Die Schreinerei ohne Überraschungen

Im Grundriss des Erdgeschosses sind die geplanten Garderoben und Sanitäranlagen im bestehenden Gebäude links und im Neubau zu sehen. Bild: Schreinerei Rothen AG

Betrieb.  Ein Um- oder Neubau der Werkstatt ist für Schreinereien eine Herausforderung – viele Interessen, Vorschriften und Gesetze müssen berücksichtigt werden. Die SchreinerZeitung hat bei einem Arbeitsinspektor und einer Schreinerei nachgefragt.

Beschäftigt sich eine Schreinerei mit dem Um-, Aus- oder Neubau ihrer Werkstatt, stehen oft die Maschinen und das Betriebslayout im Vordergrund. Dies liegt auf der Hand, will man mit dem Vorhaben doch seine Produktivität erhöhen. In solchen Fällen lohnt es sich für einen Betrieb aber auch, sich mit den arbeitsrechtlichen Aspekten auseinanderzusetzen.

Mitten in diesem Prozess steckt die Schreinerei Rothen aus dem bernischen Lanzenhäusern. Aufgrund eines Brandes ist das Unternehmen dabei, einen Neubau zu realisieren. «Als Erstes haben wir uns an die Gemeinde gewandt. Dort empfahl man uns, auch mit dem Kantonalen Arbeitsinspektorat (Beco) Kontakt aufzunehmen», erzählt Geschäftsführer Hansueli Rothen. Zu Recht, denn bei Neu- und Umbauten von Schreinereien prüfen die Kantone die baulichen Vorgaben zu Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz und erstellen die Amts- oder Fachberichte im Baubewilligungsverfahren. Dabei holen sie auch die Mitberichte der Suva ein.

Kontrolleur als Partner

Beim Beco ist Arbeitsinspektor Markus Gäumann für die Schreinerei Rothen zuständig. Er versteht sich aber weniger als Kontrolleur, sondern eher als Partner, der den Betrieben beratend zur Seite steht: «Dank dem Hinweis der Gemeinde nahm die Schreinerei schon früh in der Planungsphase Kontakt mit uns auf», sagt Gäumann. «Also vereinbarten wir einen Termin und gingen zusammen die Pläne durch.»

Eine frühe Vorbesprechung im Vorfeld der Baubewilligungsphase ist im Interesse aller Beteiligten, denn oft stehen die Massnahmen für Gesundheitsschutz und Unfallverhütung in engem Zusammenhang mit der Konstruktion des Gebäudes oder dem Brandschutz. «Wenn wir also die kritischen Punkte bereits im Vorfeld klären können, erleichtert und beschleunigt dies nachher die Prüfung des Baugesuches», erklärt Markus Gäumann.

Kostspielige Details frühzeitig geklärt

Auf der Checkliste des Inspektors stehen Punkte wie Fluchtwege, Sturzstellen, Kräne, Lifte, Lagerflächen, Sanitäranlagen, Garderoben oder das Raumklima, worunter auch die Aspekte Beleuchtung, Tageslicht, Absaugung, Lärmbelastung usw. fallen. «Dank diesem Gespräch traten einige Dinge zutage, an die wir so nicht gedacht hätten oder auf die wir unsere Lieferanten nun konkret ansprechen können», sagt Hansueli Rothen. Zum Beispiel stellte man fest, dass im bestehenden Heizungsraum mit der neuen Situation der Fluchtweg zu lange und zu umständlich gewesen wäre. «Bei einem Ereignis in der Werkstatt würde dies eine Person im Heizungsraum kaum merken und hätte keine Chance mehr, dort rauszukommen», erklärt Markus Gäumann. Also konnte man bereits in der Planungsphase eine neue Fluchttür ins Freie vorsehen. Ebenfalls ein Thema war die geplante Zufahrtsrampe ins Untergeschoss: Diese war mit einer Steigung von 12 % geplant. Mit einem gewöhnlichen Fahrzeug hätte diese ohne Weiteres befahren werden dürfen. Für Stapler darf die Steigung aber nicht mehr als 10 % betragen, und für die Schreinerei war der Materialtransport ins Untergeschoss entscheidend. «Wäre uns dies erst bei der Bauabnahme aufgefallen, hätten wir ein echtes Problem gehabt», sagt Rothen.

Diskussionspunkt Sanitäranlagen

Oft zu reden geben in Schreinerbetrieben die Garderoben und Sanitäranlagen, insbesondere wenn die Schreinerei Mitarbeiterinnen beschäftigt. Im Art. 29 Abs. 3 der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz heisst es: «Für Frauen und Männer sind getrennte Garderoben, Waschanlagen und Toiletten oder zumindest eine getrennte Benutzung dieser Einrichtungen vorzusehen.»

Gemäss Arbeitsinspektor Gäumann müsse man solche Bestimmungen immer in Relation zur jeweiligen Betriebssituation und Grösse betrachten, vor allem bei Umbauten. In den meisten Fällen finde sich dann eine machbare Lösung. «Problematisch wird es immer dann, wenn Themen wie Mobbing oder Belästigung am Arbeitsplatz aufkommen. Da ist es natürlich besser, wenn dies bereits im Vorfeld mit entsprechenden Massnahmen möglichst verhindert werden kann», sagt der Experte.

