Eine Küche, die klappt

Klappe ist nicht gleich Klappe. Varianten in der Ausstellung der MB Martin Bruggisser AG. Bild: Monika Hurni

Klappen.  Es gibt weder die eine Küche noch die eine Klappe. In ihren vielfältigen Variationen bieten die nach oben öffnenden Fronten eine spannende Alternative zu den herkömmlichen Drehtüren. Dies sowohl im Design als auch beim Bedienungskomfort.

Schlaftrunken im Pyjama und den ausgetretenen Fellpantoffeln in die Küche wanken, das Knöpfchen der Kaffeemaschine drücken, um gleich danach mit dem Kopf gegen das offen gelassene Oberschranktürchen zu stossen. Und während sich eine schmerzhafte Beule bildet, fragt man sich, ob Klappen nicht doch die bessere Alternative zu den herkömmlichen Drehtüren gewesen wären. Eine Frage, die man sich bei der Planung einer Küche durchaus stellen sollte.

Die Küche im Wandel

Die Küche habe sich in den vergangenen Jahren sehr verändert, sagt Martin Bruggisser, Inhaber der MB Martin Bruggisser AG im aargauischen Wettingen. Früher seien Oberbauten mit Drehtüren der Standard gewesen. «Heute verzichten unsere Kunden bei einem Grossteil der Küchen ganz auf die Oberbauten oder setzen auf Klappen.»

Diese haben gegenüber den Drehtüren den Vorteil, dass die Fronten im geöffneten Zustand nicht im Weg stehen. Dies ist gerade auch in einem Mehrpersonenhaushalt angenehm, da man sich beim gemeinsamen Kochen durch das Öffnen der Türchen nicht ständig in die Quere kommt. Auch in der Gestaltung eröffnen die Klappen neue Möglichkeiten. «Konstruktionen mit Klappen wirken oft leichter und eleganter als solche mit Drehtüren», sagt Bruggisser. Ein Grund dafür ist, dass sie beim Öffnen Raum nach oben brauchen und so keinen allzu wuchtigen Eindruck hinterlassen.

Entscheidungskriterien

Oberbauten mit herkömmlichen Drehtüren werden hingegen oft mittels Blende an die Decke angeschlossen. Das wirkt weniger filigran. Dafür kann die volle Raumhöhe ausgenutzt und der oberste, schwer erreichbare Teil des Schrankes als Stauraum genutzt werden. Ausserdem erübrigt sich so das Abstauben auf den Oberschränken.

Der Bedarf an Stauraum ist laut Bruggisser neben dem Komfort eines der beiden wichtigsten Entscheidungskriterien. Das zweite ist der Preis. Während Drehtüren in einfachster Weise mit den bewährten Topfbändern realisiert werden können, benötigt es bei den Klappen, je nach Konstruktionsart, ausgeklügelte Beschläge, damit die Funktion gesichert ist. Dies schlägt sich dann auch in den Kosten nieder.

Die Öffnungsarten im Überblick

Die Klappen werden entsprechend ihrer Bewegungsart in die folgenden vier Kategorien eingeteilt: Dreh-, Falt-, Schwenk- und Liftklappen.

Drehklappe: Sie ist die wohl einfachste und gängigste Konstruktion. Die einteilige Front wird mittels Klappenscharnier nach oben oder gegebenenfalls nach unten geklappt. Die Drehklappe basiert auf der klassischen Konstruktion beim antiken Sekretär, wo das Frontelement mittels spezieller Zapfenbänder oder auch einfach mittels Klavierband nach unten geklappt wurde und als Schreibunterlage diente. Wie der Name schon sagt, entspricht die Drehklappe in der Öffnungsart der normalen Schranktür, einfach um 90 Grad gedreht. Die Drehklappe war bereits in Grossmutters Küche zu finden. Dies meist oberhalb des Kühlschrankes. Sie eignet sich auch für hohe Oberbauten, da sie nicht viel Luft nach oben braucht.

Faltklappe: Auf einem ähnlichen Prinzip wie die Drehklappe basiert die Faltklappe. Allerdings ist die Front zweiteilig und wird beim Öffnen in der Mitte zusammengefaltet. Sie eignet sich deshalb für hohe Oberschränke. Auch die Faltklappe kann im Öffnungswinkel so begrenzt werden, dass sie oberhalb des Kästchens nicht allzu viel Luft benötigt. Allerdings ist der Spielraum bei diesem System sehr beschränkt, weil der untere Teil der Klappe ohnehin im Licht des Kastens stehen bleibt.

