Ein vermeidbares Schadensrisiko

Wenn im Fensterbereich ein Schaden auftritt, ist dieser zu 90 Prozent im unteren Anschlussbereich zu finden. Bild: Fensterinform GmbH

Fensteranschlüsse.  Über unglaubliche 500 Millionen Franken beträgt die Schadensumme, die bei den Bauanschlüssen im Fensterbereich pro Jahr entsteht. Woran das liegt und wie mögliche Schäden verhindert werden können, erklärt uns ein Branchenfachmann.

Der grösste Risikofaktor bei der Entstehung von Baumängeln sind die Anschlussarbeiten. Diese Tatsache bestätigt sich leider auch im Fensterbereich. Baumängel verursachen pro Jahr Bauschäden von cir-ca 1,6 Milliarden Franken. Die zwei mit Abstand grössten Schadenbereiche sind mit etwa 230 Millionen Franken der Bereich Fensterelemente und mit circa 315 Millionen Franken der Bereich Terrassen und Balkone.

Eine Ursache für die Zunahme von Schadenfällen sind neben unsachgemäss geplanten und ausgeführten Arbeiten auch die veränderten Anforderungen und Ansprüche der architektonischen Gestaltung und Planung.

Kein Platz für konstruktiven Schutz

In der modernen Architektur wird vermehrt auf die optische Erscheinung geachtet anstatt auf die Einhaltung konstruktiver Grundregelungen. So wird zum Beispiel nur noch sehr selten auf die Gebäudeausrichtung respektive auf die Fensteranordnungen auf der Wetterseite geachtet. Die Gebäudefassaden und Fenster sind durch die fehlenden Dachüberhänge sehr exponiert und ungeschützt der Witterung ausgesetzt. Hinzu kommt, dass die immer grösseren und flächenbündigeren Fensterelemente mit geringem Rahmenanteil nur noch wenig Platz für die notwendigen Anschlussarbeiten bieten und bodenebene Schwellenausführungen im Terrassenbereich eine enge Zusammenarbeit mit anderen Handwerkern voraussetzen. Die immer dampfdichteren Fassadensysteme und die Verwendungen von unterschiedlichen Materialien, welche aufeinandertreffen, erhöhen die Fehleranfälligkeit zusätzlich.

Der anfällige untere Anschluss

Von der zu Beginn erwähnten Schadensumme im Fenster- und Terrassenbereich von über 500 Millionen Franken pro Jahr finden sich die Schäden zu einem grossen Teil im unteren Anschlussbereich. Bei den seitlichen und oberen Anschlüssen geschehen zwar ebenfalls Fehler, diese sind jedoch mit einfachen planerischen Mitteln und einer korrekten Montage vermeidbar. Ein Grund für die erhöhte Gefahr im Bodenbereich ist das nötige Zusammenspiel unterschiedlicher Handwerker und die bauphysikalischen Eigenschaften, die in der Planung beachtet werden müssen. Von der Planung über das Fenstersystem bis zur Montage reicht eine kleine Unachtsamkeit, damit ein Schaden entsteht.

Interview: Fensteranschlüsse

Der Fachmann. Josef Knill ist Inhaber und Geschäftsführer der Fensterinform GmbH in Siegershausen TG sowie Co-Präsident des Schweizerischen Fachverbandes Fenster- und Fassadenbranche FFF. Dank seiner vielseitigen Arbeit verfügt er über eine grosse Erfahrung und Branchenkenntnis im Bereich Fenster und Fensteranschlüsse.

Schreinerzeitung: Herr Knill, Sie führen mit Ihrer Firma seit 14 Jahren Expertisen in Schadenfällen durch. Wo liegt die Hauptproblematik, weshalb geschehen so viele Schäden im Bereich der Fenster- anschlüsse?

Josef Knill: Ich rede ungern von einer Problematik, es ist vielmehr eine grosse Herausforderung für alle beteiligten Planer und Handwerker. Durch die Dichtigkeit der Gebäudehülle fungieren die Fensterelemente wie ein Ventil. Wenn in diesem Bereich Fehler geschehen, kann das bei bestimmten Einflüssen zum Schaden führen. Bei grossen Gebäuden kann die Schadensumme für die Sanierung sehr hoch ausfallen und die beteiligten Handwerker an die Grenzen der Belastbarkeit bringen.

