Das Auge hört mit

Die Akustikdecke im Luzerner Hotel Seeburg, realisiert von der Röösli AG, besteht aus Parkettfriesen mit fein gebohrten Löchern. Bild: Röösli AG

Akustik.  Sie sollen vor allem Ohren und Nerven schonen und ein angenehmes Raumgefühl entstehen lassen. Doch die Akustikelemente der neusten Generation gehen noch viel weiter: Sie sind äusserst dekorativ, und dadurch auch fürs Auge eine Bereicherung.

Auf den ersten Blick haben sie nichts gemeinsam: die Studenten der Universität Potsdam mit den Bewohnern des Altersheims Thusis, die Mitarbeiter der Thurgauer Kantonalbank Amriswil mit Besuchern der Concert Hall Athen, die Journalisten der New York Times mit Gästen des Migros-Restaurants Stäfa. Aber so schnell täuscht man sich: Sie alle können sich am Ort ihres Seins oder Wirkens auf die Qualität von Schweizer Akustikelementen verlassen. Die Liste der Referenzen lässt sich leicht verlängern mit Musikhallen, Hörsälen und Spitalzimmern von Amsterdam bis Hongkong, von Einsiedeln bis Aserbaidschan. Akustikverkleidungen «made in Switzerland» sind ein Exportschlager und werden selbstverständlich auch bei Um- und Neubauten in der Schweiz in grosser Zahl eingesetzt. Die Schweizer verfügen ganz offensichtlich über viel Innovationskraft und einen guten Geschäftssinn. Doch das allein macht die starke Position im internationalen Akustikmarkt noch nicht aus.

Die Qualität macht den Unterschied

«Schweizer haben sehr hohe ästhetische und technische Ansprüche», sagt René Röösli, Geschäftsführer und Mitinhaber der Röösli AG im luzernischen Rothenburg. Das Unternehmen mit 52 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (fast die Hälfte sind Schreiner) montiert alle Akustik- und Deckensysteme und entwickelt regelmässig Spezialanfertigungen. Röösli kennt den Markt bestens.

«Schweizer Kunden wollen filigrane Lösungen ohne sichtbare Konstruktion, die Schweizer Unternehmen bieten ihnen das an.» Das sei der ganz grosse Vorteil gegenüber der Konkurrenz aus dem Ausland. «Der Preis der Schweizer Produkte ist zwar höher, aber weil die Kundschaft hier massgeschneiderte, optisch hochstehende Lösungen wünscht, können ausländische Konkurrenten nur beschränkt mithalten.»

Dass die perfekte Ästhetik eine Triebfeder der Schweizer Anbieter von Akustiksystemen ist, haben Bauherren rund um den Globus gemerkt. So bauen die Schweizer heute überall auf der Welt, wo hohe Ansprüche und viel Prestige im Spiel sind.

Funktion und Ästhetik im Einklang

Die grosse Bedeutung der Ästhetik verlangt nach Produkten, denen die Funktion kaum anzusehen ist. Das hat zur Entwicklung von Akustikpaneelen mit kleinsten Öffnungen geführt. «Vor 35 Jahren glaubte man noch, dass gute Akustik nur mit möglichst grossen Löchern in der Oberfläche zu erzielen sei», sagt Albert Glaus von der Lignokustik AG, Herstellerin von Akustikverkleidungen im sankt-gallischen Benken. Heute weiss man, dass dies ein Irrtum war. «Mit Mikroperforation erreichen wir akustische Spitzenwerte, zudem erfüllen wir die Anforderungen des Brandschutzes und haben betreffend Design keine Einschränkungen.» Die Platten sind farbig lackiert, furniert oder mit Sujets bedruckt erhältlich.

Die Löchlein im 0,5 mm starken Deckblatt sind schon aus geringer Distanz nicht mehr sichtbar. Durch die Perforation gelangt der Schall in die Kammern dahinter und wird von dort in den Absorber (Dämmschicht) geleitet, wo er neutralisiert wird.

Schreinern bereitet die Verarbeitung dieser Akustikelemente keine Probleme. «90 Prozent unserer Kunden sind Schreiner», sagt Glaus. Es ist aber schon in der Fertigung darauf zu achten, an welchen Stellen beim Montieren Schnitte nötig sind. Sonst muss der Schreiner die Kammern in der Trägerplatte ansägen, was die Verarbeitung erschwert und das Ergebnis beeinträchtigen kann. Die zwölf Mitarbeiter von Lignokustik fertigen und verkaufen auch Platten mit gröberen Strukturen wie Rillen und grösseren Löchern. Diese werden dort angewendet, wo die Funktion sichtbar sein darf.

