Holz und Glas verbindet - auch Biel und Wien

Bereits im Jahr 2012 realisiert: der Firmen-neubau des Fenster-herstellers Gegg als Holzbau im Holz-Glas-Verklebungssystem. Bild: Jörg Pfäffinger

Verklebung.  20 Jahre ist es her, seit die Verklebung von Holz und Glas erstmals zum Thema wurde. Was zur Optimierung von Holzfenstern gedacht war, hat sich bis zur Fassadentechnologie entwickelt. Daraus hervorgegangen ist auch eine grenzübergreifende Zusammenarbeit, die bis heute besteht.

An der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau in Biel (BFH) begann 1997 die Erforschung der Technologie der Holz-Glas-Verklebung und wenig später auch an der Holzforschung Austria (HFA) in Wien. Das Projekt mit der Idee zur Optimierung von Holzfenstern bildete den Start zu einer noch heute andauernden Kooperation zwischen der BFH, HFA und der Technischen Universität Wien (TU) – und zog diverse technische Entwicklungen nach sich.

Im Kampf gegen das Kunststofffenster

«Die Holz-Glas-Verklebung startete nach meiner Erinnerung 1997 mit einem Projekt, das der Frage nachging: ‹Wie weiter mit dem Holzfenster?›», erläutert Christoph Rellstab, Leiter Höhere Fachschule Holz an der BFH in Biel. «Die Holzfenster hatten zu jenem Zeitpunkt mit Problemen zu kämpfen, welche auch durch die Umstellung auf wasser-basierte Oberflächen-Behandlungsmittel zurückzuführen waren. Die BFH hat damals zusammen mit zwei innovativen Fensterbauern nach Möglichkeiten gesucht, das Holzfenster wieder besser und auch wettbewerbsfähiger zu den Kunststofffenstern zu machen», erklärt Christoph Rellstab. Dabei wurde die Lösung geboren, das Glas mit dem Holzrahmen zu verkleben und das Glas somit auch als Schutzschicht für das Holz einzusetzen.

Schweizer Fensterhersteller im Boot

Zum Auftakt des Projekts folgten erste Untersuchungen, um die wichtigen Parameter zu bestimmen. Unter anderem wurde auch die Frage aufgeworfen, ob die Verklebung auf beschichtetem oder auf rohem Holz ausgeführt werden solle. «Wir sind damals den Weg über rohes Holz gegangen. Heute ist man auch in diesem Punkt weiter. Es ist unter der Berücksichtigung von gewissen Parametern ebenso möglich, auf beschichtetem Holz zu kleben», sagt Christoph Rellstab und weist darauf hin, dass die ersten verklebten Holzfenster aus der Schweiz kamen: «Im damaligen Forschungsprojekt waren als Fensterhersteller die Firmen Tschopp-Zwissig SA in Sierre VS und Wenger Fenster AG in Wimmis BE mit dabei. Tschopp stellte dann als erstes Unternehmen serienmässig Fenster mit einer Holz-Glas-Verklebung her. Etwas später folgte auch Wenger. Heute gibt es im Holz- und Holz-Metall-Bereich weitere erfolgreiche Schweizer Beispiele des Verklebens, bei denen diese Technologie umfassend umgesetzt wurde. So agieren beispielsweise Firmen wie die G. Baumgartner AG (Cham ZG), 1A Hunkeler AG (Ebikon LU) oder Mevo Fenster AG (Reinach BL) damit erfolgreich am Markt.»

Mit derselben Thematik beschäftigt

Etwas später sei dann die Kooperation mit der HFA entstanden. «Die HFA hat zu einem ähnlichen Zeitpunkt wie die BFH ihre Entwicklungen eines verstärkten und verklebten Fassadensystems begonnen. Dabei kam sie vom konstruktiven Holzbau und hatte aussteifende Holz-Glas-Verbundelemente (HGV) zum Ziel. Als wir feststellten, dass wir an gleichen Themen arbeiteten, begann ein reger Erfahrungsaustausch. Daraus entwickelten sich Kooperationen, später auch mit dem IFT Rosenheim, welche die Grundlagen für Richtlinien zum Glaskleben schufen», erinnert sich Rellstab.

Vom Fenster zur Fassade

Die Entwicklungsarbeit der Holzforschung Austria (in Kooperation mit der TU Wien, Institut für Architekturwissenschaften, Tragwerksplanung und Ingenieurholzbau) erreichte durch ein prämiertes Forschungsprojekt die Aufmerksamkeit der (Fach-)Öffentlichkeit: Das Einfamilienhaus «Schattenbox» wurde 2009 mit dem Niederösterreichischen Holzbaupreis ausgezeichnet. Bewertet wurde «ein architektonisch überzeugendes Holzwohnhaus mit einem modernen Wohnkonzept», so der Originaltext der Jury, der an die Presse ging.