Schwenkklappe: Bei dieser Konstruktion schwenkt die einteilige Front über den Oberschrank. Das erfordert zwischen Kästchen und Decke sowohl in der Höhe als auch in der Tiefe ausreichend Platz. Deshalb ist ihr Einsatzgebiet beschränkt. Sie eignet sich insbesondere für grosse Fronten, da diese durch die Schwenkbewegung beim Öffnen viel weniger weit in den Raum ragen als beispielsweise die Drehklappe.

Liftklappe: Die Liftklappe besteht aus einer einteiligen Front, die parallel zum Korpus nach oben bewegt wird. In ihrer klassischen Anwendung dient sie dazu, Mikrowellen oder sonstige Elektrogeräte zu verdecken. Werden diese gebraucht, so kann die Liftklappe ganz einfach aus dem Arbeitsfeld geschoben werden, ohne dem Benutzer in die Quere zu kommen.

Die Klappe als Gestaltungselement

Laut Harald Küper, Leiter Produktmanagement und Anwendungstechnik beim österreichischen Beschlägehersteller Grass, haben die Dreh- und Faltklappen den grössten Anteil am Markt. «Die Drehklappe wird meist bei Schränken bis 600 Millimeter Höhe eingesetzt», erklärt er. Danach wechsle man zur Faltklappe. «Diese hat den Vorteil, dass sie dem Kunden beim Öffnen nicht so sehr entgegenkommt, weil der untere Teil der Klappe einknickt. Ausserdem wirkt die zweigeteilte Klappe bei hohen Fronten gefälliger im Design, weil sie die Front, ähnlich wie die Schubladen in den Unterbauten, horizontal teilt.» Mit der Nachbildung des horizontalen Fugenbildes spricht Küper einen weiteren Vorteil der Klappen an. Dass man die Lift- und die Schwenkklappen nicht mehr so häufig sieht, könnte am Platzbedarf oberhalb der Kästchen und der damit verbundenen Einschränkung in der Gestaltung liegen.

Die vorgängig erwähnte Klappe in Grossmutters Küche wurde mechanisch geöffnet und kannte in der Regel schlicht und einfach den offenen oder den geschlossenen Zustand. Im Gegensatz dazu lassen sich heute die meisten Klappen in beliebiger Position arretieren. Mit dem Einzug der grifflosen Fronten ging auch das Bedürfnis nach einer elektrischen Öffnungsunterstützung einher. Heute verfügt fast die Hälfte aller Klappen über eine solche Unterstützung. Sie bietet einen grossen Komfort. Ein kurzes Antippen der Klappe genügt, damit sich diese selbstständig öffnet. Das ist insbesondere dann praktisch, wenn man die Hände bereits voll hat.

Elektrische Unterstützung

Je nach Einbausituation und Grösse der Personen, welche die Küche nutzen, ist die elektrische Unterstützung fast unverzichtbar. Dann nämlich, wenn die Klappe in geöffnetem Zustand so hoch liegt, dass sie nicht mehr erreichbar ist. Bei elektrischer Unterstützung genügt zum Schliessen ein Knopfdruck auf den Funkschalter, der meist im unteren Bereich der Korpusseite angebracht ist. Mittels Kollisionserkennung können Hindernisse erkannt und Verletzungen vermieden werden. Denn stösst die Klappe beim Öffnen oder beim Schliessen auf einen Widerstand, so wird der Vorgang sofort abgebrochen. Klappen mit elektrischer Unterstützung können auch manuell bedient werden, und die Hilfe kann bei Bedarf deaktiviert werden. Dies ist besonders beim Reinigen der Fronten wichtig.

Klappen mit elektrischer Unterstützung bieten einen hohen Komfort, doch auch sie haben nicht nur Vorteile. «Man erkauft sich den Komfort mit einem enormen Platzverlust im Schrank und nimmt hohe Kosten in Kauf», sagt Harald Küper. Mit dem Platzverlust und dem Preis spricht er exakt dieselben Kriterien an, die bereits bei der Wahl zwischen Drehtüren und Klappen im Vordergrund standen.

