Die Weichen rechtzeitig stellen

Bild: Klarer Fenster AG Rafael und Adrian Klarer (l. u. r.) leiten seit Anfang Jahr die Klarer Fenster AG gemeinsam mit ihrem Vater Josef (Mitte).

Nachfolgeregelung.  Um ein Unternehmen auf die Nachfolge vorzubereiten, gilt es rechtliche und finanzielle Strukturen anzupassen. Mindestens genauso wichtig ist, die Familie in den Prozess miteinzubeziehen. Dazu müssen Konflikte offen diskutiert werden.

Nachdem in einem ersten Schritt die Nachfolgeplanung aufgegleist worden ist, geht es in der Vorbereitung der Unternehmensübergabe daran, die Weichen zu stellen. Um das Unternehmen möglichst reibungslos an neue Inhaber zu übergeben, braucht es oft strukturelle Anpassungen. Es gilt beispielsweise die Firmenstruktur zu überdenken, womöglich die Kapitalstruktur zu optimieren und den Unternehmenswert zu ermitteln. In vielen Fällen lohnt es sich, einen Businessplan zu erstellen, um den Betrieb potenziellen Käufern zu präsentieren. Einige Prozesse dauern mehrere Jahre, deshalb sollten spätesten fünf Jahre vor der geplanten Übergabe die wichtigsten Veränderungen eingeleitet sein.

Bevor ein Unternehmen einem potenziellen Interessenten angeboten werden kann, muss Klarheit geschaffen werden, was es überhaupt zu übernehmen gibt. Ein Businessplan enthält die strategischen Wettbewerbsvorteile, zeigt die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken auf und gibt einen Einblick in die Werte des Unternehmens. «Wer aufzeigen kann, wie sein Unternehmen funktioniert und wie ein zukünftiger Erfolg sichergestellt ist, verfügt über starke Argumente, um einen erfolgversprechenden Nachfolger zu finden», sagt Daniel Furrer, der sich als Bereichsleiter Technik und Betriebswirtschaft beim VSSM mit diesem Thema beschäftigt und Schreinerbetriebe bei der Nachfolgelösung berät.

Die Steuerfalle umgehen

Zwei Drittel aller Firmen in der Schreinerbranche werden laut dem Jahresbericht des VSSM von 2015 bereits als Aktiengesellschaft oder als Gesellschaft mit beschränkter Haftung geführt. «Die AG- und GmbH-Formen sind geeignet für eine Nachfolgeregelung», sagt Hans-Peter Ruepp, Inhaber des Beratungsunternehmens Ruepp & Partner AG. Denn anders als bei juristischen Gesellschaften würden beim Verkauf von einer personengeführten Einzelfirma teils sehr hohe Steuern anfallen.

Der Gewinn aus dem Verkauf einer Einzelfirma wird mit den Einkommenssteuern und zusätzlich mit den AHV-Abgaben für Selbstständigerwerbende belastet. «Insgesamt muss beim Verkauf einer Einzelfirma mit rund 40 Prozent Steuerabzügen gerechnet werden – das hat schon manchen böse überrascht», so Ruepp.

Aktien hingegen können in der Regel steuerfrei verkauft werden. Will ein Unternehmer seine Einzelfirma zu einer AG oder GmbH umwandeln, dann gilt es die Sperrfrist von fünf Jahren zu beachten, bis die umgewandelte Gesellschaft steuerfrei verkauft werden kann.

Das Unternehmen verschlanken

Bei vielen KMU, insbesondere bei Schreinereiunternehmen, besteht ein grosser Teil der Mittel aus Eigenkapital des Unternehmers. Das macht den Inhaber zwar unabhängig gegenüber fremden Kapitalgebern, doch bei einer Firmenübergabe ist ein «schweres» Unternehmen ein Nachteil, erklärt Daniel Furrer.

Um das Unternehmen zu verschlanken, können beispielsweise Lager abgebaut oder nicht betriebsnotwendige Aktiven veräussert werden. Ebenso sollten stille Reserven, die sich über eine lange Zeit angehäuft haben, beachtet werden. Diese Rücklagen sind mit latenten Steuern belastet, die erst mit dem Verkauf des Unternehmens geltend gemacht werden und dann den Wert des Unternehmens schmälern.

Wert wird oft überschätzt

Unternehmer, die sich ein Leben lang für die eigene Firma eingesetzt haben, überschätzen häufig den Preis, den sie für ihr Unternehmen erwarten können. Hans-Peter Ruepp stellt das in seiner Tätigkeit als Berater besonders bei kleineren Betrieben regelmässig fest. Doch der Wert eines Unternehmens ist nie gleichbedeutend mit dessen Preis. «Der Preis ist immer Verhandlungssache – und zwar in beide Richtungen», sagt Ruepp. Oft werde von der übergebenden Partei nicht beachtet, dass der Nachfolger den Kaufpreis innert einer möglichst kurzen Zeit amortisieren muss.