Dieses zweigeschossige, von einer Familie bewohnte Haus ist auf seiner Ostseite mit grossformatigen HGV-Fassadenelementen ausgestattet und erhält einen Teil seiner Gebäudeaussteifung durch die eingesetzten Holz-Glas-Verbundelemente. Bei diesen Elementen wurden die Gläser umlaufend mit verzahnten Koppelleisten aus Birkenfurniersperrholz verklebt, mit denen sie direkt auf eine Pfosten-Riegel-Konstruktion aufgeschraubt wurden, wo sie statische Funktionen übernehmen konnten. Dies erfolgt vom Grundprinzip noch heute so.

Einfachere Montage

Vorteil dieser Technologie ist der sehr schnelle Aufbau von Fassaden, da nur noch die HGV-Elemente mit ihren Leisten an die vorhandene Konstruktion angeschraubt werden müssen – ein einfacher Job für den Handwerker, der sich in diesem Fall nicht mehr mit dem oft komplexen Aufbau von Fassadensystemen vor Ort herumschlagen muss. Nach Planung durch den Auftraggeber bestellt der Schreiner, Zimmermann oder Wintergartenbauer bei einem zertifizierten und autorisierten Glasverarbeiter das HGV-Element in entsprechender Grösse und schraubt es an die Pfosten-Riegel-Konstruktion. Die HGV-Elemente können durch die Verschraubung problemlos einzeln ausgetauscht werden – zumindest bei bestimmten Systemen. Für das Uniglas-System liegt in Deutschland eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (AbZ) für nichttragende Fassaden vor. Der Mitbewerber Knapp bietet ein ähnliches HGV-System (Fasco) mit GFK-Leisten statt Holz an, das in der Anbringung etwas anders gehandhabt wird und für das bisher noch keine solche Zulassung vorliegt.

In Österreich braucht es derartige Zulassungen nicht zwingend. Der Verarbeiter hat die Richtlinien des HFA-Handbuchs zur HGV einzuhalten. Dazu sagt Klaus Peter Schober, Leiter der Abteilung Bautechnik bei der HFA: «Wenn der Verarbeiter von uns zertifiziert ist und sich nach unserem Handbuch richtet, funktioniert das System, und die Firma kann damit zur Baubehörde gehen. Heute können Gebäude bis zwei Vollgeschosse ausschliesslich durch dieses patentierte System ausgesteift werden. Bei höheren Gebäuden sind zusätzliche Sekundärmassnahmen wie zum Beispiel tragende Innenwände erforderlich.»

Ein aktuelles Objekt, das mit «Uniglas Facade» ausgestattet wurde, ist das neue Logistik- und Schulungszentrum der Otto Chemie in Fridolfing (DE) mit seiner 45 Meter langen und 10 Meter hohen HGV-Fassade. Dort besteht die Besonderheit darin, dass sich in der Ansicht schmale Flächen aus weissen Fassadentafeln mit verglasten HGV-Flächen abwechseln. Verwendet wurde ein Sonnenschutzglas von Uniglas mit einem Ug-Wert von 1,1 W/m² K und einem g-Wert von 18 %.

Die vorgefertigten HGV-Elemente von jeweils 1,25 Meter Breite und 1,25 beziehungsweise 2,50 Metern Höhe wurden auf die planparallel vorbereitete Pfosten-Riegel-Konstruktion verschraubt.

Neben den Festverglasungen wurden auch öffenbare Fensterflügel in die HGV-Konstruktion integriert. Ein spezielles vorkomprimiertes Dichtband zwischen Unterkonstruktion und HGV-Element wirkt als Dampfbremse und gewährleistet die Luft- und Schlagregendichtheit der Fassade. Die Montagezeit der Fassade dauerte aufgrund der Vorfertigung nur eine Woche. Nach der Montage der HGV-Elemente wurde die äussere Fuge mit einer PE-Rundschnur hinterfüllt und mit einem Weather-Sealing-Silicon versiegelt. Die baubehördlich vorgeschriebene Absturzsicherung ist in die schmale Fuge zwischen den einzelnen HGV-Elementen integriert. Um ein einheitliches Fassadenbild zu erzielen, wurde diese regelmässig montiert – auch wenn einzelne Elemente im untersten Bereich ausschliesslich von Siliconklebstoffen gehalten werden.

