Ein prägendes Element

Eine stimmige Rückwand ist das i-Pünktchen einer gelungenen Küche. Bild: Noah J. Gautschi

Rückwände.  In der Praxis wird die Rückwand oft etwas stiefmütterlich behandelt und erst spät in die Planung miteinbezogen. Richtig und frühzeitig eingesetzt, kann sie als Verkaufsargument dienen und den Kunden gezielt abholen.

Die Korpusse sind ausgerichtet und fix mit dem Sockel verbunden, die Arbeitsplatte und Sichtseiten sauber montiert und auch die Armaturen und das Kochfeld sitzen teilweise schon am definitiven Platz. Erst dann wird die Küchenrückwand zum Thema. Dieses Vorgehen birgt jedoch Risiken, die mit einer abgestimmten Planung einfach verhindert werden können. Je nach Typ kann die Rückwand bei einer Nichtbeachtung in der Planung später nur noch sehr mühsam eingesetzt werden. Auch im Verkauf werden interessante Möglichkeiten in der Gestaltung und individuelle Anpassungen ausgelassen.

Eine verpasste Chance

Schaut man verschiedenen Küchen bewusst auf die Rückwand, wird man erstaunt feststellen, wie gross deren Einfluss auf das Erscheinungsbild des gesamten Raumes ist. Trotzdem wird die Rückwand meist erst ganz am Ende des oft drei- bis vierstündigen Verkaufs- und Planungsgesprächs mit der Kundschaft thematisiert und noch schnell ausgesucht. «Zu diesem Zeitpunkt sind alle Beteiligten müde und die Entscheidungen fallen nicht mehr so klar aus», sagt Hanspeter Zbinden, Geschäftsführer der EK Küchen AG aus dem aargauischen Hunzenschwil. «Deshalb machen wir beim Verkaufs- gespräch nur eine Grobstudie und treffen die Entscheidung anschliessend in einem zweiten Schritt direkt auf der Baustelle gemeinsam mit unseren Kunden.» Durch die Grobstudie kann der Planer die Auswahl vorgängig einschränken und gleich passende Muster mit auf die Baustelle nehmen. Zudem kann auf diese Weise die Wirkung des Materialmusters direkt vor Ort angeschaut werden. «Diesen Arbeitsschritt kann der Schreiner einfach mit einem Termin für die Massaufnahme verbinden», sagt Zbinden. Diese Vorgehensweise minimiert auch allfällige Reklamationen betreffend eines falschen Musters oder differenzierter Farbeinschätzungen.

Nutzung mit System

Ein kleiner Rückwand-Trend zeigte sich an der Fachmesse LivingKitchen 2019 in Köln. Dort präsentierten viele grosse Küchenhersteller Rückwandlösungen mit Reling- und Stauraumsystemen. Damit kann dem Kunden eine angepasste Lösung für den oftmals benötigten Stauraum angeboten werden. Solche Lösungen bedingen durch ihre Aufbauhöhe eine um das System tiefere Arbeitsplatte, welche natürlich schon in der Planung bedacht werden muss. Zudem ist es wichtig, dass die zusätzlichen Beschläge qualitativ dem Küchenklima standhalten und sich auch konstruktiv nirgends Wasser, Fette oder Staub festsetzen, die zu Schäden führen. Hier sind Lösungen, die zur Reinigung einfach demontiert, weggeschoben oder ausgehängt werden können, von Vorteil. Momentan sind solche Lösungen beim Grossteil der Schweizer Kundschaft noch nicht gefordert. Diese setzt, bedingt durch die begrenzten Platzverhältnisse in Schweizer Wohnräumen, vermehrt auf klassische Rückwandvarianten.

Zu 80 Prozent aus Glas

Bevor man sich über die Muster, Farben und die Konstruktion Gedanken macht, kommt die Materialwahl. Hier gibt es viele spannende Hersteller und Lösungen auf dem Markt. Wichtig sind die Qualität und Beständigkeit sowie die konstruktiven Möglichkeiten. «Bei unseren Küchen bauen wir zu 80 Prozent Glasrückwände ein, welche wir direkt durch unseren Glaser messen und einbauen lassen», sagt Zbinden.

In den letzten 20 Jahren wurden die Glasrückwände laufend verbessert und angepasst. Fehler wie durchscheinende Klebepunkte und Kondenswasserbildung hinter der Scheibe sollten bei einem fachgerechten Einbau nicht mehr vorkommen.

