Besser auf das Auge hören

Beispiel für eine Skizze zur Lichtplanung für die Autobahnraststätte Erstfeld. Bild: Ruedi Steiner

Lichtplanung.  Wer mit Licht arbeitet, sollte das Auge als das Mass der Dinge ansehen. Zwei Profi-Lichtplaner erklären, worauf es im Prozess ankommt, welches die typischen Fehler beim Einsatz von Licht sind und wie man sie vermeiden kann.

Lux, Lumen und Franken: So lauten die wichtigen Kenngrössen bei der Planung von Licht. Denkste, sagen diejenigen, die mit Licht planen und gestalten. «Das hören wir oft: Wenn der Lichtplaner kommt, wird es teuer», berichtet Adi Aicher, Lichtplaner und Mitgründer der Sektor 4 GmbH in Zürich. Es seien vor allem hochwertige Produkte, die das Ganze teuer machten, weil auch bei der LED Qualität ihren Preis habe. «Ich versuche, über die Nutzungsplanung Einsparungen zu erzielen, denn es muss nicht alles leuchten», sagt Aicher.

Jedes Ding hat heute eine LED. Ein gewisser Überfluss ist spürbar, und das führt nicht immer zu einem besseren Licht im Raum. Man hat sich längst daran gewöhnt. Auffällig dagegen, wenn einmal das Licht wirklich gesehen werden kann. Doch das setzt Schatten, sprich Dunkelheit, voraus. «Elementarer Bestandteil der Lichtplanung ist es, Licht wegzulassen», sagt Adi Aicher. Mit Licht zu gestalten, bedeutet für den Profi vor allem auch, Licht wegzulassen. Vorbild dafür ist die Natur. Licht und Dunkelheit treten gemeinsam auf, wechseln sich ab und verstärken sich so gegenseitig in ihrer Wirkung.

Schreiner sind gefragte Partner

«Wichtig für den Schreiner ist, ein Verständnis für die Qualität von Licht zu entwickeln, genauso wie er es bei Holzwerkstoffen hat. Dort weiss er genau, was geht und was nicht geht. Beim Licht ist es das Gleiche. Es braucht etwas technisches Wissen und ein Bewusstsein dafür», erklärt Aicher. Nicht immer sei teuer gleichbedeutend mit besser. Denn es gebe auch beim Licht teuren Mist.

Aicher ist kein Theoretiker. Immerfort hat er mit Schreinerinnen und Schreinern vor Ort auf den Baustellen bei seiner Arbeit zu tun und lobt diese unaufgefordert, aber ausdrücklich: «Man merkt einfach, dass sie gewohnt sind, genau zu arbeiten. Ausserdem sind sie flexibel. Schreiner können sich auf Neues einstellen. Und wenn etwas Spezielles anliegt, wie etwa der randlose Einbau einer Leuchte in Holz, dann zeichnen wir das auf, und das Ergebnis passt», sagt Aicher.

Genauso oft hat er auch mit anderen Handwerkern zu tun. Bei den Trocken- und Deckenbauern seien dann schon Mal alle Durchmesser der Bohrungen für die Spots gleich, entgegen dem Plan. So etwas komme bei Schreinern nicht vor, bekräftigt der Lichtplaner. Der Beweis folgt prompt. Während des Gespräches klingelt sein Telefon. Genau der zuvor geschilderte Fall ist akut. Aicher bleibt ruhig. Zumindest einigermassen, einen Schreiner vor Ort auf der Baustelle zu haben, wäre ihm wohl lieber.

Wenn alles leuchtet, ist es zu viel

«Wer mit Licht arbeitet, sollte sich etwa fragen, ob die RGB-Lichtlinie unter der Küchenabdeckung wirklich sinnvoll und zielführend ist», erklärt Aicher. Ein Fehler, der oft gemacht werde, sei, Licht als eigenes Objekt zu betrachten und nicht die Wirkung des Lichtes im Raum zu sehen. Dies gelte oft auch für die Zunft der Architekten, so der Experte Aicher.