Welche Bereiche sind nach Ihren Erfahrungen die Hauptauslöser für die vorkommenden Anschlussfehler, welche später zu Schäden führen?

Die Anschlussplanung eines Fensters wird oftmals komplett unterschätzt. Hier ist wahrscheinlich als Hauptursache der Baufehler zu finden. Wenn wir Expertisen vornehmen, unterteilen wir Schäden in folgende drei Bereiche: die Planung, das eingesetzte System und die Anschlüsse. Alles muss korrekt sein, damit ein funktionierendes Bauteil entsteht.

Gehen wir diese Punkte der Reihenfolge nach durch. Wo gibt es Verbesserungspotenzial in der Fensterplanung?

Es müssen alle Leistungsanforderungen bekannt sein, um eine Planung korrekt und vollständig ausführen zu können. Zu Beginn sind jedoch meist nur ganz wenige Punkte bekannt, die das Fenster und der Anschluss schlussendlich erfüllen müssen. Wenn bei der Eingabe die Anforderungen noch nicht bekannt sind, empfehle ich, eine offizielle Startsitzung durchzuführen, sobald mit der Planung angefangen wird. Das sind meistens herausfordernde Sitzungen, doch wenn schlussendlich alle Beteiligten ihre Zuständigkeiten und Aufgaben kennen, kann speditiver gearbeitet werden. Die Architekten und Planer nehmen diese Hilfestellung seitens des Unternehmers meistens sehr dankbar auf.

Bedeutet das, dass der Handwerker die Verantwortung und die Planung für den Architekten übernehmen muss?

Nein, aber wenn beispielsweise eine umfangreiche Fensterfront nicht normgerecht angeschlossen werden kann, weil die Anschlusshöhen nicht stimmen oder die Klebeflächen nicht gegeben sind, dann hat der Fensterbauer ebenfalls eine grosse Herausforderung zu meistern und Mitverantwortung zu tragen. Eine Planung mit allen dazugehörigen Bereichen ist ein gutes Mittel zur Fehlererkennung und zeigt auch den anderen Handwerkern, was bei dem jeweiligen Fenstersystem zu beachten ist. Zeichnet der Fensterbauer nur seine Fensterrahmen ohne die dazugehörige Fassade und ohne Anschlussausführungen, können die Anschlüsse und Übergänge erst auf dem Bau als Ganzes gesehen werden. Dann ist es jedoch oftmals zu spät, um noch zu reagieren. Wir empfehlen die Visualisierung in 3D, so können wir die Übergänge im Eckbereich und zu den anderen Bereichen genau einsehen und optimieren.

In diesem Planungsbereich empfehlen wir die Zusammenarbeit mit dem Systemhersteller. Denn der Fensterbauer benötigt für die korrekte Planung die Detailkonstruktionen der Systeme. Sind diese für unterschiedliche Einbausituationen erstellt, kann der Fensterbauer dem Architekten, Fachplaner und den anderen Handwerkern die benötigte Bausituation für das jeweilige Fenstersystem genau angeben oder dessen Daten zur Verfügung stellen.

Welche Punkte müssen konstruktiv in der Planung eines modernen Fensters beachtet werden?

Wichtige Hauptpunkte sind die Hinterläufigkeit, die Materialverträglichkeit und die Dilatation. Die Konstruktion darf nicht hinterläufig sein, es darf also kein Wasser und keine Feuchtigkeit hinter die wasserführende Ebene geraten. Kommen unterschiedliche Materialien gemeinsam zum Einsatz, müssen diese laut Produktenorm einen Materialverträglichkeitsnachweis besitzen. Und bei Materialkombinationen muss auf die unterschiedlich starken Bewegungen geachtet werden, da ansonsten die Anschlussfugen aufreissen können. Dem Fensterbauer und Planer muss bewusst sein, dass die Verwendung unterschiedlicher Materialien in der Planung beachtet werden muss.

