Grosser Job mit kleiner Box

Dank Raum im Raum bleibt viel Freiraum. Auch für Loftgefühle im alten Wohnhaus. Bild: Stephan Timbers

Neue Maisonette.  Eine typische Basler Altbauwohnung wurde renoviert und mit dem Dachgeschoss zur Maisonette erweitert. Das Ergebnis des Umbaus ist bemerkenswert, weil er durch wenige Elemente geprägt wird. Allen voran ein Raum im Raum, der es in sich hat.

Dass es für einen gelungenen Umbau nicht zwingend viele Köpfe braucht, zeigt die Renovation einer Altbauwohnung in Basel. Im obersten Stockwerk gelegen, wurde der bis dato kaum genutzte Dachboden mit der Wohnung vereint, wodurch eine Maisonette entstand. Die Gestalter Susanne und Stephan Timbers, mit einiger Erfahrung im loftähnlichen Wohnen ausgestattet, haben sich dabei sowohl über viele Details Gedanken gemacht, als auch mit viel Fingerspitzengefühl die grosse Linie der Raumaufteilung geplant. Zusammen mit der Schreinerei Dettli + Sahli in Muttenz BL ist so ein Wohneigentum entstanden, das gleichermassen funktional und schön ist – und das ohne Beteiligung eines Architekten. Dadurch ist das ganze Projekt auch ein Lehrstück für einen Gestaltungsprozess.

Raum im Raum als zentrales Element

Einen Raum über zwei Etagen auch praktisch sinnvoll bespielen zu können, ist eine planerische Herausforderung. «Es war klar, wenn der ehemalige Estrich mit einem Bereich zum Kochen und Essen vollwertig genutzt werden soll, muss alles, was es dazu braucht, auch dort gelöst werden. Ständiges Hin-und-Herräumen zwischen den Stockwerken ist schliesslich nicht praktikabel», erklärt Stephan Timbers.

Oft wird bei Dachausbauten der Bereich eines Kniestocks als Stauraum genutzt. Timbers hatte für die Maisonette-Wohnung eine andere Idee. Da sich ein Besenschrank kaum in den Kniestock integrieren lässt und das typische Erscheinungsbild von langen Einbauschränken im Kniestock nicht gewünscht war, sollte alles in einem Raum zusammengeführt werden, der zudem den Liftschacht samt Versorgungsleitungen versteckt. Im Grunde sei die Lösung mit dem Raum im Raum naheliegend gewesen, so Timbers. Stauraum braucht es in jeder Wohnung, und auch ein Gefrierschrank sollte aus praktischen Gründen ins Dachgeschoss zur Küche. «Ursprüngliche Idee war es, mit einem Kubus einen Lagerbereich zu schaffen, der nur mit frei stehenden Leisten verkleidet eine gewisse Transparenz aufweist», sagt Timbers. Doch bei Dettli + Sahli sah man den Raum mit freien Lattenwänden kritisch, da die Gefahr des Verziehens der wenig fixierten Hölzer gross gewesen wäre. Zielführender war es, die Leisten auf Platten zu montieren, zumal die Idee mit der Box eng mit der Küchenplanung verbunden war und die Wand ein Innenleben durch die Integration von Schränken bekommen sollte. Die Dachschräge in der Box rechts der Tür wird als Stauraum genutzt. Der linke Teil bietet dann den Schränken Platz: Via Tür einen ersten Schrank im Innern, und zur Küche hin nimmt die Box den Kühl- und den Geschirrschrank auf.

Mit Rhythmus versehen

Eine Wandverkleidung mit Leistenprofilierung zu entwerfen, scheint aufwendiger, als man gemeinhin denken mag. «Die Dimension der Leisten wollten wir so wählen, dass ein gewisser kinetischer Effekt beim Vorbeigehen entsteht. Dazu mussten die Leisten etwas tiefer als breit sein», erklärt Timbers. Ein solcher Effekt mit einem Tiefeneindruck entsteht durch den menschlichen Blick auf regelmässige Strukturen in Verbindung mit Bewegung. «Wir haben mehrere Materialisierungsmuster von Dettli + Sahli mit verschiedenen Proportionen erhalten, was sehr wichtig war, weil je nach Abfolge unterschiedliche Wirkungen entstehen. Die Abstände zwischen den Leisten sind dafür ebenfalls wichtig», erklärt Timbers. Deshalb sei der Sparringspartner für den Prozess enorm wichtig gewesen, um zur perfekten Auf- und Einteilung zu kommen. Schliesslich sollte das Bild auch für die Eingangstür und die beiden Fronten für Kühl- und Geschirrschrank durchgängig sein. Auch wollte man keine Unregelmässigkeiten zu den Wandanschlüssen. «Wir sind die Anfertigung von Mustern bei grösseren Aufträgen gewohnt, weshalb es für uns selbstverständlich war, auch für die Privatwohnung Mustertafeln anzufertigen», sagt Walter Leugger, Inhaber der Schreinerei.