Je kleiner, desto besser

Während das Design bei der ersten Klappengeneration noch eher zweitrangig war, gilt heute: je kleiner und unauffälliger der Beschlag, desto besser. «Der Fokus des Betrachters soll auf dem Design des Möbels liegen und nicht auf dem Beschlag», sagt Küper. Auf diese Weise können die Klappenkonstruktionen vermehrt auch bei edlen Möbeln ausserhalb der Küche eingesetzt werden, so etwa mit dem verdeckten «Kinvaro T-Slim» von Grass oder dem grazilen, von Häfele und Kesseböhmer gemeinsam entwickelten «Free Space». Blum wiederum beweist mit dem «Aventos HK top», dass sich auch Beschläge mit elektrischer Unterstützung auf eine kompakte und formschöne Bauweise reduzieren lassen.

Verdeckte Konstruktion

Mit dem «Kinvaro T-Slim» hat Grass einen Klappenbeschlag mit einer minimalen Baugrösse von 12 Millimetern Breite entwickelt. Um diesen einzufräsen, ist lediglich eine Wandstärke von 16 Millimetern erforderlich. Dank der dünnen Abdeckung fügt sich der Beschlag bündig in das Möbel ein. Die Tasche kann mit einem CNC-Bearbeitungszentrum oder in naher Zukunft auch mittels Frässchablone in die Korpusseite eingefräst werden. Mithilfe eines Kunststoffadapters ist auch die aufgeschraubte Variante möglich. Der komfortable Öffnungswinkel von 107 Grad kann mit dem Öffnungswinkelbegrenzer an die Einbausituation angepasst werden. Dank integrierter «Tipmatic» ist der Beschlag auch bei grifflosen Fronten einsetzbar. Die Soft-close-Technologie sorgt für einen gedämpften Schliessvorgang. Die Montage der Front erfolgt werkzeuglos per Clip und kann mit der 3D-Verstellung justiert werden. Dank seiner extrem schmalen Konstruktion eröffnet der «T-Slim» völlig neue Design-Möglichkeiten und Einsatzbereiche. Dies insbesondere auch in Verbindung mit filigranen Aluminiumrahmen.

Graziler Klappenbeschlag

Mit dem «Free Space» hat das Häfele-Kesseböhmer-Joint-Venture einen grazilen Klappenbeschlag mit einer lichten Einbautiefe von nur 63 Millimetern entwickelt. Dies mit der Integration der Feder in den Hebelarm. Die aufs Wesentliche reduzierte Technik erleichtert auch die Montage. Dank Steckzapfensystem genügt im Korpus eine einzige, vormontierte Befestigungsschraube. Die Frontanbindung erfolgt über zwei Schrauben. Die Front lässt sich werkzeuglos montieren und demontieren und dreidimensional justieren. Der integrierte Öffnungswinkelbegrenzer gewährleistet die Anpassung an Körpergrösse oder an die baulichen Gegebenheiten. Dank der Multipositionsstopp-Funktion und der präzisen ein-stellbaren Federkraft hält die Klappe in jeder Stellung. Für ein sanftes Schliessen sorgt eine integrierte Schliessdämpfung. Für grifflose Fronten ist der «Free Space» auch in der «Push-to-open-Variante» erhältlich.

Ergonomie und Komfort

Der «Aventos HK top» von Blum bietet mit einer neu entwickelten Servo-Drive-Einheit den vollen Komfort des elektrisch unterstützten Öffnens und Schliessens. Die Front öffnet sich mit dem «Tip-on-System» durch leichtes Antippen und wird durch einen gut erreichbaren Schalter an der Korpusseite mit «Blumotion» sanft geschlossen. Der Beschlag verfügt trotz der integrierten Technik über eine erstaunlich kleine Bauform. Nah am Korpusoberboden montiert, fügt er sich mit geradlinigem Design dezent in den Schrank ein. Der Beschlag hat einen eingebauten Öffnungswinkelbegrenzer, und der stufenlose Stopp ermöglicht eine Arretierung an jeder beliebigen Position. Die Montage erfolgt je nach Fertigungsprozess mit vorinstallierten Systemschrauben oder mit integrierter Positionsfindung.

Mit Wissen punkten

Ob Drehtürchen oder Klappen, am Ende zählt die Zufriedenheit des Kunden. Der Schreiner kann aber auf jeden Fall punkten, wenn er dem Kunden die verschiedenen Möglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen aufzeigen kann.

www.mb-w.chwww.grass.euwww.haefele.chwww.blum.comwww.kesseboehmer.world

mh

Veröffentlichung: 30. April 2020 / Ausgabe 18/2020

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