Der Ansatz entscheidet

Projektplanungskosten müssen vergütet werden. In der Praxis ist das aber doch eher selten. Bild: Pixabay

Kalkulation.  Spricht man von einem Auftrag an den Schreiner, so generiert dies im Kopf des Kunden meist ein Bild einer Werkstatt. Doch ein Grossteil der Arbeit geschieht am Bürotisch. Trotzdem kann dieser Aufwand in den meisten Fällen noch immer nicht verrechnet werden.

Der Zeit- und Arbeitsaufwand des Schreiners ist oft gross für die Vorarbeiten, bis es zu einer Auftragsvergabe kommt. Erhält am Ende doch ein anderer den Zuschlag, bleibt der Schreiner zudem auf den entstandenen Kosten sitzen. «Dies ist aber nicht nur ein Problem des Schreiners, sondern betrifft viele Branchen», sagt Urs Wüthrich, Geschäftsführer der Wusba GmbH im aargauischen Oftringen. Der Experte kalkuliert auch im Auftrag von Schreinern, wenn diese zu wenig eigene Kapazitäten haben. «Jährlich mache ich das für Aufträge von über 20 Millionen Franken und sehe dabei jeweils auch, wo der Schuh in den Unternehmen drückt», sagt Wüthrich.

Immer höherer Aufwand

Eines der grössten Probleme besteht für viele im ungünstigen Verhältnis von Aufwand und Ertrag beim Bemühen um Aufträge. So auch beim Berner Oberländer Unternehmen Strasserthun. «Die Planungsarbeit bei einer Ausschreibung ist enorm. Alles, was darin nicht genau definiert ist, kann später zu Auseinandersetzungen führen. Dazu kommt, dass die Ausführungszeit oft viel zu kurz ist. Finanziell geht es dann für das Unternehmen nicht mehr auf. Und falls der Günstigste den Zuschlag erhält, kann dieser oft gar nicht liefern, geschweige denn termingerecht. Am Ende bedeutet dies auch viel Ärger für den Kunden», sagt Marcel Schwander, CEO des Unternehmens.

Abläufe verbessern

Auch Marco Kaufmann, Geschäftsleiter des Kaufmann Schreinerwerks im st.gallischen Gommiswald, muss mit diesem Umstand arbeiten. «Der Aufwand ist ziemlich angestiegen», sagt er. Lösungen dafür gibt es kaum, ausser dass man die eigenen Abläufe optimiert und alle Verfahren auf den Prüfstand stellt.» Das sieht auch Urs Wüthrich so: «Die Ausschreibungen sind heute umfangreicher und komplexer aufgebaut.»

Diese Tatsache fordere die Unternehmen. «Gerade deshalb müssen Schreiner noch intensiver daran gehen, ihre eigenen Abläufe zu verbessern, und auch überlegen, wie sie effizientere Strukturen aufbauen können», sagt der Experte.

So mancher kennt seine Kosten kaum

Es ist eine Binsenweisheit, dass eine Akquise nicht mit dem Angebot beginnt, sondern mit den grundlegenden betriebswirtschaftlichen Kostenrechnungen.

«Viele Unternehmer wissen nicht, wo ihre Kosten entstehen und wie sich diese aus fixen und variablen Kosten zusammensetzen. Das sollte sie aber brennend interessieren», sagt Wüthrich. Kalkulationshilfen würden relativ unkritisch verwendet, dabei sei oft nicht bekannt, ob die Ansätze für den eigenen Betrieb tatsächlich zutreffen. Erst wenn man sich dessen sicher sei, könne man beginnen, etwas aufzubauen. Zusammen mit der richtigen EDV-Unterstützung sei allein dies schon ein weites Feld. Mit unterstützender Software würde immer noch eher stiefmütterlich umgegangen. Das Bewusstsein insgesamt habe sich jedoch gewandelt. «Vor zehn Jahren gab es in einer Klasse von 15 Studierenden, die ihre Diplomarbeiten schrieben, vielleicht einen oder zwei, die sich mit einem Thema der Betriebswirtschaftslehre befassten. Dies hat sich geändert. Die Studierenden beschäftigten sich heute viel mehr mit dieser Thematik, und auch die Unternehmen schauen anders, das heisst viel intensiver darauf», sagt Wüthrich, der auch als Dozent in verschiedenen Bildungseinrichtungen beschäftigt ist.