Was das heisst, zeigt folgendes Beispiel: Bei einem Verkaufspreis von 1 Million Franken, wovon die Hälfte aus Eigenkapital stammt, muss der Käufer seiner Bank jährlich 100 000 Franken abbezahlen, dazu kommen zusätzlich 25 000 Franken bei rund 5 Prozent Zinsen. Der Nachfolger muss also mit der Firma einen Reingewinn von 125 000 Franken pro Jahr erzielen – ein stattlicher Betrag.

Die Bewertung ist vielschichtig

Um ein Unternehmen zu bewerten, gibt es viele Methoden. In der Schreinerbranche kommt oft die Praktiker-Methode zum Zug: Dabei wird der Substanzwert der Firma – das Eigenkapital inklusive der stillen Reserven – mit dem durchschnittlichen Ertragswert der letzten fünf Jahre addiert. Für den Preis sind letztlich aber weitere Faktoren massgebend: Sind wichtige betriebliche Investitionen getätigt? Stehen kurzfristig hohe Investitionen in Maschinen oder Informatik an? Wie stark ist die Abhängigkeit vom Inhaber? Ein Unternehmen mit einem breit abgestützten Vertriebsteam ist für einen Käufer attraktiver, als wenn alle Fäden beim Inhaber zusammenlaufen. Wie vielfältig ist die Kundenstruktur? Kunden mit mehr als 15 Prozent Anteil am Umsatz bedeuteten oft ein Klumpenrisiko.

Diese Auflistung ist längst nicht abschlies-send und viele weitere Faktoren können den Preis beeinflussen. So hat auch das Nachfolgemodell einen erheblichen Einfluss auf die Preisgestaltung: Der Preis hängt vom persönlichen Verhältnis zwischen Vorgänger und Nachfolger ab. Den höchsten Preis bezahlen, laut der Studie von 2016 «Unternehmensnachfolge in der Praxis» der Credit Suisse, externe Nachfolger und strategische Investoren. Kaufen Mitarbeitende den Betrieb, erhalten diese durchschnittlich einen Rabatt von 27 Prozent. Besonders günstig können Familienmitglieder das Unternehmen übernehmen, sie erhalten im Durchschnitt einen Discount von 41 Prozent des Marktpreises.

Die familiäre Dimension

75 Prozent aller KMU-Betriebe werden gemäss der Studie der Credit Suisse von Familien geführt. Bei Familienbetrieben sind das Unternehmen, die Familie und die Finanzen eng miteinander verknüpft und die Grenzen zwischen Eigentum und Geschäftsleitung oft fliessend. Dieses Konstrukt an die nächste Generation zu übergeben, verlange eine hohe Professionalität und Ehrlichkeit, sagt Franziska Müller Tiberini. Die Gründerin der Beratungsfirma «Familienunternehmen» unterstützt familiengeführte Betriebe bei der Nachfolge. Dabei gehören Konflikte dazu. «Konflikte zu haben, ist normal. Keine Konflikte – das ist nicht normal», weiss Müller Tiberini aus ihrer Beratungstätigkeit. Ungelöste Streitigkeiten belasten nicht nur die Familie – oft über mehrere Generationen hinweg –, sondern schaden auch dem Unternehmen. Um das zu vermeiden, rät Müller Tiberini zu einer möglichst offenen Kommunikation.

Gemeinsam Strategien entwickeln

Um die Kommunikation zu fördern, hat Müller Tiberini gemeinsam mit einer Geschäftspartnerin den «Family Business Compass» entwickelt. Das Kartenset umfasst Fragen zu den Kernbereichen Familie, Unternehmen, Kapital und Individuum.

Innerhalb der Familie sollen diese Aspekte spielerisch besprochen und gemeinsam eine Strategie für den Nachfolgeprozess gefunden werden. Dieses Instrument setzt die Unternehmensberaterin regelmässig bei Workshops ein. Gerade Familien, die ungeübt sind, Bedürfnisse und Ängste miteinander zu besprechen, würden davon profitieren, wenn ein Mediator die Gespräche steuert und wo nötig vermittelt.

Zwei Brüder übernehmen die Leitung

Anfang 2019 ist das Familienunternehmen Klarer Fenster AG in die Hände der nächsten Generation übergeben worden. Ludwig Klarer, der bisher den Betrieb mit Josef Klarer geführt hatte, hat sich mit 62 Jahren frühpensionieren lassen. In seine Fussstapfen treten die Söhne von Josef Klarer, Adrian und Rafael Klarer. Sie führen nun gemeinsam mit ihrem Vater den St. Galler Fensterbetrieb mit 60 Mitarbeitenden.

Von klein auf wollten die beiden Brüder im Familienbetrieb arbeiten. «An den Wochenenden und in den Ferien begleiteten wir unseren Vater in die Werkstatt. Wir spielten oder halfen mit, wo wir konnten. Mit vielen Mitarbeitenden sind wir praktisch aufgewachsen», erzählt Adrian Klarer. Auch ihr Berufsweg zielte bereits früh darauf ab, später im Betrieb zu arbeiten und dort Verantwortung zu übernehmen. Der 31-jährige Adrian Klarer machte wie schon sein Vater vor ihm die Schreinerlehre. Anschliessend bildete er sich zum Holztechniker weiter und nach Praktika in der Branche übernahm er 2013 die Funktion als Projektleiter. Sein um zwei Jahre jüngerer Bruder Rafael absolvierte eine kaufmännische Lehre bei einem Glashersteller und studierte danach Betriebswissenschaften an der Fachhochschule.

