Fensterbranche im Umbruch

Die Fenster werden bei 4B in sechs Produktionslinien montiert. Wesentliche Aspekte des Lean-Ansatzes sind, Leerzeiten und Fehler zu vermeiden. Bild: 4B

Markt.  Die Fensterbranche leidet unter dem Preiszerfall: Firmen schliessen, verlagern ihre Produktion ins Ausland oder werden verkauft. Hocheffiziente Produktionsstrassen, strukturierte Abläufe und innovative Produkte sollen das Fenstergeschäft wieder wirtschaftlich machen.

«Die Marktveränderung ist in vollem Gang», sagt Josef Knill, Co-Präsident des Schweizerischen Fachverbands Fenster- und Fassadenbranche (FFF). Trotz lang anhaltenden Baubooms hat die Fensterbranche in den letzten Jahren gelitten. Die Preise sind bis um 20 Prozent gesunken, Überkapazitäten verschärfen den Wettbewerb zusätzlich. Die schlechte Stimmung schlägt sich auch im Branchenpanel Fenster und Fassade 2017 nieder: 54 Prozent der Unternehmen schätzen die Marktlage als «tendenziell schlecht» oder «sehr schlecht» ein (vgl. SZ 49/2017). Viele Unternehmen kritisieren den «geradezu ruinösen Preiskampf».

Die schwierige Marktlage hat mehrere Betriebe hart getroffen: Anfang Jahr hat Fenster Sörensen in Bubikon ZH Konkurs angemeldet, auch die BL Fenster AG mit Standorten im aargauischen Veltheim und Brugg eröffnete das Liquidationsverfahren. Bei der Lehmann Arnegg AG im Kanton St. Gallen wird per Ende Jahr die Fensterproduktion eingestellt. Die Koster AG führt im Rahmen einer Nachfolgeregelung die Bereiche Türen und Service weiter.

Verkauft wurde im Juni auch Aerni Fenster in Arisdorf BL: Die Daniel Ruchti AG übernahm die Fensterabteilung und verlegte die Produktion der Kunststofffenster nach Skopje in Mazedonien, wo bereits zwei Werke betrieben werden. Ego Kiefer, der grösste Branchenplayer, hat 2017 zwei Werke in der Schweiz geschlossen und einen Teil der Holzfensterherstellung nach Langenwetzendorf in Deutschland und die Fertigung der Kunststofffenster in das slowakische Pravenec verlegt.

Der tiefe Euro und die billigen Importfenster seien schuld an der Preismisere, lautet der Tenor in der Branche. Dem widerspricht Franz Bischofberger, Geschäftsleiter der Blumer Techno Fenster AG aus Waldstatt AR. «Faule Ausreden» seien diese Erklärungen, «jedenfalls zum grössten Teil». Denn, führt Bischofberger fort, man könne ja auch günstiger einkaufen, gerade beim Kunststoff und bei den Beschlägen.

Die Statistik gibt ihm Recht: Mit der Schuldenkrise im Euroraum 2010 fiel der Eurokurs auf 1.25 Franken. Daraufhin, in den zwei Folgejahren, stieg auch die Importquote gemäss den Zahlen der Eidgenössischen Zollverwaltung (EZV) für Holzfenster zuerst um 30 Prozent und dann um 40 Prozent. Sie bleibt seitdem konstant auf einem Wert von 90 bis 95 Millionen Franken. Wobei alleine 35 Millionen Franken davon aus Dänemark importiert werden – grösstenteils Dachfenster, was die inländischen Fensterbauer nicht direkt konkurrenziert.

Es sind hausgemachte Probleme

Während der Boomjahre investierten viele in neue Anlagen. Nun müssen die teuren Maschinen laufen, damit sie rentieren. Im Sommer, wenn das Fenstergeschäft brummt, genauso wie im Winter, wenn wenig los ist. Aufträge werden gerade in der schwachen Saison zu tiefen Preisen geholt, zu tief und kaum noch kostendeckend.