Trotzdem gebe es immer noch viele Schreinereien, die für jede Steinabdeckung im Küchenbau einen Preis beim Steinmetz anfragen würden. «Das ist viel zu aufwendig. Ich muss mir im Betrieb eine Plattform schaffen, damit ich so etwas selbst kalkulieren kann», sagt Wüthrich. Nur so könne die Branche auch Kostenvoranschläge für Architekten schneller und einfacher erstellen, ohne grosse Kosten dabei zu erzeugen.

Die Last der Vorarbeiten

Planungskosten müssen verrechnet werden. So steht es in vielen Lehrbüchern. Im Internetzeitalter mit kostenlosen Handwerkerofferten per Mausklick wie auf der Seite renovero.ch und inzwischen allerlei Alternativportalen dazu, klingt dies wie «gegen den Strom zu schwimmen». Viele Experten finden aber: Genau das sollte man machen. Mit Billiganbietern kann ein seriöses Unternehmen ohnehin nicht konkurrieren.

Aber so einfach ist das nicht. «Wer von Beginn an auf die Vergütung der Planungsarbeit setzt, verliert die meisten seiner potenziellen Kunden», sagen die Coaching-Experten. Weshalb es in der Praxis so ist, dass die wenigsten Schreiner ihre Vorarbeiten tatsächlich abrechnen. Andere haben einen gangbaren und auch eigenen Weg gefunden, etwa in der Form, von Anfang an klar zu kommunizieren, ab welchem Zeitpunkt im Laufe des Prozederes die Leistungen auch bezahlt werden müssen.

Marco Kaufmann vereinbahrt für den Fall, dass er den Auftrag nicht erhält, schon seit vielen Jahren eine Abrechnung seiner Vorleistungen. «Das haben wir beibehalten, und es funktioniert auch gut so.»

Die Planungskosten abrechnen

Für eine Küche seien schnell je ein Tag für Beratung sowie Planung und Zeichnung weg. «Bei Projekten verrechnen wir dann etwas für unsere Leistungen, der Kunde bekommt dafür unsere Ideen und Entwürfe auf neutralen Plänen zu seiner freien Verfügung», sagt Toni Kaufmann, ein weiteres Mitglied der Schreinerwerk-Geschäftsleitung. Die Rechnung geht für die Schreinerei auf, denn «in 80 Prozent dieser Fälle erhalten wir auch den Zuschlag. Dann bleiben unsere Vorleistungen berechnungsfrei».

Die Kunden nehmen dieses Konzept gerne an, und am Ende gibt es dadurch auf beiden Seiten keine langen Gesichter. «Meist ist es so, dass ein Kunde eine zweite Offerte einholt, um sicherzugehen. Aber im Grunde hat er sich ja davor schon entschieden; es geht also mehr um die Rückversicherung des Auftraggebers bei der Wahl seines Schreiners», sagt Toni Kaufmann.

«Der Wegfall der Projektplanungskosten bei Auftragserteilung und eine klare Absprache, ab welchem Zeitpunkt Leistungen abgerechnet werden, ist der richtige Weg», ist auch Urs Wüthrich überzeugt. Es gibt auch gute Beispiele für Handwerkerleistungen, bei denen dies ganz selbstverständlich der Fall ist. Dazu gehören etwa Wärmebedarfsplanungen von Heizungsbauern oder Lichtplanungen, im Grunde eine entkoppelte Elektriker-Fachplanungsarbeit. Kein Kunde würde auf die Idee kommen, dass die Arbeit eines Lichtplaners kostenfrei bliebe. Auch ein Schreiner kann eine Visualisierung und Pläne mit eigenen Ideen als eigenständige Dienstleistung verkaufen; dies wird nur selten gemacht.