Ein aktueller Besuch in der TU Wien zeigt: Dort, im Institut für Architekturwissenschaften, Tragwerksplanung und Ingenieurholzbau, ist HGV immer noch aktuell. Probekörper liegen zur Demonstration in den Räumen bereit, und es ist die vierte Dissertation zum Thema entstanden. Dazu Wolfgang Winter von der TU Wien: «Bei dieser Arbeit geht es um das Langzeitverhalten der Verklebung und ein nach Eurocode abgesichertes Sicherheitskonzept. Es geht auch um Verarbeitungsmängel, um qualitätssichernde Massnahmen, also um die werkseigene Produktionskontrolle im Betrieb und um die HFA, die unter anderem Prüfungen und Inspektionen vornimmt. All diese Faktoren sind jetzt auch in sicherheitstheoretischen Ansätzen berücksichtigt.» Klaus Peter Schober von der Holzforschung Austria ergänzt: «Wir haben ursprünglich mit HGV ein System entwickelt, bei dem die Glasscheiben aufgeklebt werden und die einwirkenden Kräfte über eine reine Schubverklebung abgetragen wurden. Unser einschränkender Faktor war also die Verformung des bisherigen HGV-Elements. Wir könnten das konstruktiv aber so verändern, dass wir höhere Lasten übertragen können.»

Verbesserte Aussteifung um Faktor 5

Hier setzt Wolfgang Winter an: «Zusätzlich zur bisherigen Verklebung soll eine effiziente Klebung angebracht werden, eine Art flüssige Klotzung. Diese lässt das Glas am Rahmen beziehungsweise an der Koppelleiste anstehen. Daraus ergibt sich eine Verbesserung der Aussteifung um den Faktor 5, mit der wir deutlich mehr Lasten übertragen können.»

Hier schliesst sich der (Forschungs-)Kreis, denn zum Thema Flüssigverklotzung bei Fenstern gibt es aktuelle Arbeiten an der BFH, die auf den diesjährigen Windays in Biel von Urs Uehlinger, Leiter des Kompetenzbereichs Fenster-, Türen- und Fassadentechnik, vorgestellt wurden (siehe Kasten). Auch BFH-Dozent Marc Donzé, konnte bereits einige Jahre zuvor neue Ergebnisse zum Thema «Verklebung von grossformatigen Fenstern» und «Verkleben der äusseren Scheibe des Isolierglases» vorstellen.

Mit Flüssigklotzung zum Erfolg

Ein Blick in die nahe Zukunft ist bei Wolfgang Winter zu sehen, bei dem ein 8 Meter langer Doppel-T-Träger aus Buche mit einem Mittelsteg aus Glas mit 30 Tonnen belastet wurde. Grundlage dafür war das von der HFA stammende Bemessungskonzept. Dazu Winter: «Die Argumente für das neue und hoch belastbare HGV-System sind griffig: Es ist leistungsfähiger und damit wirtschaftlicher, es benötigt weniger Material, man kann damit schlanker bauen. Lediglich die effiziente Flüssigklotzung ist nötig.»

www.ahb.bfh.chwww.holzforschung.atwww.iti.tuwien.ac.at/institut

Verklebung

Neue Verklotzung für den Fensterbau – ohne Systemwechsel

Die Berner Fachhochschule Holz und Bau in Biel (BFH) hat in einem mehrjährigen Projekt neue Möglichkeiten der Verklotzung für Fenster erforscht. Dabei wurden die Schwerpunkte auf die Wirtschaftlichkeit und die technische Machbarkeit eines Verfahrens gelegt, mit dem eingespritzter Klebstoff die herkömmliche Verklotzung ablöst.

Nach diversen statischen Versuchen, Materialabklärungen sowie Kleinversuchen konnte Urs Uehlinger, Leiter des Kompetenzbereichs Fenster-, Türen- und Fassadentechnik der BFH, an den Windays 2017 erste Bilanz ziehen. «Tatsächlich kann die flüssige Verklotzung bestehende Fenstersysteme optimieren», erklärte Uehlinger und betonte, dass damit insgesamt eine gleichmässigere Fertigungsqualität erzielt und die Wirtschaftlichkeit verbessert werden könnten. Um konkrete Resultate aus der Praxis zu erhalten, ist die Umsetzung in Pilotbetrieben initiiert.

Neue Perspektiven in der Holzverklebung

Das Verkleben gewinnt in den Bereichen Holzbau und Innenausbau zunehmend an Bedeutung. Moderne Holzwerkstoffe, Holzbauten und Möbel sind ohne eine zuverlässige Verklebung undenkbar. Aus diesem Anlass lädt die BFH am Mittwoch, 27. September 2017, Fachleute aus der Holzverarbeitung, dem Holzbau und dem Innenausbau zu einer Tagung unter dem Titel «Neue Perspektiven in der Holzverklebung» ein.

Basierend auf einer Darstellung der Grundlagen der Verklebung werden an der Tagung ausgewählte Klebstoffsysteme, Technologien der Verarbeitung und Anwendungsbeispiele vorgestellt. Interessierte Personen können sich bis am 31. August via Website der Berner Fachhochschule (www.ahb.bfh.ch) für die Tagung anmelden. Eine Fachausstellung ergänzt die spannende Serie von Referaten.

jp, pet, pet

Veröffentlichung: 24. August 2017 / Ausgabe 34/2017

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