Geschichte modern verpackt

Das Landenberghaus erhält eine neue Dachtragekonstruktion aus Weisstanne. Bild: Beat Bühler

Denkmalschutz.  Das Landenberg- und das Pfarrhaus in Greifensee bilden neu gemeinsam einen flexibel nutzbaren und attraktiven Veranstaltungsort. Die zwei denkmalgeschützten Gebäude waren stark sanierungsbedürftig. Für 11,7 Millionen Franken wurden sie erneuert und erweitert.

Passen die Balken oder nicht? Diese Frage beschäftigte Andri Rüegg, Projektleiter bei Jampen Holzbau in Hittnau ZH, stark. Beim Umbau des historischen Landenberghauses in Greifensee ZH blieben nur die rund 500 Jahre alten Umfassungsmauern stehen, der Rest der sanierungsbedürftigen Liegenschaft wurde rück- und neu aufgebaut. Rüegg war mit seinem Team für die neue Tragkonstruktion verantwortlich. Es handelt sich um eine selbsttragende Konstruktion, bestehend aus mannshohen Deckenträgern und bis zu acht Meter hohen Pfosten. Diese geben ihre Last auf die ringförmig betonierte Galerie und weiter auf Tragwände und Saalboden ab. Die historischen Bruchsteinmauern mussten so nicht als Tragelemente dienen und wurden komplett entlastet. «Die Herausforderung war, dass zwischen den Balken und den alten Mauern nur ein minimer Abstand vorhanden sein sollte. Die Architekten wünschten sich zwei Zentimeter, doch das war unmöglich. Wir haben uns dann auf je zehn Zentimeter geeinigt», erzählt er.

Genaues Messen war schwierig

Die alten Mauern sind allerdings nicht gerade. Deswegen war es schwierig, die Balken genau zuzuschneiden. «Die Massaufnahme erfolgte, als der Baumeister mit seinen Arbeiten noch im Erdgeschoss war. Wir wussten also nur theoretisch, bis wohin die seitliche Giebelmauer erhöht werden sollte.» Und die Balken würden nur passen, wenn der Steinmetzmeister genau mauern würde. «Das machte das Ganze zu einer Herausforderung und zu einem langen Prozess.»

Zuzuwarten war keine Option. «Wir konnten mit der Bestellung der Balken nicht abwarten, bis die Mauer fertig war», sagt Rüegg. «Die Lieferfristen hätten nicht eingehalten werden können. Und das Projekt war sowieso schon in Verzug.» Die Balken länger zu bestellen und auf der Baustelle exakt zuzuschneiden, kam ebenfalls nicht infrage. «Dafür waren die Dimensionen zu gross. Die Träger wurden stehend geliefert. Wir konnten uns keine Verletzungen an ihnen leisten.» Der grösste Träger hat ein Volumen von 8,7 Kubikmetern – er hat einen Querschnitt von 2,25 × 0,26 Metern und ist 17,4 Meter lang. Insgesamt wurden 58 Kubikmeter Weisstanne verarbeitet.

«Wenn nur schon ein Balken fehlerhaft gewesen wäre, hätte dies Zusatzkosten von mehreren Tausend Franken verursacht», sagt Rüegg. «Ein Problem hatten wir zudem mit der Qualität der Weisstanne. Die Architekten wollten sie möglichst astrein. Im hier benötigten Volumen und in dieser Abmessung ist das jedoch schwierig.»

Die Balken haben schliesslich gepasst, und die Holzbauer konnten aufatmen. «Innerhalb einer Woche war das Dach dicht», berichtet Andri Rüegg. «Ich war überrascht und froh, dass alles so gut gegangen ist.»

«Das Weisstannenholz wurde primär wegen der Lieferbarkeit, des Preises und der optischen Erscheinung, also der Farbigkeit und Qualität, ausgewählt», sagt Architektin Katharina Stehrenberger. «Esche war in dieser Menge nicht lieferbar und zu teuer. Dieses Holz wurde wiederum da eingesetzt, wo es Hartholz brauchte.» Die Sockel der Stützen, Teile der Brüstung und publikumsnahe Wandverkleidungen seien hingegen in Esche gefertigt worden.

Saal ist das Herzstück

Das Landenberg- und das Pfarrhaus wurden letzten September nach eineinhalb Jahren Bau- und Sanierungszeit eingeweiht. Der Baukredit, den die Stimmbürger von Greifensee 2017 bewilligt hatten, betrug rund 11,7 Millionen Franken. Die Arbeitsgemeinschaft Stehrenberger Architektur und Horisberger Wagen Architekten aus Zürich hatte den öffentlichen Wettbewerb mit ihrem Projekt «Stimme des Hauses» vorgängig gewonnen.