Ideen sind geistiges Eigentum

Dazu gehört auch, dass man sich gegen unbefugte Benützung und Weitergabe von Ideen schützt. Dabei muss man wissen: Eine handwerkliche Arbeit an sich ist nicht geschützt und auch nicht schutzfähig. Ganz anders verhält es sich mit Plänen, Visualisierungen und anderen kreativen Ausarbeitungen. Hier greift der Urheberschutz und damit auch das Verbot der unerlaubten Weitergabe oder Abänderung. Dieser Schutz entsteht automatisch mit «Erschaffung des Werkes». Trotzdem trifft es oft gerade beim Schreiner zu, dass seine Ausarbeitungen an einen anderen Unternehmer weitergegeben werden, der dann die Ausführung – leicht abgeändert – günstiger anbieten kann und so den Zuschlag erhält. Deshalb empfiehlt es sich, den Kunden an das Urheberrecht zu erinnern, um Ärgernisse zu vermeiden, sprich: das Ganze schriftlich bei den Unterlagen zu vermerken. Dazu gehört auch der Hinweis auf die Bedingungen für eine Weitergabe (etwa die Vergütung) und die Rechtsfolgen im Falle des Zuwiderhandelns. Mutmasslich haben viele Konsumentinnen und Konsumenten die Rechtslage nicht klar vor Augen.

Bedürfnisse und Bedingungen spüren

In den Lehrbüchern steht auch: «Das Kundenbedürfnis steht im Mittelpunkt.» Dahinter stecken Wünsche, aber auch Bedingungen, die der Kunde insgeheim stellt. Die Aufgabe eines guten Anbieters ist es, gerade Letztere herauszufinden, denn diese sind der Schlüssel, der den Schreiner vor Fehlgriffen bewahrt. Bei Strasserthun hat man dies längst verinnerlicht. «Wir wollen unsere Kunden so bedienen, wie sie es sich vorstellen, und bieten ihnen deshalb zu einem frühen Zeitpunkt im Prozess eine Beratungsebene an», sagt Marcel Schwander. Dabei hat der Schreiner auch immer viele Fragen und findet so nicht nur die Bedürfnisse, sondern auch die Bedingungen seines Gegenübers heraus. Denn Kunden, die keine konkreten Bedingungen haben oder nennen, wollen oft nur Preise sondieren. Konsumenten sind heute bereits vorab gut informiert. In ihrer Entscheidungsfindung sind sie tendenziell weiter als früher, bevor das Internet alle Informationen zur Verfügung stellte. Dies führt dazu, dass die Vorstellungen von Kunden heute durchaus auch schlicht als «Bedingungen» für einen Auftrag gesehen werden können.

Sicherung der Branchenqualität

Bei Strasserthun findet das professionelle Agieren seinen Ausdruck auch darin, «dass der Kunde, wenn er seine Materialkombinationen für ein Projekt gefunden hat, auch schnell einen Richtpreis von uns bekommt. Was noch wichtiger ist, dass wir eine Ausführungsgarantie geben können. Wenn die Ausschreibung folgt und der Architekt den günstigsten Anbieter wählen muss, hat er immer noch die Sicherheit, dass wir liefern können, auch wenn derjenige, der den Zuschlag erhalten hat, vielleicht nicht wie ausgeschrieben liefern kann oder auch will. Damit erreichen wir auch eine gewisse Branchenqualität», sagt Schwander.

Externe Unterstützung holen

Arbeiten, die man selbst nur aufwendig oder weniger gut als andere erledigen kann, werden auch zunehmend eingekauft. «Die Schreiner reagieren durchaus und holen sich externe Unterstützung, sei es bei einer hochwertigen Visualisierung oder auch zur Überprüfung der Abläufe und der Kalkulation im Betrieb», sagt Urs Wüthrich.

Denn auch bei der Gestaltung und Ausarbeitung von Offerten müsse sich einiges ändern. Aus seiner Unterrichts- und Praxiserfahrung kennt Wüthrich den Bedarf: «Es wird immer noch geschrieben, dass man gute und speditive Arbeit macht, die zudem von guter Qualität sei. Das muss man nicht schreiben. Es sei denn, man hat Kunden, die das Gegenteil erwarten.»

www.wuesba.chwww.strasserthun.chwww.schreinerwerk.com

ch

Veröffentlichung: 29. August 2019 / Ausgabe 35/2019

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