Damit das Bild der Leisten am Ende stimmig ist, hat man sich auch beim Öffnungsmechanismus und der Griffausbildung der Türen viele Gedanken gemacht. Passende Griffe, speziell ausgeformte Leisten, Fräsungen in den Leisten und manch andere Variante wurden geprüft. Am Ende fiel die Entscheidung auf eine Push-to-open-Funktion mit elektrisch unterstützter Öffnung. Somit konnte das Bild der Leisten gleichmässig ruhig bleiben. Damit beim Öffnen der Fronten nicht Leiste auf Leiste drückt, sind die Türen mit einer Begrenzung von 90° zu öffnen. Auch das Gewicht der Leistenfronten für die beiden Möbeltüren der Küchenseite war eine Herausforderung. Beim Kühlschrank mussten die Scharniere mit Eisenwinkeln verstärkt werden, damit diese auch langfristig zuverlässig ihre Funktion erfüllen können.

«Die Box war der grösste Job beim Umbau, aber alle einzelnen Arbeiten waren wichtig», sagt Timbers. Die Akribie bei der Detailplanung hat sich gelohnt. Die wenigen Elemente in den jeweiligen Räumen prägen diese. Neben der Box samt Küche im Dachgeschoss gilt dies auch für den Einbau-Kleiderschrank mit einer Faltschiebefront, die Bibliotheksregale und die Waschtischmöbel im unteren Geschoss.

Raum für Bücher

Die Bauherren lieben Bücher, und Gestalter Stephan Timbers hasst Tablare, die sich unter ihrer Last irgendwann durchbiegen. Deshalb ist die Spannweite der Tablare in der Bibliothek recht gering. Die schwarzen 19-mm-MDF-Platten müssen 520 mm überspannen. Auch bei schweren Büchern wird sich das Material dadurch nicht biegen.

Die beiden Regale kommen ohne Rückwand aus. Stattdessen hat man die strukturierte Tapete an der Wand belassen und orange überstrichen. So ergibt sich ein spannender und frischer Kontrast zum ruhigen Bild der Regale auf beiden Seiten des schlanken Raumes.

Typisch für einen Altbau, weist auch das Bibliothekszimmer unterschiedliche Masse und Winkel auf. Die nötigen Passleisten für die Wandanschlüsse wurden ähnlich dem Sockelmass ausreichend gewählt, damit das Auge die Masstoleranzen nicht sofort erkennt und andererseits eine Wertigkeit des Einbaumöbels auf Mass entsteht. Das Spiel der Abstände zwischen den Seiten mit dem Verhältnis 2:3:5 unterstützt zudem die gestalterische Idee.

In der Tiefe gestaffelt

Ein weiterer Blickfang der Altbauwohnung ist der knapp 5500 mm breite Einbauschrank für Wäsche und Kleidung im Umkleidebereich des Schlafzimmers. Eine ganze Raumseite einnehmend, sitzt dieser zwischen der Aussenwand mit Fenster und der Innenwand mit Tür. Die Herausforderung dabei: Die Schranktiefe an der Fensterseite kommt nur auf etwa 400 mm, während auf der Türseite mit mehr als 800 mm eine ausreichende Tiefe für eine Kleiderstange verfügbar ist. Die Lösung: Eine in der Tiefe abgestufte Sockelkonstruktion trägt den grossen Einbauschrank aus schwarzem MDF, und statt Türen wird eine durchgehende Faltschiebefront montiert. Diese wurde von der Thut Möbel AG in Buchs ZH auf Mass gefertigt. Die Schreinerei Dettli + Sahli hat als Partner Erfahrung mit dem Produkt. Das ist wichtig, denn die Dreiteilung des Faltvorhanges ist entscheidend für die angenehme Benutzung des Möbels, weil die Wegstrecken beim Öffnen und Schliessen dadurch nicht so weit sind. Und: «Der Faltschiebevorhang erzeugt eine permanente Dynamik im Raum und verändert durch die Benutzung dauernd das Erscheinungsbild», erklärt Timbers.

Die Rechnung mit dem gestaffelten Sockel ging unterdessen auf. Die meisten Leute realisieren laut Timbers nicht, dass der Schrank leicht schräg zum Raum verläuft. «Man merkt es vor allem, wenn man auf den Boden schaut», so Timbers. Das Fischgrät-Muster des alten Parkettbodens verrät es. Im Gegensatz zu Dettli + Sahli waren längst nicht alle Schreinereien den vielen speziellen Lösungen gegenüber aufgeschlossen. Zwei von drei angefragten Betrieben haben gar nicht erst offeriert. Anders Walter Leugger: «Wir sind viel für hochstehende Architekten mit grossen Aufträgen tätig und machen solche Arbeiten für private Bauherren auch gerne, vor allem, wenn sie eine solche Qualität aufzuweisen haben.»

www.dettlisahli.chwww.timbers.ch

christian Härtel

Veröffentlichung: 18. August 2022 / Ausgabe 33/2022

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