«Die Toleranz ist grösser geworden»

Rahel Gafner schätzt die Vielseitigkeit des Schreinerberufs. Bild: Haupt AG

Kampagne.  Rahel Gafner arbeitet seit 14 Jahren als Schreinerin. Sie hat den Weg zu ihrem Traumberuf auf dem zweiten Bildungsweg gefunden. Was ihr das Schreinern bedeutet und was sie vom «Männlein-Weiblein-Denken» hält, verrät sie im Interview.

Rahel Gafner, wie lange arbeiten Sie schon als Schreinerin?
Rahel Gafner: 2007 startete ich mit der Lehre. Ich kam dann 2010 als Temporär-Angestellte zur Firma Haupt und bin dort seit 2011 fest angestellt. Zehn Jahre, die unglaublich schnell vergangen sind.
Welche Berufe standen bei Ihnen nebst der Schreinerin noch zur Auswahl?
Nach der Schulzeit konnte ich mich nicht richtig für einen Beruf entscheiden. In der näheren Auswahl standen Gärtnerin, Floristin, Schneiderin und Detailhandelsangestellte. Schreinerin war damals noch kein Thema. Entschieden habe ich mich dann für den Beruf der Detailhandelsangestellten. Diese Lehre habe ich auch erfolgreich abgeschlossen. Erst nachdem mir klar wurde, dass ich im Verkauf nicht alt werden möchte, habe ich mich nochmals auf die Suche gemacht und mich für den Beruf der Schreinerin entschieden.
Hatten Sie jemals den Gedanken «Ich kann als Frau doch nicht einen typischen Männerberuf lernen»?
Nein. Weil ich ja bereits eine Lehre abgeschlossen hatte, wusste ich genau, was ich wollte. Männerberuf hin oder her.
Gibt es bei Ihrem Arbeitgeber noch weitere weibliche Arbeitskolleginnen?
Ja, wir sind insgesamt neun Frauen. Jedoch bin ich zurzeit die einzige Frau in der Schreinerei.
Gibt es für Sie die typischen Frauen- und Männerberufe überhaupt? Konnte dieses Denken in den letzten Jahren etwas aufgelöst werden?
Diese Bezeichnung sollte es aus meiner Sicht gar nicht mehr geben. Jede Person darf den Beruf ausüben, den sie möchte. Leider haben noch zu viele Leute dieses Männlein-Weiblein-Denken. Aber die Toleranz ist in den letzten Jahren auf jeden Fall grösser geworden.
Gibt es Aufgaben in Ihrem Beruf, bei denen Sie die Hilfe Ihrer männlichen Kollegen brauchen?
Natürlich gibt es Momente und Arbeiten, bei denen mir die Kraft fehlt. Ich kann da aber auf alle zugehen und mir die benötigte Hilfe holen.
Was bringen Sie als Frau in ein Team von Schreinern?
Ich denke, diese Frage können meine männlichen Kollegen besser beantworten. Aber laut Rückmeldung ist der Umgang unter- einander angenehmer geworden.
Gibt es Lieblingsarbeiten, die Sie als Schreinerin erledigen?
Entweder die Arbeit mit dem Bearbeitungszentrum, bei der es Computerkenntnisse, technisches Flair und manchmal ein «Denken um drei Ecken herum» braucht, oder dann Arbeiten, die viel Geduld, Fingerspitzengefühl und handwerkliches Geschick voraussetzen.
Was halten Sie von der viel diskutierten Frauenquote?
In unserer Branche halte ich nicht viel davon. Was bringt es, eine gewisse Anzahl Frauen einzustellen, wenn diese gar nicht vorhanden sind?
Sie haben sich für den Werkstoff Holz entschieden. Was macht diesen so einzigartig für Sie? Und was bedeutet Ihnen Schweizer Holz?
Holz ist unglaublich vielseitig einsetzbar. Es ist lebendig, flexibel, verändert sich, und kein Stück gleicht dem anderen in Farbe, Struktur und Beschaffenheit. Man kann fast alles daraus machen. Zudem ist Schweizer Holz der nützlichste nachwachsende Rohstoff in der Schweiz. Wenn ich mit Schweizer Holz arbeite, weiss ich, dass ich nicht nur etwas Schönes damit machen kann, sondern dass auch vieles dahintersteckt, was unserer Umwelt und unserer Wirtschaft zugutekommt.

Social-Media-Kampagne

Die Branchenorganisation Lignum Holzwirtschaft Zentralschweiz (LHZ) macht in diesen Wochen mit einer Social-Media-Kampagne Frauen in der Holzbranche sichtbar. LHZ-Mitarbeiterin Fabienne Wey stellt mit Interviews spannende Frauen in den Mittelpunkt, die als Schreinerinnen, Försterinnen oder Sägerinnen arbeiten. Die Schreinerzeitung begleitet die Kampagne und veröffentlicht Inhalte daraus.

www.lignum-zentral.ch

Zur Person

Rahel Gafner (34) hat erst eine Ausbildung zur Detailhandelsangestellten absolviert, bevor sie ihren Traumberuf als Schreinerin gefunden hat. Seit Beginn ihrer Zweitausbildung 2007 ist sie dem Schreinerberuf treu geblieben. Sie ist seit über zehn Jahren bei der Haupt AG in Ruswil LU tätig. Als Teamleiterin der Produktion ist sie im gesamten Arbeitsprozess integriert und bereit anzupacken, wo immer dies nötig ist.

www.haupt-ag.ch

Fabienne Wey, SZ, SZ

Veröffentlichung: 08. April 2021 / Ausgabe 15/2021

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