Entlasten vor der Pensionierung

Auf der Baustelle tätige Berufsleute sind in der Regel stärkeren körperlichen Belas-tungen ausgesetzt. Bild: Shutterstock

Vorsorge.  In zwei Monaten entscheiden die VSSM-Delegierten, ob der neue Gesamtarbeitsvertrag Schreinerbranche mit Vorruhestandsmodell eingeführt wird. Die SchreinerZeitung erklärt anhand von Beispielen das System, die Finanzierung und die zu erwartenden Leistungen.

Die Schreinerbranche ist im ständigen Kampf um Fachkräfte und Nachwuchs starker Konkurrenz ausgesetzt. Arbeitszeitmodelle, Löhne und Zukunftsperspektiven sind Parameter, die bei der Berufswahl oder bei einem Wechsel der Arbeitsstelle entscheidend sind. Unter anderem deshalb ist das zur Abstimmung stehende Vorruhestandsmodell (VRM) zu prüfen, bringt es doch vor allem für ältere Arbeitnehmende einige Vorteile. Die Gegner des Modells sehen weitere Mehrkosten auf die Unternehmen zukommen.

Was ist ein Vorruhestandsmodell?

Das Vorruhestandsmodell für das Schreinergewerbe in der vorliegenden und ausgehandelten Version ist eine flexible Lösung. Sie bietet älteren Arbeitnehmenden, die aktiv in der Schreinerbranche tätig sind und fünf Jahre vor der ordentlichen AHV-Pensionierung stehen, die Möglichkeit, das Arbeitspensum anzupassen beziehungsweise zu reduzieren. Dies geschieht gemäss Modell im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber, den gegenseitigen Bedürfnissen und den physischen Möglichkeiten.

Die Möglichkeiten der Entlastung

Anspruchsberechtigt sind jene Arbeitnehmenden, die insgesamt 15 Jahre in einem dem Gesamtarbeitsvertrag Schreinerbranche (GAV) unterstellten Betrieb gearbeitet haben – davon die letzten sieben Jahre ohne Unterbruch. Auch eine freiwillige Anwendung auf Personen, die dem Gesamtarbeitsvertrag nicht unterstellt sind, wäre auf Antrag möglich.

Das von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu gleichen Teilen finanzierte Vorruhestandsmodell gäbe dem älteren Arbeitnehmer die Chance, frühzeitig etwas kürzer zu treten, die Belastungen des Arbeitsalltags abzufedern und die Balance zwischen Arbeit, Familie und Freizeit zu finden. Das VRM sieht vier verschiedene Möglichkeiten der Entlastung vor:

1. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann das zeitliche Arbeitspensum reduzieren.

2. Der Berufsarbeiter bleibt für bestimmte Tage in der Woche zu Hause.

3. Der Arbeitnehmende zieht sich für bestimmte Monate aus dem Arbeitsumfeld zurück.

4. Der Berufsarbeiter zieht sich frühzeitig aus dem Arbeitsprozess zurück und lässt sich frühpensionieren.

Finanziell abgefedert

Beim vorliegenden Vorruhestandsmodell für die Schreinerbranche würden Leistungen erbracht, welche die Reduktion des Arbeitspensums oder den vollen vorzeitigen Ruhestand ermöglichen beziehungsweise finanziell abfedern. Die Höhe der monatlichen Überbrückungsrente würde 60 % des entgangenen, leistungsbestimmenden Brutto-Monatslohnes entsprechen .

Der Umfang der Rente entspräche der prozentualen Reduktion des Beschäftigungsgrades. Jeder Leistungsbezüger hätte einen Maximalanspruch für eine kumulierte Arbeitspensumreduktion von 200 %, den er über die Bezugsdauer von höchstens fünf Jahren bis zur ordentlichen AHV-Pensionierung abrufen kann. Dies ermöglicht folgende Beispiele des maximalen Leistungsanspruchs (nicht abschliessend):

  • Bei einer Dauer von fünf Jahren: Reduktion des Pensums um maximal 40 %. Das heisst: 2 Tage pro Woche oder über das Jahr verteilt.
  • Bei einer Dauer von vier Jahren: Reduktion des Pensums um maximal 50 %. Das heisst: 2,5 Tage pro Woche oder über das Jahr verteilt.
  • Bei einer Dauer von drei Jahren: Reduktion des Pensums um maximal 67 %. Das heisst: 3,3 Tage pro Woche oder über das Jahr verteilt.
  • Bei einer Dauer von zwei Jahren: Reduktion des Pensums um 100 %. Das heisst: ein voller vorzeitiger Ruhestand.
  • Auch flexible Kombinationen von Reduktion und vollem vorzeitigem Ruhestand sind möglich.
  • Auch ein voller vorzeitiger Ruhestand vor 63 Jahren ist möglich, jedoch mit einer Leistungskürzung.

Gemeinsame Finanzierung

Im VRM für die Schreinerbranche ist vorgesehen, dass die Leistungen paritätisch über Beiträge der Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden mit je 0,9 % des massgeblichen Lohnes finanziert werden. Aus den Beiträgen dürften ausschliesslich Überbrückungsrenten, zusätzliche BVG-Sparbeiträge (18 %) und allfällige Härtefall-Leistungen finanziert werden. Ebenso müssten die Leistungen der mit der Durchführung beauftragten Organisation (vorgesehen ist eine Stiftung) abgegolten werden.

Um eine gewisse Flexibilität aufrechtzuerhalten, können beim vorliegenden VRM die Leistungen und Beiträge bei Bedarf angepasst werden. Was wichtig ist: Gegen oben sind die Beiträge bei insgesamt 2 % (1 % Arbeitnehmer, 1 % Arbeitgeber) begrenzt.

Pro und Contra: die Argumente

Die Befürworter des VRM sehen die Chance, den älteren Arbeitnehmenden eine langfristige Perspektive bis zur ordentlichen AHV-Pensionierung bieten zu können. Ein weiteres Pro-Argument: Bei unerwarteten Situationen könnten anstelle einer Kündigung zielführende Anpassungen beim Arbeitspensum vereinbart werden. Gemäss einer Umfrage vom Herbst 2018 sehen Arbeitnehmende und Arbeitgebende in der Einführung eines VRM auch eine Steigerung der Branchenattraktivität.

Es gibt aber auch Branchenvertreter, die einer möglichen Einführung des Vorruhestandsmodells kritisch gegenüberstehen. Sie sehen in dieser zusätzlichen Solidaritätskasse eine nicht unwesentliche finanzielle Mehrbelastung der Betriebe. Zudem reduziere der Lohnabzug bei den Arbeitnehmenden ein wenig die Kaufkraft. Ebenfalls kritisiert wird, dass bei einem Wechsel der Branche keine Freizügigkeit bestehe und der Arbeitnehmende letztlich keinerlei Austrittsleistung erhält.

Patrik Ettlin

www.vssm.ch

 

Veröffentlichung: 17. September 2020 / Ausgabe 37/2020

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