Gutes Raumgefühl dank Mona Lisa

Doch den klaren Trend in Richtung Mikroperforation spürt auch Guido Achermann, Verkaufsleiter bei der NH Akustik + Design AG im obwaldnerischen Lungern. «Damit hat man die absolute Freiheit in der Gestaltung.» Kürzlich produzierte das Unternehmen mikroperforierte Paneele, deren Deckschicht mit Mona-Lisa-Sujets bedruckt wurde. Zusammengefügt ergeben die Elemente nun an einer holländischen Schule ein schallschluckendes Wandmosaik.

NH Akustik, auch bekannt unter dem Markennamen «Topakustik», hat 80 Mitarbeiter und liefert rund zwei Drittel der Produkte ins Ausland. Laut Achermann konnten in letzter Zeit Exporte in andere Wirtschaftsräume Abgänge im Euroraum ausgleichen. «Wir strengen uns noch mehr an, und zum Glück gibt es auch noch Pfund und Dollar.»

Die moderne Architektur mit grossen Räumen, Wänden aus harten, schallreflektierenden Materialien und grossen Glasfronten machen akustische Nachrüstungen auch im Wohnbereich immer attraktiver. Die Akustik & Raum AG, Akustikspezialistin in Olten mit 30 Mitarbeitern, will vermehrt auf dieses Geschäft setzen. Sie entwickelte dafür einen mikroperforierten Systemabsorber mit einer kleinen Gesamtaufbauhöhe. Laut Verkaufsleiter Markus Bürgi können Schreiner das System «vor Ort einfach und schnell montieren».

www.akustikdecken.ch

Mikro bis mini-mikro

Die Akustik & Raum AG hat es geschafft, den geringen Lochdurchmesser ihrer «FeinMikro»-Akustikelemente von 0,5 mm nochmals zu reduzieren: Neu sind diese auch mit 0,3-mm-Löchern erhältlich – «unter Beibehaltung der maximalen Absorption». Eingesetzt wurden solche Paneele beim Umbau des Zürcher Hotels Ema House. Die Perforation wurde in Birkenfurnier, geschält und gebeizt, eingearbeitet.

Im Schulhausanbau im aargauischen Mellingen wurden grossflächig «FeinMikro»-Platten mit 0,5-mm-Löchern eingesetzt. Perforiert wurde Furnier des Amerikanischen Kirschbaums. Wie die Löcher eingebracht werden, bleibt ein Betriebsgeheimnis. Die Röösli AG montierte die Paneele.

www.akustik-raum.ch

Ein Produkt für Einfamilienhaus und Konferenzsaal

Wohin sich der Akustikbereich derzeit entwickelt, zeigen zwei Objekte, welche die NH Akustik + Design AG kürzlich realisiert hat. Das genau gleiche Produkt, «Topperfo Micro 2/2/0,5», verrichtet sowohl in einem Einfamilienhaus am Zürichsee als auch im Konferenzsaal der Weltorganisation für geistiges Eigentum (Wipo) in Genf, einer Teilorganisation der Vereinten Nationen, seinen Dienst. Im Einfamilienhaus montierte die Schreinerei Kaufmann aus Gommiswald SG 50 m2 der mikroperforierten Paneele (Lochdurchmesser: 0,5 mm) als abgesetzte Decke. Die Oberfläche ist weiss lackiert. Das Objekt ist ein Beispiel dafür, dass Akustikplatten immer mehr im Wohnbereich eingesetzt werden, oft als Nachrüstung, um das Raumgefühl zu verbessern.

In Konferenzsälen sind Akustikelemente schon fast Standard. Nicht jedoch die Ausführung wie in Genf mit über 3000 m2 mikroperforiertem (0,5 mm) Tannenfurnier an Decke und Wänden (siehe auch das Titelbild dieser Ausgabe). Montiert wurden die Elemente von der Holzbaufirma Schwab System im bernischen Gampelen.

Bei «Topperfo Micro 2/2/0,5» weist das Deckblatt pro m2 etwa 250 000 Löcher auf. Damit erreicht die Platte beste Akustikwerte.

www.topakustik.ch

Sandwich mit Rillen

Die gerillte Sandwichplatte «BetaN Spezial» von der Lignokustik AG wird im neuen Foyer des Bündner Kunstmuseums in Chur für gute Akustik besorgt sein. Die Eingangshalle soll auch als Veranstaltungsraum genutzt werden können. Das Innenausbauunternehmen Mobil Werke AG im sankt-gallischen Berneck hat rund 200 m2 Akustikpaneele verbaut. Diese sind 19 mm stark und dank ihrer diskreten Graulackierung fast nicht zu erkennen.

Die gerillte Akustikplatte «AlphaP» wurde beim Umbau der Turnhalle Weesen SG von der einheimischen Schreinerei Füllemann montiert (ca. 140 m2). Speziell zu beachten war, dass die Konstruktion der Belastung durch Sportler und Bälle standhält.

www.lignokustik.ch

mf, mf, mf, mf

Veröffentlichung: 24. März 2016 / Ausgabe 12/2016

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