Die Vergabe für ein öffentliches Gebäude in der Nordwestschweiz zeigt: Der günstigste Anbieter ist 30 Prozent unter dem Preis des Mittelfelds. Und er liegt mit einem Volumen von 240 000 Franken gut 100 000 Franken unter einem wirtschaftlichen Preis. Es handelt sich ausschliesslich um Schweizer Anbieter – der Preiskampf ist hausgemacht. «Einige Unternehmer haben den falschen Glauben, dass allein mit guter Auslastung auch das Ergebnis stimmt. Nun zeigt sich, dass dieser Weg vielmehr in den Ruin führt», sagt Dölf Müller, Geschäftsleiter von Swisswindows.

Nach drei schwierigen Jahren – Swisswindows hat Aussenstellen geschlossen und 100 Stellen abgebaut – sieht Müller im Unternehmen eine Beruhigung einkehren, «wenn auch auf tiefem Niveau». Das Unternehmen steckt mitten in einer Restrukturierung, die letztes Jahr eingeleitet wurde. Strukturelle Abläufe sollen verbessert und die Organisation auf die Handelsbeziehungen B2B («Business to Business») und B2C («Business to Consumer») ausgerichtet werden. Seit Anfang September agiert Swisswindows unter neuer Eigentümerschaft.

Flexibel auf die herausfordernde Situation zu reagieren, werde durch die starren Strukturen der Holzbranche erschwert, kritisiert Müller. So sei der Gesamtarbeitsvertrag Schreinergewerbe auf kleine und mittlere Schreinereien ausgerichtet: «Industrielle Betriebe werden darin nicht widerspiegelt, sie werden vielmehr in ein unflexibles Korsett gezwängt.» Er verweist als Beispiel auf den Krisenartikel, der es der Maschinenbauindustrie ermöglicht, die Arbeitszeit vorübergehend zu erhöhen. Ein solcher fehle im Schreiner-GAV.

Wachsen in schwierigem Marktumfeld

Dass der Schweizer Fensterbau konkurrenzfähig ist, davon ist Josef Knill überzeugt. Er nennt einige Firmen, die sich nach wie vor gut im Markt behaupten, darunter auch Blumer Techno Fenster und die 4B AG aus dem luzernischen Hochdorf. Beide Firmen setzen auf Wachstum, haben in eine effiziente Produktion investiert und ihr Produktsortiment ausgebaut.

Blumer Techno Fenster verzeichnete 2016 eines der schlechteren Ergebnisse. Was die Zukunft angeht, ist Inhaber und Geschäftsleiter Franz Bischofberger trotzdem gelassen. 2015 hat der Fensterbauer in Waldstatt den bestehenden Werkplatz um eine Produktionshalle erweitert und in eine neue Anlage für die Bearbeitung von Holz- und Holz-Metall-Fenstern investiert. Ziel der Investition war, die gesamte Gebäudehülle anbieten zu können: von ganzen Glasfassaden in Pfosten-Riegel-Konstruktionen über Kunststofffenster bis zum antiken Fenster, das die Anforderungen der Denkmalpflege erfüllt. Deshalb wurde dieses Jahr alles in die Wege geleitet, um den Spezialisten für historische Fenster, Graf Fenster aus Hinterforst SG, im Rahmen einer Nachfolgeregelung in das Unternehmen zu integrieren.

Kein Interesse an GU-Aufträgen

Mit Vielfalt, nicht mit Masse, will Blumer Techno Fenster überzeugen. Die Kunden des Unternehmens sind überwiegend Architekten und private Bauherren. Auf grosse GU-Ausschreibungen, bei denen alle Fensterbauer offerieren, verzichtet der Appenzeller Fensterbauer zunehmend. «Dort ist aufgrund des Preiskampfes kaum mehr Geld zu verdienen.» Seit Franz Bischofberger und Thomas Holderegger 1997 den Fensterbereich aus der damaligen Blumer AG im Management-Buy-out übernommen haben, ist das Unternehmen auf 120 Mitarbeiter angewachsen. Trotz der Grösse ist die Identifikation mit der Firma wichtig geblieben. Beim Rundgang durch die Produktion wird jeder Mitarbeiter von Bischofberger mit Namen gegrüsst, und den Lohnzettel verteilt er am Monatsende noch selber.

