Der Drang nach Freiheit

Auch im Camper wirkt Holz «heimelig». Bei Cocoon Vans wird besonders gerne Arve verbaut. Bild: Urban Engel Perspectiva

Camper.  Camper-Ferien liegen im Trend. Während der Corona-Zeit war gefühlt die halbe Schweiz mit mobilen Wohngelegenheiten unterwegs. Wer kein Fahrzeug von der Stange möchte, kann sich seinen Campingbus auch selber bauen.

Das mit diesen Trends ist so eine Sache. Entweder folgt man ihnen gerne oder fühlt sich gestresst, weil es andauernd etwas Neues gibt, bei dem es mitzumachen gilt. Aber auch wenn man zu den Letzteren gehört, kann man sich dieser Dynamiken manchmal schwer entziehen. Der derzeitige Hype um die Wohnmobile, Camper oder Reisebusse fällt in diese Kategorie. Die Fahrzeuge sind die Stars auf unzähligen Urlaubsfotos auf Social Media. Da fällt es schwer, nicht ins Träumen zu kommen.

Gemeinschaftsprojekt

Vom eigenen Camper geträumt, hat auch Simon Jud aus Hörhausen TG. Als gelernter Schreiner lag die Entscheidung nahe, den Ausbau selber zu machen.

Das Wunschfahrzeug des 26-Jährigen war ein VW Bulli Oldtimer. Die Faszination rund um diesen Klassiker auf vier Rädern schlägt sich aber auch in einem hohen Anschaffungspreis nieder. Vor drei Jahren trat Jud das Studium zum Innenarchitekten an. Schweren Herzens musste er sich zu dieser Zeit eingestehen, dass er das Geld für einen eigenen Camper bis auf Weiteres nicht haben wird, geschweige denn für einen Oldtimer. Als dann aber ein Kollege aus dem Turnverein anbot, ein Gemeinschaftsprojekt zu starten, war der Traum plötzlich wieder realistisch. Denn auch Flurin Manser, wohnhaft in Frauenfeld TG und gelernter Zimmermann, brannte schon lange für die Idee, einen eigenen Camper zu bauen. Ein Bulli wurde es dann aber trotzdem nicht. Das ganze Projekt sollte nämlich das Budget von 30 000 Franken nicht überschreiten. Der Klassiker aus den 70er-Jahren bot auch nicht ganz so viel Platz, wie sich das die zwei für ihr gemeinsames Projekt gewünscht hatten.

Gebraucht gekauft

«Die Suche nach dem passenden Occasionsfahrzeug zog sich dann ziemlich lange hin», erzählt Jud. «Vielleicht haben wir auch etwas hohe Ansprüche gehabt.» Unter anderem sei eine Klimaanlage im Fahrerraum ein Muss gewesen. Viele ehemalige Nutzfahrzeuge seien da schon mal weggefallen. Andere waren schlichtweg zu teuer.

Im Oktober 2020 habe sich ihre Geduld dann ausgezahlt. Mit einem ausgedienten VW Crafter einer Sanitärfirma fanden Jud und Manser das passende Fahrzeug für ihr Projekt. «Die 12 000 Franken für diesen Bus schienen anfangs etwas zu gut, um wahr zu sein», erzählt Jud. Bei der Besichtigung wurde deswegen auf jeden Service- und Reparaturnachweis bestanden und jedes kleine Detail genau angeschaut. Das Angebot schien aber zu halten, was es versprach.

Gut geplant ist halb gebaut

Vor dem Start des Ausbaus sei eine klare Zielsetzung wichtig gewesen. Der Camper solle Platz für zwei Personen bieten, eine Möglichkeit zum Kochen haben und über ein Frisch- und Abwassersystem sowie eine autarke Stromversorgung verfügen. Mit der Vereinbarung, dass es kein ewiges, unabgeschlossenes Projekt werden soll, wurde für den Umbau ein Jahr eingeplant.

«Grundsätzlich haben wir uns das nötige Wissen über das Internet und Youtube- Videos angeeignet», erzählt Jud. «Mit unseren Fragen rund um Solar, Strom und Gas sind wir aber zu einem Fachmann.» Da war es ganz praktisch, dass es gleich um die Ecke einen Spezialisten für die Installation, den Service und Unterhalt von Campingfahrzeugen und Booten gibt.

