Ferien ohne Barrieren

Dank spezifischer Anpassungen bietet sich die «Swiss Lodge» an als Gästehaus für Personen mit einer körperlichen Einschränkung. Bilder: SZ, Monika Hurni

Hindernisfrei.  Menschen mit einer körperlichen Einschränkung stossen im Alltag immer wieder auf Barrieren. Oft reichen kleinere Anpassungen, um ihnen das Leben zu erleichtern. Dies kann eine spannende Aufgabe für den Schreiner sein.

Sommerzeit, Sonnenzeit, Ferienzeit – die Reiseziele sind vielfältig, die Auswahl ist im Idealfall lediglich begrenzt durch die Anzahl der Ferientage und das Portemonnaie. Im Idealfall, denn Menschen mit einer körperlichen Einschränkung stossen an ganz andere Grenzen. So kann für einen Rollstuhlfahrer bereits eine Treppe, eine zu schmale Tür oder eine zu hohe Schwelle zum Problem werden. Diesem Umstand tragen immer mehr Feriendomizile Rechnung.

Vom Schweinestall zum Gästehaus

Die Familie Emmenegger vermietet seit längerer Zeit eine Ferienwohnung für 13 Personen in ihrem rustikalen Bauernhaus in der luzernischen Gemeinde Ruswil. Die Wohnung ist zwar teilweise rollstuhlgängig, konnte aber aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht vollkommen hindernisfrei ausgebaut werden. «Ich habe mir immer gewünscht, die Ferien bei uns auf dem Land allen Menschen zugänglich machen zu können», sagt Monika Emmenegger.

Diesen Wunsch hat sie sich im Jahr 2009 mit einem Umbau der besonderen Art erfüllt. Mit viel Eigenleistung der gesamten Familie und der Unterstützung versierter Handwerker wurde der ehemalige Schweinestall zu einem barrierefreien Gästehaus umgebaut.

Da es sich bei diesem Projekt nicht um einen Umbau im eigentlichen Sinne, sondern um eine Umnutzung handelte, war der Gestaltungsspielraum vollkommen offen. Die «Swiss Lodge» bietet mit ihrem grosszügigen Wohnzimmer und den fünf Schlafzimmern Platz für 14 Personen.

Investition in die Zukunft

«Das Gästehaus wird oft von Heimen als Lagerhaus gemietet», erklärt Franz Emmenegger, der seine Eltern am Wochenende oft bei der Arbeit unterstützt. Es sei deshalb so konzipiert, dass es sowohl für körperlich und geistig behinderte Menschen wie auch für Menschen ohne Einschränkung genutzt werden könne. Dies entspricht dem «Design for all», das nicht punktuelle Sonderlösungen für motorisch oder sensoriell eingeschränkte Menschen vorsieht, sondern für alle zugänglich sein soll. Denn barrierefreie Gebäude sind grundsätzlich komfortabler als solche mit engen Fluren, kleinen Räumen, Schwellen und Treppen.

Ausserdem sind barrierfreie Wohnungen auch für ältere Personen oft unabdingbar und deshalb eine Investition in die Zukunft.

Lichtakzent und Orientierungshilfe

Die Einrichtung der Swiss Lodge ist fast ausschliesslich in Massivholz gehalten, was dem Gästehaus einen ausgeprägten Wohlfühlcharaker verleiht.

Ein Grossteil der Innenausbauarbeiten wurde von Jürg Heiniger, Inhaber der Schreinerei Heiniger Design in Fontannen bei Wolhusen LU, hergestellt. So beispielsweise die Paneele an der Wand mit profilierter Abdeckung, die sich durch das gesamte Gästehaus ziehen. Sie dienen als gestalterisches Element und sorgen dafür, dass die Wand abgedeckt ist bei Kollisionen mit Rollstuhl oder Gehhilfe.

Eine Herausforderung stellte die Konstruktion der Lichtsäule und die Ausgestaltung des Lichtkanals in den Paneelen dar. «Die ‹Stehlampen› und der Lichtkanal mussten so konstruiert sein, dass man das Leuchtmittel jederzeit auswechseln kann», erklärt Heiniger. «Auch das Plexiglas ist nicht zu unterschätzen. Sobald die Lampen länger leuchten, dehnt es sich wegen der Wärme aus.» Lichtsäule und -kanal erleichtern den Feriengästen die Orientierung im Dunkeln und setzen nebenbei einen besonderen Akzent beim Raumdesign.

Der Barrierefreiheit hat Heiniger mit den Klapptischen und -bänken in den Schlafzimmern Rechnung getragen. Diese können bei Bedarf ohne Kraftaufwand ausgeklappt und beim Manövrieren mit dem Rollstuhl wieder eingeklappt werden.

Ein Glücksfall für die Schreinerei

«Da wir bei der Planung auch auf Kinder Rücksicht genommen haben, ist vieles automatisch optimal für Personen im Rollstuhl», sagt Heiniger. Als Beispiel dafür verweist er auf die Garderobe mit Kleiderhaken auf zwei Höhen und auf den Waschraum im Eingangsbereich mit Waschtischen auf eben diesen beiden Höhen. Anhand dieser Beispiele zeigt sich, dass bereits kleine Anpassungen eine grosse Erleichterung im Alltag bringen können.

Der Auftrag in der «Swiss Lodge» war für Heiniger ein Glücksfall. Denn zusätzlich zu den spezifisch auf die Barrierefreiheit ausgerichteten Konstruktionen und Anpassungen konnte er unter anderem eine Bar, zwei Schiebetüren und eine Wandverkleidung aus Steinimitat herstellen und montieren.

Ferien – zugänglich für alle

«Ferien – zugänglich für alle» lautet der Name des gemeinsamen Projektes der Stiftung «Denk an mich» und der Schweizer Jugendherbergen (SJH). Innerhalb von drei Jahren eröffneten die SJH zwei hindernisfreie Neubauten, bauten zwei ältere Herbergen um und ergänzten eine weitere mit einer hindernisfreien Nasszelle.

Dank dieser Massnahmen ist die Zahl der barrierefrei erreichbaren Übernachtungsmöglichkeiten in den SJH um 20 % gestiegen. Bereits sind fünf weitere Projekte geplant.

Umbau oder Neubau?

Soll ein Gebäude barrierefrei umgebaut werden, kann dies je nach Begebenheit zu einem unverhältnismässigen Aufwand führen. Insbesondere dann, wenn die Platzverhältnisse begrenzt sind. Dieses Problem stellte sich auch bei der Jugendherberge in Avenches VD. Weil das bestehende Gebäude nicht hindernisfrei umbaubar war, wurde in dessen Garten – erreichbar über eine Rampe – ein Holzpavillon mit zwei hindernisfreien Zimmern erstellt.

Der Innenausbau wurde vom Schreiner mit besonderem Augenmerk auf die Hindernisfreiheit ausgeführt. Die Türen sind einfach und ohne Kraftaufwand zu öffnen. Die Schränke sind so konzipiert, dass das oberste Fach aus sitzender Position zu erreichen ist. Ausserdem verfügen die Zimmer über genügend Platz, um mit dem Rollstuhl befahren zu werden. «Genügend Platz» ist neben der Schwellenlosigkeit eines der wichtigsten Kriterien bei barrierefreien Gebäuden. Denn dieser erspart Rollstuhlfahrern einen Sondereffort beim Manövrieren.

www.swiss-lodge.chwww.schreinereiheiniger.chwww.youthhostel.ch

mh

Veröffentlichung: 09. Juni 2016 / Ausgabe 23/2016

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