Mit Ordnung Kosten senken

Auch 4B hat kürzlich investiert: 13 Millionen Franken in eine neue Werkhalle, wo Holz-Metall-Fenster produziert werden, und in eine hochmoderne Lackieranlage. Der Fensterbauer setzt auf Wachstum und will die Nummer eins der Branche werden. Ein standardisiertes Innovationsprogramm sorgt für laufend neue Produktentwicklungen wie die «intelligenten» Fenster mit dimmbaren Glasscheiben oder eine motorisierte Hebeschiebetüre, die sich über eine Sprachsteuerung öffnen lässt.

Die Nachfrage danach für Alterswohnungen und Pflegeeinrichtungen ist gross, und das Verkaufsvolumen der Hebeschiebetüre ist innerhalb der letzten drei Jahre um 40 Prozent gewachsen. Die grossen Bauteile werden in Taktmontage – wie in der Automobilindustrie – produziert.

Bei der Montage sparen

Von anderen Branchen lernen und bewährte Prozesse übernehmen: 4B-Geschäftsleiter Bernhard Merki, selber aus der Maschinenbranche, brachte die konsequente Umsetzung des Lean-Ansatzes in die Firma. Lean bedeutet genaue Prozessdefinitionen und Schnittstellenbeschreibungen, früh auf Fehler zu reagieren und die Verantwortlichkeiten klar zu regeln.

Heruntergebrochen auf die tägliche Arbeit heisst das: Jedes Werkzeug muss an seinem Platz sein, man muss Ordnung haben und arbeiten, wo effektiv die Wertschöpfung anfällt. In der Produktion hat sich der Lean-Gedanke vielerorts durchgesetzt, bei der Montage ist das Potenzial laut Merki aber noch enorm. Nebst einer Kosteneinsparung von geschätzten 30 Prozent liege auch eine deutliche Qualitätssteigerung drin. Doch dem geht ein Veränderungsprozess voraus. Lange bestanden Holzbetriebe aus zehn, zwölf Mitarbeitern und einem Chef, der sich um alles kümmert. Fachwissen und handwerkliches Können waren ausschlaggebend für den Betriebserfolg.

Im neuen, automatisierten und industriellen Umfeld sind andere Kompetenzen auf einmal wichtiger, beispielsweise Prozessorganisation oder Führungskompetenzen. In der Maschinen- und Elektroindustrie ist das schon länger Teil der Ausbildung. Bernhard Merki von 4B holt deshalb vermehrt Fachkräfte aus seiner früheren Branche ins Unternehmen. Laut Merki stehen die Schulen und Weiterbildungsinstitute in der Verantwortung, dass in der Schreinerausbildung mehr Wert auf die neu geforderten Kompetenzen gelegt werde.

Hausaufgaben machen und sanieren

64 893 unbewohnte Wohnungen gibt es in der Schweiz. Das Bundesamt für Statistik vermeldete im Juni die Erhöhung des Leerwohnbestands um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig sei in der ersten Jahreshälfte die Anzahl Baubewilligungen um 10 Prozent gesunken, ergänzt Josef Knill vom Fensterfachverband. Der Rückgang der Baukonjunktur wird die Marktbereinigung in der Branche nochmals verschärfen. Trotzdem will Knill die Zukunft nicht schwarzmalen. Im Bereich Sanierungen sieht er ein «gigantisches Potenzial», das Firmen nutzen können. Vorausgesetzt, dass die Hausaufgaben gemacht werden und klare Prozesse, eine effiziente Produktion und laufende Innovationen im Unternehmen implementiert werden.

ho

www.fff.ch

www.blumer.ch

www.swisswindows.ch

www.4-b.ch

www.bfs.admin.ch

 

Grafik_5020_Fenstermarkt_fuer_onl_5884380.pdf

Veröffentlichung: 14. Dezember 2017 / Ausgabe 50/2017

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