Dominique Zinecker ist Geschäftsführer der Firma Cabotz in Hörhausen. Bei ihm haben sich Jud und Manser ihr Know-how rund um eine autarke Stromversorgung geholt. Auch die gesamte Gas-Installation wurde von Cabotz gemacht, da diese in jedem Fall von einem Fachmann abgenommen werden muss. Nebst Gas und Strom sollte auch das Wassersystem im Bauprozess möglichst früh angedacht und installiert werden. Wenn der Innenausbau schon fast abgeschlossen ist, wird es sehr umständlich, nachträglich Leitungen einzuziehen. «Die Planung des Grundrisses war herausfordernd», erzählt Jud. «Wir haben ein Modell im Massstab 1:10 gebaut, um die Aufteilung des Innenraums simulieren zu können.» Ziel sei es gewesen, dass zwei Personen jederzeit problemlos aneinander vorbeikommen.

Qualität hat seinen Preis

Damit es beim Vorführen des Campers später keine Probleme gibt, galt es die zulässige Nutzlast einzuhalten. Dafür wurde das Materialgewicht der Einbauten berechnet oder gewogen. Das habe ganz gut funktioniert, und man sei mit etwa 300 kg unter der maximalen Zuladung geblieben. Dafür habe man sich bei den Materialkosten für den Ausbau doch etwas verschätzt.

«Ursprünglich haben wir dafür 10 000 Franken eingeplant. Am Ende war es gut doppelt so viel», sagt Jud. Dank des günstigen Fahrzeugkaufes wurde das Budget aber nicht zu sehr gesprengt. Gründe für die zusätzlichen Kosten seien schnell gefunden. Bei der Zusammenstellung der Infrastruktur habe man sich meist für das teurere und qualitativ bessere Produkt entschieden. Auch beim Innenausbau wurden hochwertige Materialien verwendet.

So kamen für die Innereien der Möbel beispielsweise Balsaleichtbauplatten und für die Fronten CDF zum Einsatz. Letzteres wurde vor allem aufgrund der Langlebigkeit und der Pflegeeigenschaften ausgewählt. Die Fahrer- und Wohnräume sind über eine Schiebetüre verbunden. Hier verbauten die zwei Thurgauer eine Lisocore-Wabenplatte.

Erster Einsatz

«Viel Zeit haben wir in die Auswahl der Stoffe und Polster investiert. Das ist ja nicht gerade das Steckenpferd eines Schreiners oder Zimmermannes. Deswegen haben wir uns recht zeitintensiv eingelesen und uns durch Musterberge gekämpft», erzählt Jud. Trotzdem ging der Zeitplan der beiden auf, und der Camper durfte im Sommer 2021 seine erste Reise antreten. Seither ist der Camping-Bus dank der gemeinsamen Nutzung oft im Einsatz. In der vergangenen Saison waren es beispielsweise rund 100 Tage. «Bisher sind wir mit unserer Arbeit wirklich zufrieden», sagt Jud. «Grössere Planungsfehler oder technische Mängel haben wir nicht festgestellt, und alles funktioniert so, wie wir es angedacht haben.» Nur die Verkleidung der Hecktüren müsse in nächster Zeit mal ersetzt werden. Das dafür verwendete Kunstlederprodukt löse sich inzwischen an einigen Stellen.

Rückblick mit neuen Erkenntnissen

Wenn Simon Jud an die Bauphase zurückdenkt, erinnere er sich besonders an die vielen Abschlüsse und Übergänge, für die es eine Lösung zu finden gab. Auch der Einbau der Fenster sei nicht einfach gewesen. «Erhältlich waren nur gerade Fenster, die Karosserie unseres Busses hat aber eine leichte Wölbung, da mussten wir etwas improvisieren beim Einbau», erklärt Jud.

Ob Fenster, Isolation oder Standheizung, für den Einsatz in einem Camper braucht es oft spezielle Produkte. Diese seien in der Schweiz in vielen Fällen nur umständlich oder gar nicht erhältlich gewesen. Vieles haben die beiden Thurgauer aus dem Ausland und mit Lieferung nach Deutschland bestellen müssen. «Erst gegen Ende unse- res Projektes sind wir dann auf die Firma Waerchzueg.ch gestossen. Das hat uns wirklich viel Mühe abgenommen. So ein Angebot haben wir zu Beginn des Umbaus vermisst», sagt Jud. Dass Jud und Manser nicht schon früher auf das Unternehmen stiessen, mag daran liegen, dass Waerchzueg.ch zu Beginn ihres Projektes noch in den Kinderschuhen steckte.