Dann haben die technisch bedingten Materialkombinationen bei Fenstern grosse Auswirkungen auf den Anschluss?

Ja. Je nach Material muss beispielsweise zum Abdichten auf Bitumen oder Flüssigklebstoff zurückgegriffen werden. Kommen jetzt zwei Materialien zusammen, welche je nur ein Abdichtmittel vertragen, führt das zu Problemen. Es muss also in jedem Bereich, wo zwei oder mehrere Materialien aufeinandertreffen, genauer hingeschaut werden.

Zu den Fenstersystemen: Gibt es heut- zutage noch Unterschiede bei der Systemwahl, und was muss man hier beachten?

Wichtig ist zu wissen, dass das eingesetzte System grosse Auswirkungen auf die restliche Planung und die Anschlüsse hat. Wechselt man während der Bauphase das Fenstersystem, müssen alle Anschlussdetails überprüft und bei Bedarf angepasst werden. Hier muss ich jedoch lobend erwähnen, dass praktisch alle Systemhersteller sehr bemüht sind, dem Fensterbauer alle benötigten Angaben und Details für eine saubere Planung und Montage zur Verfügung zu stellen.

Worauf sollte der Fensterbauer bei der Systemwahl weiter achten?

Das System muss auf den benötigten Bauanschluss ausgelegt sein. Ist zum Beispiel aus konstruktiver Sicht ein Flachdachanschluss mit dem Fenstersystem nicht möglich, muss ein anderes gesucht werden. Nach meiner Erfahrung passen die Hersteller ihre Systeme gerne an, benötigen dafür in der Regel jedoch einiges an Zeit, was bei grossen Anpassungen bis zu einem Jahr gehen kann. Weiter ist es wichtig, dass genügend grosse Anschlussflächen für den normgerechten Anschluss vorhanden sind.

Der dritte Bereich, in dem Fehler entstehen, ist der eigentliche Anschluss, also die Montage. Wo sehen Sie hier die Herausforderungen?

Leider ist es manchmal auch einfach eine Frage der Sorgfalt. Ich sehe oftmals, dass das, was auf dem Bau eingesetzt wird, nicht der Planung entspricht. So werden zum Beispiel andere Schrauben, Dübel, Kitte oder Dichtungsbänder verbaut, nur weil die erforderlichen gerade in der Montagekiste fehlen. Bei solchen Fehlern ist nach meiner Erfahrung das Montagewissen der eingesetzten Monteure meistens ungenügend, da sie gar nicht oder nur unregelmässig geschult werden.

Hat dies mit der Komplexität von moder- nen Anschlüssen zu tun?

Nein, die Thematik ist nicht komplex, sie ist kompliziert. Komplex wird die ganze Sache erst, wenn ein Schaden auftritt. Aber die Zusammenführung der unterschiedlichen Branchen ist eine grosse Herausforderung, die so früh wie möglich in der Planung geregelt werden muss.

Wie sieht es mit der Wartung der Bauanschlüsse aus?

Ein Bauanschluss kann in vielen Fällen nicht gewartet werden, da er meistens nach Beendigung der Bauphase beispielsweise unter einem Terrassenaufbau oder Steckwetterschenkel verdeckt liegt. Deshalb ist es wichtig, dass dieser korrekt ausgeführt wird. Eine Kittfuge hält circa 10 Jahre dicht, ein Fenster hat jedoch eine Einsatzdauer von 50 Jahren. Ein Fenster sollte also auch ohne Schenkel und weitere Verschalungen dicht sein und kein Wasser hinter die Dichtungsebene lassen.

Das ist eine riesige Aufgabe für die Anschlüsse.

Ja, Anschlüsse an den Baukörper müssen mindestens die Anforderungen, die an das Fenster gestellt werden, erfüllen. Das bedeutet: Schlagregendichtheit, Luftdurchlässigkeit, Schall-, Wärme-, Brand- und Einbruchschutz usw. müssen funktionieren.

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www.fensterinform.ch

www.fff.ch

Veröffentlichung: 16. November 2017 / Ausgabe 46/2017

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