Ganzheitlich denken und verarbeiten

Blick aus der Krone des blühenden Kirschbaums im Staatswald von Grüningen. Bild: Slow Wood

Slow Wood.  Eine Gruppe von Interessierten hat das Ziel, einen Baum von der Wurzel bis zum Blatt vollständig zu verarbeiten. Mit «Slow Wood» will sie alle Arbeitsschritte vom Fällen bis zum fertigen Produkt aufzeigen und die Wertschätzung gegenüber regionalem Holz steigern.

Im Wald von Grüningen ZH steht ein prächtiger Waldkirschbaum, der im letzten Jahr von der Försterin zum Fällen bestimmt wurde. Thomas Meier, Drechsler in Hombrechtikon ZH, hatte sich schon länger mit dem Gedanken beschäftigt, im Rahmen eines Projekts einen Baum mit mehreren Handwerkern gemeinsam zu verarbeiten. Er konnte den Baum vor dem Fällen bewahren.

Durch sein berufliches Engagement in der Berufsbildung lernte Thomas Meier Christian Mettler kennen. Dieser hatte im Jahr 2012 das VSSM-Projekt Wood-Award initiiert und durchgeführt. Von der Idee, einen Baum bestmöglich zu nutzen, war er von Beginn an begeistert. Mit Christian Mettler kam auch dessen Lebenspartnerin Isabelle Messerli hinzu, eine Betriebsökonomin und Gastrokennerin. Zu dritt bilden sie nun das Kernteam des Baumprojekts. So konnte Ende Mai der Start gefeiert werden.

Wie das Tier, so der Baum

Der Waldkirschbaum steht im Staatswald des Kantons Zürich. Er ist etwa 80 Jahre alt und der Stamm weist einen Durchmesser von 70 cm auf. Bei voller Ausnutzung ergeben sich etwa 3 m3 Massivholz. Försterin Tatjana Bigger schätzt den Baum um die 23 m hoch. Es handelt sich um einen schönen und stolzen Baum. Indes ist aus der Forstwirtschaft bekannt, dass Kirschbäume ab einem gewissen Alter im Innern faulen. Möchte man das Holz noch nutzen können, so muss man den Baum jetzt fällen.

In der Gastronomie ist seit einiger Zeit das Motto «From nose to tail» («Von der Nase bis zum Schwanz») im Trend. In Anlehnung an die ganzheitliche Nutzung eines Tieres hat sich die Gruppe überlegt, diesen Ansatz auch auf den Kirschbaum anzuwenden. «From root to leaf» («Von der Wurzel zum Blatt») ist nun das Motto dieses Projektes.

Die Gruppe machte sich Gedanken, was man mit dem Baum alles anfangen kann. Danach schrieb sie Handwerker wie Schreiner, Säger, Messerschmiede, Bildhauer, Flechter und Drechsler an. Ausserdem holte sie auch Gestalter, Fotografen, Künstler und sogar Köche ins Boot.

Der Anfang ist gemacht

Beim Projektstart im Grüninger Wald erläuterte Alt-Förster Jakob Bodmer, der über 30 Jahre den Wald betreut und bewirtschaftet hatte, die Geschichte des Baumes. Danach diskutierte die Projektgruppe über die Verwendung einzelner Stammpartien. Auch die Ausrichtung des Projekts wurde besprochen. So sollen in den Werkstätten der Handwerker und Gestalter verschiedene Produkte entstehen. Diese sollen innovativ gestalterisch auf hohem Niveau sein.

Am Startanlass wurde auch klar, dass es nicht beim einzigen Projekt bleiben soll und weitere Interessierte in anderen Regionen dazu motiviert werden sollen, unter dem Namen Slow Wood solche Projekte zu starten. Die Bewegung möchte eine Plattform bieten, auf der sich die Beteiligten über das Holz, den Baum und dessen Umgebung austauschen können.

Über die Sommermonate werden nun die Handwerker und Gestalter ihre Ideen als Grobentwurf ausarbeiten. Zudem sind noch Aktionen wie das Kirschenpflücken geplant. Im Dezember wird der Kirschbaum voraussichtlich gefällt und zersägt. Je nach Verwendungsart wird dann das Holz getrocknet und weiterverarbeitet. Der Projektabschluss mit Ausstellungen und Dokumentation ist im Jahr 2020 geplant.

www.slowwood.ch

sz

Veröffentlichung: 12. Juli 2018 / Ausgabe 28-29/2018

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