Das Team der Schreinerei Rothen umfasst 15 Angestellte, 4 davon sind Frauen, 3 im Büro, 1 in der Werkstatt. Also plante man im Neubauteil für die Herren eine Garderobe, ein WC und ein Pissoir. Für die Damen gibt es im Neubau ebenfalls eine Toilette, welche gleichzeitig behindertengerecht ist. Die Damengarderobe hat man dafür im bestehenden Nebengebäude eingeplant. Dort befindet sich auch eine separate und abschliessbare Dusche mit WC, die bei Bedarf von beiden Geschlechtern benutzt werden kann.

«Znüni» für das Betriebsklima

Ähnlich verhält es sich mit dem «Znüniraum». In der Verordnung sind nicht in jedem Fall Ess- oder Aufenthaltsgelegenheiten vorgeschrieben. In der Wegleitung zur Verordnung werden aber einige konkrete Fälle genannt. Dazu gehören zum Beispiel Betriebe, in denen Schicht gearbeitet wird. Oder wenn im Umkreis von etwa 800 m Gehdistanz keine geeigneten Gaststätten vorhanden sind. In der Wegleitung heisst es aber auch, dass in Betrieben, die weniger als zehn Mitarbeiter umfassen, die Forderung nach einem separaten Raum übertrieben wäre. In diesen Fällen genügt auch ein geeigneter und entsprechend ausgestatteter Raumteil. Für Markus Gäumann stehen hier wiederum der Nutzen und das Betriebsklima im Vordergrund: «Solche Räume verbessern den Austausch und den Zusammenhalt in einem Betrieb. Und ein gut eingerichteter Raum kann auch mal für einen Apéro oder andere repräsentative Zwecke genutzt werden.»

Beim Einbau von Garderoben, Aufenthaltsräumen oder Werkstattbüros muss wiederum die Fluchtwegsituation im Auge behalten werden. «Bei Werkstattbüros empfehle ich sowieso immer, grosszügige Fensterfronten zur Werkstatt hin einzuplanen», sagt Gäumann. So wird der Sichtkontakt sichergestellt und die Personen im Büro können entsprechend reagieren, wenn es in der Werkstatt zu einem Unfall oder sogar einem Brand kommt.

Raumakustik in der Werkstatt

Speziellen Wert legte die Schreinerei Rothen auf die Akustik in der Werkstatt. Im Moment arbeiten die Schreiner aufgrund des Brandvorfalls noch in einem Provisorium. «Wände und Decken bestehen dort mehrheitlich aus nacktem Beton. Selbst mit Gehörschutz ist das Arbeiten wegen des hohen Lärmpegels sehr unangenehm», erzählt Hansueli Rothen. «Dies war so schlimm, dass die Schreiner Schall absorbierende Materialien montieren mussten. Das war uns eine Lehre, deshalb haben wir im neuen Gebäudeteil gleich entsprechende Elemente eingeplant.»

Markus Gäumann kennt diese Problematik ebenfalls und weiss von verschiedenen Fällen, in denen Akustikelemente für viel Geld nachgerüstet werden mussten: «Oft herrscht die Meinung vor, dass man zum Beispiel im Maschinenraum ohnehin einen Gehörschutz trägt und die Raumakustik deshalb keine Rolle spielt.» Der kritische Faktor in diesem Bereich ist insbesondere die Nachhallzeit (T). Von der Suva gibt es dafür ein einfaches Excel-Formular, welches hilft, die Raumakustik einzuschätzen. Dies hat die Schreinerei gemacht und die Materialisierung der Holzdeckenelemente angepasst.

Vorbesprechung macht sich bezahlt

Alle relevanten Aspekte werden dann bei der Bauabnahme vom Kantonalen Arbeitsinspektorat überprüft. Werden die Anforderungen nicht erfüllt, muss nachgebessert werden. «Letztendlich muss sich jeder Arbeitgeber an die geltenden Gesetze halten», sagt Markus Gäumann. «Wir helfen aber gerne, und wenn sich ein Betrieb wie die Schreinerei Rothen frühzeitig an die entsprechenden Stellen wendet, wird es bei der Bauabnahme kaum Probleme geben.» Hansueli Rothen hat das Beco auch nie als lästig angesehen – im Gegenteil: «Die paar Stunden, die wir in die Vorbesprechung investiert haben, machen sich bezahlt. Wir haben mehr Planungssicherheit und sparen später viel Aufwand und Geld.»

Weitere Informationen zum Vorgehen im Kanton Bern liefert die Website der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Bern unter «Arbeit → Sicherheit & Gesundheit am Arbeitsplatz → Industrie- und Gewerbebauten → Fachinformationen».

Die Verordnungen und Wegleitungen zum Arbeitsgesetz können auf der Website des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) kostenlos heruntergeladen werden.

www.rothenag.chwww.vol.be.chwww.seco.admin.chwww.suva.ch

ph

Veröffentlichung: 21. Januar 2016 / Ausgabe 3/2016

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