«Frauen und Männer bilden ein Ganzes»

Anita Luginbühl behauptet sich seit Jahren in einer Männerdomäne und fühlt sich wohl dabei. Archivbild: Patrik Ettlin

Kampagne.  Lignum Zentralschweiz rückt Frauen in den Fokus, die in der Holzbranche tätig sind. Den Auftakt macht ein Interview mit VSSM-Vizepräsidentin Anita Luginbühl. Sie betont, wie wichtig gute Botschafterinnen sind, um den Schreinerberuf für Frauen attraktiver zu machen.

Anita Luginbühl, Sie sind es sich gewohnt, als Frau in männerdominierten Bereichen tätig zu sein. Erzählen Sie uns, wo dies der Fall ist und war.
Anita Luginbühl: Bereits in der Lehre als Chemielaborantin war ich mit fünf jungen Männern die einzige Frau, und das hat sich so weitergezogen in meinem Leben. Als erste Gemeindepräsidentin von Krattigen war ich bei politischen Treffen immer wieder die einzige Frau. Und nun auch innerhalb des VSSM. Das scheint mein Schicksal zu sein.
Wie empfinden Sie das Zusammenspiel von Frauen und Männern auf Führungsebenen oder in Leitungsfunktionen? Wie kann man voneinander profitieren?
Das Zusammenspiel ist sehr wichtig. Frauen und Männer denken und führen anders und bilden gemeinsam «ein Ganzes». Ich bin immer froh, wenn gemischte Teams am Arbeiten sind. Man ergänzt sich einfach gut und kann voneinander nur profitieren.
Haben Sie in Ihrer Karriere Situationen erlebt, in denen Sie sich als Frau stärker beweisen mussten?
Ja, die gab es durchaus. Aber ich konnte mir eigentlich immer Gehör verschaffen und habe viel aus solchen Situationen gelernt.
Was halten Sie von der Frauenquote?
Eigentlich bin ich dagegen. Aber es hat sich halt gezeigt, dass je stärker das Thema «Quote» diskutiert wird, desto mehr Frauen es eben doch schaffen, in Gremien gewählt zu werden. Aktuell läuft es für die Frauen aus meiner Sicht gut. Allgemein ist die Sensibilität gegenüber Frauen in Leitungsfunktionen oder in der Politik viel höher als auch schon.
Was ist Ihnen an Ihrer Vorstandsfunktion im VSSM besonders wichtig? Wo sehen Sie die Herausforderungen 2021?
Wichtig ist mir und der ganzen Führungscrew des VSSM, das Berufsbild des Schreiners und die Weiterbildungsangebote weiterhin auf hohem Niveau zu halten und nicht stehen zu bleiben. Dies ist neben der Situation, dass wir seit 1. Januar 2021 einen vertragslosen GAV-Zustand haben, wohl die grösste Herausforderung. Und noch ist nicht absehbar, was für Spätfolgen Corona für die Branche haben wird.
Sie kümmern sich in der familieneigenen Schreinerei um die Administration. Was bedeutet Ihnen diese Tätigkeit?
Das Führen des Büros macht mir grosse Freude. Viele Fäden laufen ja letztlich hier zusammen, und ich erhalte jeden Tag Einblick in den schönen und kreativen Schreinerberuf. Unser Team mit rund 15 Angestellten ist überschaubar, und man hat mit jeder Person einen guten Kontakt, das schätze ich sehr. Mein Mann und ich arbeiten seit über 30 Jahren zusammen, und wir sind ein gutes Gespann.
Sie bilden im Betrieb auch eine Lernende aus. Wie kommt man noch mehr vom Denken weg, der Schreinerberuf sei nur etwas für Männer?
Indem wir die ausgebildeten Schreinerinnen quasi als unsere Botschafterinnen einsetzen. Mund-zu-Mund-Propaganda ist noch immer das Beste. Im Berner Oberland hatten wir im letzten Jahr einen Frauenanteil von fast 30 Prozent bei den Lehrabgängern – es scheint hier also viele gute Botschafterinnen zu haben.
Wie schaffen Sie es, so verschiedene Themen und Anspruchsgruppen unter einen Hut zu bringen?
Als Familie mit drei Kindern haben wir früh gelernt, uns mit Multitasking auseinanderzusetzen. Ich bin überzeugt, dass mir das geholfen hat, alle meine Tätigkeiten nebeneinander auszuführen. Es braucht natürlich auch die Bereitschaft, es tun zu wollen, ein gutes Zeitmanagement aufzubauen und Freude an dem zu haben, was man macht.
Was raten Sie einer jungen Frau, die sich im Beruf verwirklichen und irgendwann eine Führungsrolle anstreben möchte?
Sich zu vernetzen und sich mit anderen auszutauschen. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Die Erfahrungen und die Unterstützung von anderen Personen sind sehr hilfreich.
Wie sieht ein normaler Arbeitstag von Anita Luginbühl aus?
Nicht anders als bei jeder anderen berufstätigen Frau. Seit die Kinder ausgezogen sind und ich die kantonale Politik hinter mir gelassen habe, kann ich viel mehr nacheinander statt miteinander erledigen.
Diese Frage muss sein: Was bedeutet Ihnen Holz, im Speziellen Schweizer Holz?
Sehr viel! Ich liebe den Wald, ich liebe Bäume, die in Gruppen oder allein in der Natur stehen und uns viel zu erzählen haben. Ich liebe all die vielen Gestaltungsmöglichkeiten, die verschiedenen Oberflächen, Farben und Gerüche. Als Genussmensch liebe ich auch ein Feuer im Ofen, dazu ein gutes Buch und ein Glas Wein in der warmen Stube. Schweizer Holz liebe ich im Speziellen, weil es einen grossen Anteil zur Nachhaltigkeit und zum Klimaschutz beiträgt. Alles, was von hier ist, muss nicht über lange Verkehrswege hergeführt werden.

Social-Media-Kampagne

Die Branchenorganisation Lignum Holzwirtschaft Zentralschweiz (LHZ) macht in diesen Wochen mit einer Social-Media-Kampagne Frauen in der Holzbranche sichtbar. LHZ-Mitarbeiterin Fabienne Wey stellt mit Interviews spannende Frauen in den Mittelpunkt, die als Schreinerinnen, Försterinnen oder Sägerinnen arbeiten. Die Schreinerzeitung begleitet die Kampagne und veröffentlicht Inhalte daraus.

www.lignum-zentral.ch

Zur Person

Anita Luginbühl (60) ist Mitinhaberin und Geschäftsleitungsmitglied der Schreinerei Luag Luginbühl AG in Krattigen BE mit 15 Mitarbeitenden. Seit 2014 ist sie im VSSM-Zentralvorstand vertreten, seit 2018 als erste Frau der Verbandsgeschichte in der Position der Vizepräsidentin. Zudem war Anita Luginbühl zehn Jahre lang für die BDP im Berner Kantonsparlament aktiv. Vor einem Jahr gab sie dieses Mandat ab.

www.luag.ch

Fabienne Wey, SZ, SZ

Veröffentlichung: 28. Januar 2021 / Ausgabe 5/2021

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