Architekten legen meist den Fokus auf das Tageslicht. Das künstliche Licht dagegen obliege dem Innenarchiteken. «Das finde ich nicht richtig, denn dies führt dazu, dass Architekten das Licht als Leuchte, sprich als Objekt ansehen. Die Leuchte funktioniert dann womöglich mit dem Grundriss, aber nicht unbedingt im Raum», sagt Aicher. Lichtplanung finde nicht auf Achsen statt. Ein Laie schaue auf die Leuchte, der Profi auf das Licht. Den Schnittstellen zwischen den Beteiligten komme deshalb eine grosse Bedeutung zu. «Wenn jeder einzelne im Team – Architekt, Schreiner, Elektriker und Lichtplaner – die Dinge versteht, lässt sich das Ganze viel leichter umsetzen. Dann entsteht sofort eine Flexibilität. Und wenn der Architekt eine Vorstellung vom Licht im Raum hat, lässt sich gleich ganz anders sprechen, als wenn es nur geometrische Überlegungen zum Raum gibt.»

Die Effizienz braucht das feine Gespür

Im Bemühen um eine möglichst hohe Lichtausbeute sind LEDs äusserst leistungsfähig geworden. Die hohe Energie auf kleiner Fläche birgt aber auch so manche Tücke. «Viel Licht auf kleiner Fläche ist ein Problem für das Auge», sagt Ruedi Steiner, Lichtplaner und Gründer der Lichtbau GmbH in Bern.

So manche Spiegelbeleuchtung im Badezimmer mit starken LEDs sei ein wahres Blendwerk. Oft gelte es, mit grösser leuch-tenden Flächen oder mit mehr indirektem Licht zu arbeiten, um die nötige Helligkeit erzeugen zu können. Im grösseren Bad sind mehrere Leuchten nötig. Ist die Spiegelleuchte allein, muss sie so stark sein, dass sie blendet. «Leuchten, die nach oben viel Licht abgeben und nach unten sowie nach vorne etwas weniger, sind für das Badezimmer über dem Spiegel ideal. Sie sind vielleicht etwas retro, erzeugen aber eine gute und angenehme Lichtstimmung», sagt Steiner. Spiegelschränke für das Badezimmer seien diesbezüglich auf dem Weg der Besserung. Anders schätzt Steiner die Dunstabzugshauben ein. Dort sei die Leuchte oft schlichtweg falsch platziert.

Das Licht müsste im vorderen Bereich platziert und schräg nach hinten in Richtung Rückwand gerichtet sein, stattdessen ist es oft umgekehrt. Das gilt auch für LED-Pro-file als Unterbauleuchten über der Küchenabdeckung. Diese müssten ebenfalls an der Vorderkante platziert sein und schräg gegen die Rückwand gerichtet werden. Auch hier ist es in der Praxis aber oft genau umgekehrt. «Dies führt dazu, dass man von den Sitzplätzen am Küchentisch direkt ins Licht schaut und geblendet wird», erklärt Steiner.

Abhilfe kann manchmal mit einem sogenannten mikroprismatischen Diffusor geschaffen werden. Ein solcher Diffusor bricht das Licht und reduziert die Blendwirkung. Für die Gestaltung mit solchen LED-Profilen hat der Experte noch mehr praktische Tipps. Etwa, dass eine Linearleuchte unter dem Oberschrank nicht bis zum Ende in die Ecke reichen muss. «Wenn man das macht, werden die Ecke und der Wandanschluss überbetont, weil die Leuchtdichte dort am grössten ist. Das führt dann zu einer seltsamen Stimmung im Raum.»

Das gute Licht sehen

Licht ist nicht unbedingt am schönsten, wenn alles gleichmässig ausgeleuchtet ist, sondern wenn das Licht verschiedene Bereiche im Raum mit unterschiedlicher Lichtwirkung, Lichtrichtung, Helligkeit und Brillanz schafft.

Der Lichtgestalter spricht oft von einer «Lichtwolke an der Decke oder an Wänden», auch wenn Licht keine Wolke bilden kann. Dennoch veranschaulicht der Begriff, worum es geht. Hellere und dunklere Bereiche in unterschiedlichen Höhen machen die gute Lichtplanung aus.