Aufgaben klar verteilen

Die Nachfolgereglung der Firma Klarer Fenster AG zeigt, wie Kinder einer Unternehmerfamilie früh in den Betrieb eingebunden sein können. Für die Unternehmensberaterin Müller Tiberini braucht es etwas Geschick, aber auch Glück, den richtigen Umgang zu finden; die Kinder nicht zu stark zu beeinflussen und ihnen dennoch einen Bezug zum Unternehmen zu geben und zur gegebenen Zeit auch die Chance, dort zu arbeiten. Aufgrund ihrer Ausbildung war von Beginn an klar, dass Adrian Klarer die technischen Aufgaben übernehmen wird und Rafael die kaufmännischen. Ihr Vater Josef Klarer leitet nach wie vor den Vertrieb. Vor drei Jahren, als die geplante Nachfolge aktuell wurde, haben die Klarers eine Tätigkeitsliste erstellt. Die beiden Geschäftsleiter trugen zusammen, welche Aufgaben sie wahrnehmen, wie zeitaufwendig diese sind und wer diese später übernehmen soll. «An diese Liste haben wir uns bis zum Schluss gehalten», erzählt Rafael Klarer. Das habe eine grosse Transparenz geschaffen – es war immer klar, welche Aufgaben bereits übergeben worden waren und was es noch zu tun gab. Bereits vom ersten Tag an waren die Brüder in die Entscheidungen und Prozesse der Firma involviert. Das gab ihnen die Möglichkeit, langsam in die neue Verantwortung reinzuwachsen und von der Erfahrung der älteren Generation zu lernen.

«Unseren Onkel Ludwig konnten wir oft zu Gesprächen mit Lieferanten und Kunden begleiten. So konnten wir von seinem Verhandlungsgeschick lernen und haben bei den Treffen unsere Geschäftspartner sehr gut kennengelernt», sagt Adrian Klarer.

Unternehmerische Ziele gesetzt

Als es daran ging, die Übergabe der Firma vorzubereiten, schätzte ein Unternehmensberater deren Wert und erstellte daraufhin einen ersten Vertragsentwurf. Der Unternehmenswert setzte sich aus dem Wert des operativen Geschäftes und der Immobilien zusammen. In einem nächsten Schritt wurde von den Nachkommen ein Businessplan erstellt und versucht, die kommenden Jahre zu prognostizieren. Dieses Instrument diente einerseits den Parteien dazu, die Finanzierung mit einer Bank in Angriff zu nehmen und gleichzeitig strategische Leitplanken und unternehmerische Ziele zu setzen. Während des Prozesses liessen sich beide Parteien – der übergebende Ludwig Klarer und die übernehmenden Brüder von je einem Berater unterstützen. Für die Bank war bei der Kreditvergabe entscheidend, dass die Nachfolge des Unternehmens sauber geregelt sei und zwei Junge zukünftig die Geschicke der Firma leiten würden.

Abschied und Neuanfang

Die Verabschiedung von Ludwig Klarer wurde mit einem grossen Fest gefeiert. Mitarbeitende, Lieferanten und Partner waren nach St. Gallen eingeladen. An diesem Anlass wurde auch die neue Geschäftsleitung vorgestellt. Während Ludwig Klarer nun mit dem Motorrad durch Nordamerika tourt, nehmen die neuen Geschäftsleiter sachte erste Veränderungen vor.

An den wöchentlichen Teamsitzungen soll die Belegschaft besser miteinbezogen werden und auch bei der internen Ausbildung rüsten die Brüder auf. Doch grosse Umbrüche seien nicht zu erwarten, sagt Adrian Klarer: «Wir sind dieselbe Familie mit den gleichen Werten».

www.klarer.chwww.ruepp.chwww.familienunternehmen.ch

Hilfe bei der Vorbereitung

Durch den VSSM: Beim VSSM erhalten Schreiner eine Unternehmensbewertung als Grundlage für ihre Verkaufs- und Übergabegespräche. Sie basiert auf der bereinigten Bilanz und Erfolgsrechnung. Berücksichtigt werden die Marktsituation sowie das Potenzial des Unternehmens. Ein kostenloses Angebot ist erhältlich unter 044 267 81 30 oder unter daniel.furrer[at]vssm[dot]ch.

Durch die HFB: An der HF Bürgenstock können die Schreiner in einem Seminar mit drei Blöcken à zwei Tagen einen Businessplan erstellen. Inputs durch zwei Referenten wechseln sich ab mit einem Erfahrungsaustausch in der Gruppe sowie der aktiven Bearbeitung der jeweiligen Themen innerhalb des eigenen Businessplans. Ergänzt wird die Erarbeitung durch ein aktives Coaching zwischen den einzelnen Seminarblöcken.

www.vssm.chwww.hfb.ch

ho

Veröffentlichung: 27. Juni 2019 / Ausgabe 26/2019

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