Neue Materialmöglichkeiten

Die Werkstoffhersteller entwickeln ihre Produkte immer weiter, und so kommen auch im Küchenrückwand-Bereich laufend Lösungen hinzu. «Neue Materialien sollten immer zuerst intern geprüft werden», rät Hanspeter Zbinden, denn: «Eigenschaften wie die Hitze- und Feuchteverträglichkeit sowie die Kratzerunempfindlichkeit sind elementar für den erfolgreichen Einsatz.» Zudem müssen die Materialien gut und einfach zu reinigen sein. Farblich stehen die Schweizer Kunden momentan auf die klassische weisse Rückwand. Aber auch Erd- und Grautöne kommen vermehrt zum Zug.

Die Rückwand kann aber auch gut als belebendes Element eingesetzt werden, wenn dem Kunden der Mut zur farbigen Front- oder zu einer ausgefallenen Arbeitsplatte fehlt. Ebenfalls interessant sind Rückwände mit Motiven. Sie beleben Gläser und andere Materialien und werden mittels Digitaldruck aufgebracht. So könnten sogar Bilder des Kunden die Rückwand zieren.

Neue Küchen ohne Rückwände

In modernen Grundrissen sind Küchen manchmal so geplant, dass sie gar keine klassischen Rückwände mehr benötigen. So wird zum Beispiel der Kochbereich direkt vor dem Fenster platziert, was eine herkömmliche Rückwand überflüssig macht. Auch bei Wohnküchen mit einer reinen Geräte- und Vorratswand entfällt die Küchenzeile mit Nischenrückwand – gearbeitet wird auf der Insel.

Neue Küchenformen bieten durch die veränderten Anforderungen mehr Platz für Sonderlösungen. Als Beispiel zu nennen sind abwaschbare oder magnetische Farben. Diese werden direkt auf die Wand aufgebracht und verleihen dem Kochraum einen atelierartigen Charakter. «Es sind ganz tolle Alternativen umsetzbar. Der Kunde muss jedoch immer darauf aufmerksam gemacht werden, dass solche Lösungen nicht gleich dauerhaft sind wie beispielsweise ein Glas und mehr Unterhalt benötigen», sagt Hanspeter Zbinden.

Ein zentraler Punkt bei der Auswahl ist die Materialkenntnis des Schreiners. Nur wenn er die spezifischen Eigenschaften kennt, kann er ein auf die Bedürfnisse des Kunden abgestimmtes Angebot erarbeiten. Durch das vielfältige Angebot auf dem Markt kann der Schreiner neben Glas, Mineralwerkstoff, Stein und Fliesen auch tolle Lösungen mit Alternativprodukten anbieten, wenn die Qualität die Anforderungen erfüllt.

www.elementkuechen.ch

Selbstbearbeitbares Glas

Das flexible Glaslaminat «Rauvisio Crystal» von der Rehau AG kompensiert die Nachteile von Echtglas und verbindet diese mit den positiven Eigenschaften thermoplastischer Laminate. Das Glas ist flexibel und eignet sich für verschiedene Bereiche im Innenausbau, da es einfach mit herkömmlichen Holzbearbeitungswerkzeugen verarbeitet werden kann. Das Laminat ist kratzfest, farbstabil und kann sogar mit Whiteboard-Markern beschrieben werden. Das 4 Millimeter dicke Material ist bis zu zehnmal bruchsicherer als Glas und zusätzlich in einer magnetischen Variante erhältlich.

www.rehau.com

Riesige Auswahl an Oberflächen

Die Nischenrückwandplatten «Spa by Formex» von der gleichnamigen Formex AG sind in vielfältigen Dekoren, Farben, Strukturen und Oberflächen erhältlich. Neu wird der ursprüngliche Glasfaserträger durch einen Composite-Werkstoffträger ersetzt und ist dadurch noch angenehmer zu verarbeiten. Das Material ist weiterhin mit Holzverarbeitungswerkzeugen bearbeitbar. Die leichten Platten können zur Montage direkt auf den bestehenden Wanduntergrund geklebt werden. Die HPL-Oberflächen sind resistent gegen Kratzer, schlagfest, fleckenunempfindlich, hygienisch und, aufgrund der wenigen Fugen, ideal zu reinigen.

www.formex.ch

HPL mit Alu-Einlage

Der HPL-Werkstoff «Kompakt Plus» von der Argolite AG ist beständig gegen starke Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen. Durch eine Aluminiumfolieneinlage wird beidseitig das Eindringen von Feuchtigkeit in den Phenolkern verhindert, wodurch der Einfluss des Klimas geringer und die Verwindungssteifigkeit höher als bei Standard-HPL-Werkstoffen ausfällt. «Kompakt Plus» eignet sich dadurch vor allem in Nass- und Feuchträumen und kann neben Küchenrückwänden unter anderem auch für Badezimmerverkleidungen verwendet werden. Je nach Beschaffenheit kann der Werkstoff direkt auf den bestehenden Untergrund oder eine Unterkonstruktion geklebt werden.

www.argolite.ch

njg

Veröffentlichung: 13. Juni 2019 / Ausgabe 24/2019

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