon bei der Planung zur Seite und unterstützen ihn auch mit unseren Produkten», sagt Robert Bähler. Mögliche Einsatzgebiete für die Akustikmaterialien sind Schrankfronten, Deckenelemente oder Wandverkleidungen.

Hier ist zu beachten, dass beim Einsatz von Möbeln zur Verbesserung der Raumakustik der Aufwand um ein Vielfaches grösser ist, als wenn der Raum durch Decken- oder Wandelemente als solches verändert wird. «Da die Fläche im Verhältnis kleiner ist und eine technische Unterkonstruktion fehlt, braucht es viel mehr Materialien und Elemente», erklärt Robert Bähler.

Wichtig ist die Sensibilisierung

Die Akustik hat im kleineren Objektbau noch nicht den nötigen Stellenwert. Um die Raumakustik zu verbessern, braucht es ein Budget, und um dieses zu erhalten, muss der Nutzer aktiv werden.

«Es ist wichtig, die Nutzer der Räume zu sensibilisieren. Nur von der Bauherrenseite kann eine akustische Baulösung vorgegeben werden», erläutert Robert Bähler. Viele Architekten und Planer berücksichtigen die Raumakustik nur am Rande, obwohl für die späteren Nutzer ein enormer Mehrwert entsteht. Fakt ist: Eine optimierte Raumakustik hat positive Auswirkungen auf die Stressanfälligkeit, die Konzentration und die Arbeitsqualität der Raumnutzer und ist ausschlaggebend für das Wohlbefinden.

www.akustik-raum.comwww.topakustik.chwww.hfb.chwww.vssm.ch

Der lombard-Effekt

Mit mehr Lärm gegen Lärm

Der Lombard-Effekt steht für die natürliche Reaktion eines Menschen, wenn er in ein Gespräch verwickelt ist und gestört wird. Wegen der Störung durch ein akustisches Signal erhöht der Redner automatisch den Geräuschpegel seiner Stimme und beginnt zusätzlich höher zu sprechen. Das kann zum Problem werden, wenn viele Menschen in einem offenen Raum gleichzeitig etwas zu erzählen haben. Oft kann der Lombard-Effekt in einem Restaurant mit schlechter Raumakustik am eigenen Leib erfahren werden.

njg

Veröffentlichung: 04. Dezember 2014 / Ausgabe 49/2014

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