Kundenfreundliches Angebot

Seit der Gründung im Sommer 2020 ist die Firma aber stetig gewachsen. Inzwischen finden sich in dem Webshop zahlreiche Produkte für den Selbstausbauer. Denn an diese richtet sich das Angebot des jungen Unternehmens aus Winterthur ZH.

So finden motivierte Camperbauer auf der Website beispielsweise auch Videos zu Artikeln im Sortiment, mit einer Anleitung zur Handhabung und Montage. Zudem können Ausbauplätze inklusive Werkzeug gemietet werden. Für Personen, die keinen Zugang zu einer Werkstatt haben, ein wertvolles Angebot. Die Schreinerzeitung sprach mit Fabian Prosek, Mitarbeiter der ersten Stunde bei Waerchzueg.ch. Das Interview findet sich im Anschluss an diesen Artikel auf Seite 13.

Umbau auf Bestellung

Es lässt sich wohl mit Fug und Recht sagen, dass ein Camperumbau einiges an Zeit und Nerven erfordert. Manchmal fehlt aber beides. Auf einen individuellen, auf die Bedürfnisse des Besitzers angepassten Innenausbau muss man deswegen jedoch nicht verzichten. Inzwischen gibt es einige Unternehmen, die sich genau darauf spezialisiert haben. Ein Beispiel dafür ist die Firma Cocoon Vans aus Bad Ragaz im Rheintal SG. Geschäftsführer Adrian Räss machte sich vor dreieinhalb Jahren nach einer beruflichen Auszeit selbstständig. Zuvor hatte der gelernte Zimmermann bei dem Umbau seines eigenen Campers bereits Erfahrungen gesammelt. Später machte er noch eine Ausbildung zum LPG-Flüssiggas-Installateur. In dem Team rund um Räss finden sich nebst einem Automatiker auch zwei Schreiner. Die Leidenschaft für Holz zeigt sich in den realisierten Projekten. Der Werkstoff sei aber auch optimal für den Einsatz in einem Camper, da seine Eigenschaften dazu beitragen, den Feuchtehaushalt im Innenraum zu regulieren. Bei Cocoon Vans werde oft der Fahrzeughimmel mit Massivholztäfer verkleidet. Dies sei auch bei gewölbten Dächern problemlos machbar. «Besonders gerne verwenden wir die Arve als regionale Holzart. Das Nadelholz ist sehr leicht und duftet wunderbar», sagt Räss. «Für den restlichen Innenausbau kommt meistens Pappelsperrholz zum Einsatz, da dieses ein optimales Verhältnis zwischen Stabilität und Gewicht bietet.»

Zeit und Kosten

Das Fahrzeug besorgt die Kundschaft in der Regel selbst. Meistens sind das VW oder Mercedes. «Diese Automarken bieten den besten Fahrkomfort», ist Räss überzeugt. «Dafür ist der Ausbau bei Modellen anderer Marken wie beispielsweise Fiat, Opel oder Citroën etwas unkomplizierter, da die Karosserie oft eckiger ist.» Bis ein Umbau abgeschlossen ist, steht ein Fahrzeug für gewöhnlich etwa zwei Monate in der Werkstatt in Bad Ragaz. Das mache dann zwischen dreihundert und fünfhundert Arbeitsstunden für ein Projekt. «Die Umbaukosten variieren natürlich stark, je nach Innenausstattung», sagt Räss. «Die meisten Kunden bewegen sich jedoch im Bereich von 45 000 bis 70 000 Franken.» Das Unternehmen führt auf Wunsch auch nur einzelne Arbeitsschritte oder Installationen aus. Viele Kunden bauen ihren Camper zwar selber um, kommen aber wegen des Gases oder der Elektronik zu Cocoon Vans.

Feuer und Flamme

Sein eigener Bus dient Räss immer wieder als Versuchskaninchen. So hat er darin beispielsweise den «Tiny Stove» getestet. Dabei handelt es sich um einen Holzofen in Miniformat. Räss ist inzwischen Einbaupartner und von dem Produkt überzeugt. «Was gibt es Schöneres, als im eigenen Camper vor dem Feuer zu sitzen.»

www.cabotz.chwww.cocoonvans.comwww.tiny-stove.com

Sven Bürki

Veröffentlichung: 02. März 2023 / Ausgabe 9/2023

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