Auch die übliche Unterscheidung zwischen Arbeits-, Orientierungs- und Akzentlicht sei manchmal hinderlich. «Wir unterscheiden weniger nach Licht zum Sehen, zum Ansehen und zum Hinsehen. Es ist eher so, dass Akzent- und Grundlicht nur gemeinsam optimal funktionieren, die Raumstimmung wie auch die Orientierung verbessern und den Ort angenehm für die geforderte Nutzung machen», sagt Steiner.

Licht sollte nicht nur als Dekoration gesehen werden. Oft werde das jedoch gemacht, weil man zu wenig Vertrauen in die Raumgestaltung habe und dann das Gefühl aufkomme, dass es noch Lichtdeko brauche, um den Raum aufzuwerten. Dazu gehören die Linearleuchten, die eher grafisch platziert werden. Damit erreicht man aber nicht selten das Gegenteil der ursprünglichen Intention.

Auch die Profis probieren viel aus und testen Lichtstimmungen im Atelier oder auf dem Bau, obwohl sie jeden Tag mit Licht arbeiten. Das Atelier von Steiner ist Büro, Lager und Werkstatt in einem. Leuchten liegen massenhaft im Magazin, fast wie die Materialsammlung beim Schreiner. Der Grund: Wie ein Material im Licht wirke, müsse man ausprobieren. Denn die Lichtwirkung und Lichtstimmung im Raum als entscheidendes Momentum kann man nicht nur technisch berechnen oder gar nach Schema bewältigen.

Der Gestalter zeichnet

Auffällig ist, dass oft Renderings und 3D-Visualisierungen fehlen. Aicher und Steiner planen Licht mithilfe von Zeichnungen und Skizzen. So liessen sich Ablenkungen vermeiden, und man könne sich ganz auf das Ziel, die Wirkungen von Licht, konzentrieren. «Ich beginne ein Projekt als Gestalter mit technischem Wissen im Hintergrund. Dann werde ich im Laufe des Prozesses zum Techniker, und am Ende überprüfe ich meine Arbeit wieder als Gestalter. Man muss am Ende das Licht richten, Helligkeiten einrichten und den Bogen wieder zu den Ausgangsüberlegungen schlagen.»

Damit dies gelingt, arbeiten die Lichtplaner herstellerunabhängig. Leuchten und Lösungen werden nach ihrer Eignung für den Einsatzzweck vorgeschlagen, und nicht nach Katalog.

www.sektor4.chwww.lichtbau.ch

Kurz erklärt

Was der «Flicker» ist und wie er für unser Auge sichtbar wird

Glühbirnen, Fluoreszenzröhren und LEDs senden keinen regelmässigen Lichtstrom aus, sondern ein Licht, das die Intensität schnell ändert, ohne dass wir es direkt wahrnehmen können. Dieses Flimmern oder Flackern des Lichts nennen Fachleute Flicker.

Bei trägen Leuchtmitteln wie den Glühlampen spielt es durch das Nachleuchten keine Rolle, dass diese 100-mal in der Sekunde ein- und ausschaltet. LEDs reagieren dagegen sehr schnell, wodurch das Hin und Her im Extremfall stroboskopähnlich wirken kann.

Deshalb kommt dem Betriebsgerät bei LEDs grosse Bedeutung zu. Dieses passt die Netzspannung an und «glättet» den Strom so gut, dass das Licht kontinuierlich fliesst und kein Flicker feststellbar ist. Viele billige Betriebsgeräte «glätten» den Strom nur unzuverlässig und erzeugen flickerndes Licht.

Feststellbar ist der Flicker leicht mit- hilfe der Kamera eines Handys. Nähert man sich damit der Lichtquelle, wird der Flicker durch das Laufen von dunklen und hellen Streifen auf dem Display sichtbar. Ist dies nicht der Fall, ist die Leuchte frei von Flicker.

Auch wenn Flicker nicht direkt sichtbar sind, können Unbehagen, Leistungsverminderung, Ermüdung der Augen, Kopfschmerzen, Migräne bis hin zu Epilepsie daraus resultieren.

Lichtexperte Ruedi Steiner verweist auf Studien, die zeigen, dass unser Organismus die Helligkeitsschwankungen einer Lichtquelle bis etwa 200 Hertz spüren kann – auch wenn sie für unsere Augen nicht sichtbar sind.

christian härtel, ch

Veröffentlichung: 14. Oktober 2021 / Ausgabe 42/2021

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