Das Herzstück des Kulturhauses ist der Saal im Obergeschoss des Landenberghauses. Die markanten und weiss lasierten Balken bilden dessen Decke. Im Saal finden bis zu 300 Personen Platz. Er kann unterschiedlich genutzt werden. Dies macht die versenkbare Bühne möglich. Damit der Saal symmetrisch ist und der Giebel in der Mitte zu liegen kam, musste die Stirnseite der historischen Mauer erhöht werden. Dazu wurden verschiedene Sandsteinarten aus der Region verwendet. Den Bruchsteinen ist die besondere Akustik zu verdanken. Im Erdgeschoss sind das Foyer und das Bistro zu finden. Das Foyer zieht sich bis ins Pfarrhaus. Die beiden Gebäude wurden mit mehreren Durchbrüchen miteinander verbunden. «Aus denkmalpflegerischen Gründen war eine minimale, aus funktionalen Gründen eine maximale Durchlässigkeit gewünscht», sagt Katharina Stehrenberger. «Wir haben deswegen so viele Durchgänge wie nötig, aber so wenige wie möglich vorgenommen.» Neben dem Foyer sind dies zwei im ersten Obergeschoss zu den Räumen für die Künstlervorbereitung und in die Officeküche. Im Dach waren einige kleine Durchbrüche für Bühnentechnik und Lüftung notwendig.

Pfarrhaus aussen nicht verändert

Das Pfarrhaus, ein Riegelbau, wurde aussen nicht verändert. Es wurde sorgfältig saniert, und die Brandschutzmassnahmen wurden auf den neusten Stand gebracht. Die nicht mehr tragfähige und schon mehrfach verstärkte Holzdeckenkonstruktion im Erdgeschoss wurde in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt und mit neuen Holzbalken verstärkt. «Wir haben in diesem Teil viele Ertüchtigungen vorgenommen und den Brandschutz verstärkt», sagt Andri Rüegg von Jampen Holzbau. Auch die Böden wurden teilweise erneuert. Die verschiedenen Räume im Pfarrhaus, wie zum Beispiel ein Mehrzweckraum und getäferte Stuben, stehen heute Vereinen und der Öffentlichkeit zur Verfügung. Zuoberst ist zudem eine 5-Zimmer-Wohnung untergebracht.

Viele anspruchsvolle Zusammenhänge

Die Schreinerei Danuser AG aus Herisau AR wurde mit dem Auftrag für Decken und Wandverkleidungen im Landenberghaus beauftragt. «Bei der Planung und Massaufnahme stellte sich heraus, dass es viele Zusammenhänge im Bau zwischen Bauteilen über verschiedene Stockwerke und unter verschiedensten Handwerkern gibt», sagt Geschäftsführer Peter Danuser. «Die Vorgaben der Planer bestanden darin, dass Elementfugen von Bodenbelägen, Decken, Wänden und Türen von allen Beteiligten übernommen werden.» Dabei hatten verschiedenste Bauteile wie Fenster, Treppenläufe, Tragkonstruktion oder Türen die Parameter für die Fluchten bestimmt.

«Bei der Massaufnahme befand sich die Baustelle noch im Rohbau. Da die Sichtfugen mit 1,5 Millimetern bestimmt wurden und grosse Winkelabhängigkeiten bestanden, hätten zuerst verbindliche Fluchten und Raster, die für alle Gültigkeit hatten, bestimmt und markiert werden müssen», sagt Danuser. «Nebst der Material- und Gestaltungsvielfalt waren auch die Schallabsorption, der Brandschutz und denkmalpflegerische Aspekte wichtig sowie der Einbezug der Materialeigenschaften.» Im Saal wurde die Schallabsorption über die schräg abgestuften Wände, im Foyer und Bistro über die Deckenelemente gelöst.

Teile mussten zusammenpassen

Die anspruchsvollen Deckenornamente wurden in der Schreinerei geplant, gefräst und fertig behandelt. Die Wandverkleidungen von der Danuser AG sowie Schrankeinbauten und Türen in der gleichen Wandfläche, kombiniert ausgeführt von einer anderen Schreinerei, sollten in Struktur und Farbgebung eine Einheit bilden. «Das Furnier wurde daher gemeinsam eingekauft, bemustert und entsprechend in der Abfolge angeordnet», sagt Danuser. «Bei den farbig geölten Oberflächen wurde nach längerer Diskussion ein Malerunternehmen mit der Behandlung beauftragt, da Unterschiede in der Applikation verheerende Auswirkungen für das Gesamtbild hätten.»

Weil ein genaues Bauprogramm vorgegeben war, hatte die Schreinerei die Kapazitäten entsprechend reserviert. «Die Saaldecke konnte termingerecht montiert werden. Danach kamen die weiteren Arbeiten mit geraumer Verspätung zur Ausführung», berichtet Peter Danuser. «Wir mussten mehrmals die Arbeiten um Wochen unterbrechen und die Verzögerungen mit kurzfristig akquirierten Aufträgen kompensieren.»

Es sei aber ein schöner Auftrag mit hohen Anforderungen gewesen, und er sei gut herausgekommen, bilanziert der Inhaber.

Ein besonderes Projekt

Auch Architektin Katharina Stehrenberger ist mit dem Ergebnis zufrieden. Für sie war es ein besonderes Projekt. «Solch schöne Bauaufgaben sind selten. Ein Haus in dieser Umgebung mit einem intak- ten Städtli und Kirche, Schloss und See, einem schönen Baumbestand sowie einem spannenden Raumprogramm mit Restaurant, Foyer und Saal», sagt sie. Bei solchen Aufgaben spiele Architektur, das Zusammenspiel von Raum und Ausdruck, eine zentrale Rolle.

www.landenberghaus.chwww.stehrenbergerarchitektur.chwww.horisbergerwagen.chwww.jampen-holzbau.chwww.danuserherisau.ch

ndo

Veröffentlichung: 14. Mai 2020 / Ausgabe 20/2020

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