Knackiges Projekt

Die Umsetzung des geschwungenen Empfangskorpusses erforderte diverse Konstruktionsschritte. Bild: Häubi AG

Betriebserweiterung.  Wo Zweifel drauf steht, steckt Qualität drin. Das gilt auch für den Erweiterungsbau des Schweizer Chips-Produzenten am Produktionsstandort in Spreitenbach AG. Die Qualität der Schreinerarbeiten spricht auf jeden Fall für sich – ohne Zweifel.

Es war Anfang der 50er-Jahre als Hans Meier, ein Cousin von Heinrich Zweifel senior, auf einem Bauernhof im beschaulichen Dörfchen Katzenrüti bei Rümlang ZH in einer riesigen Feldküchen-Pfanne die ersten Kartoffel-Chips frittierte. 1958 wurde die Marke Zweifel lanciert. Bald darauf wurden die Chips, mit einer Flotte von zehn unverkennbaren, orangen VW-Bussen schweizweit als Frisch-Service vertrieben. Heute kann die Zweifel Pomy-Chips AG, welche stets in Familienbesitz geblieben ist, auf eine über 60-jährige Erfolgsgeschichte zurückblicken. 1970 wurde das Werk in Spreitenbach AG eröffnet – ein Bekenntnis zum Standort Schweiz. Die Ortstreue wurde auf besondere Weise belohnt: Im Jahr 2015 wurde die Kesselstrasse, an welcher sich die Produktionsstätte befindet, in Zweifelstrasse umbenannt.

Neues Kapitel der Geschichte

Ende 2019 wurde mit einem Erweiterungsbau ein neues Kapitel der Firmengeschichte aufgeschlagen. Unter der Leitung der ZSB Architekten aus Oensingen SO ist rund um die bestehende Produktionshalle ein modernes Büro- und Dienstleistungsgebäude entstanden. Vereint sind unter seinem Dach neben der Produktion ein moderner Empfangsbereich, diverse Büroräumlichkeiten, Garderoben, ein Personalrestaurant sowie eine Genusswerkstatt, in welcher Besucher die Welt von Zweifel mit allen Sinnen erleben können.

Besonderes Baukonzept

Das neue Gebäude beruht auf einem besonderen Konzept, da es rund um die bestehende Produktionshalle geplant wurde. So entstand im Erdgeschoss und einem über wenige Stufen erreichbaren Zwischengeschoss jeweils ein Anbau auf der Nord- und der Südseite der bestehenden Halle, während sich die oberen beiden Geschosse über die gesamte Gebäudefläche erstrecken.

Die Produktionshalle sollte nicht mit Tragstrukturen des Neubaus durchstossen werden. Deshalb setzten die ZSB Architekten bei der Aufstockung des Gebäudes auf eine Fachwerktragstruktur. Entstanden ist auf dem Niveau der beiden ganzflächigen Obergeschosse eine Glasfassade mit einer Tragstruktur aus Stahlfachwerken. Diese stehen in harmonischer Kombination mit der Holzfassade des Erweiterungsbaus.

Schwungvoller Empfang

Auch auf den Innenausbau wurde viel Wert gelegt. Aufgrund des grossen Auftragsvolumens sowie der knappen Zeitspanne bis zur Montage habe man die Schreinerarbei- ten in Themenbereiche aufgesplittet und an unterschiedliche Betriebe vergeben, erklärt Architektin und Projektleiterin Stephanie Born. «Eines der Glanzstücke ist die Empfangstheke in ihrer freien Form», findet sie. Deren Ausgestaltung ist in einer Zusammenarbeit mit dem Innenarchitekten Roland Schaad von Objekt 13 in Bern entstanden und soll mit ihrer geschwungenen Form die Assoziation zu einem Kartoffelchips wecken.

Produziert wurde die Theke von der Häubi AG in Lyss BE. «Wir haben anhand der Ideenskizze eine saubere 3D-CAD-Zeichnung erstellt, sodass wir die Grundformen schnell und präzise auf der 5-Achs-CNC vorfertigen konnten», erklärt Geschäftsführer Marcel Baechler. Das aus Dreischichtplatten konstruierte Grundgerüst wurde mit 12 mm dicken Corianplatten in der Farbe «Glacier White» verkleidet. «Corian eignet sich perfekt für solche Anwendungen», sagt Baechler. Damit spricht er die Ästhetik der homogenen und porenlosen Oberfläche sowie insbesondere die Funktionalität und Belastbarkeit des Mineralwerkstoffes an.

Für diese spezielle Empfangstheke war Corian besonders geeignet, da es sich durch thermische Verarbeitungsverfahren naht- und fugenlos in nahezu jede beliebige Form bringen und sich sehr gut mit anderen Materialien kombinieren lässt. Allerdings müssen für solche Verformungsprozesse Negative angefertigt werden, was unter Umständen sehr aufwendig ist. Für die Verformung ist ein spezieller Backofen oder eine Furnierpresse notwendig, welche sich auf 160° Celsius erhitzen lässt. «Es braucht ein grosses Know-how, um zu verhindern, dass sich der Corian im Erhitzungsprozess zu stark verformt und im Abkühlungsprozess Risse entstehen», sagt Baechler.

So erklärt es sich auch, dass der Zeitaufwand der Corianverformung und der Bankarbeit inklusive des Zusammenbaus 314 Arbeitsstunden betrug, während für die Avor 75 Stunden gebraucht wurden und für die CNC-Programmierung 41 Stunden.

Offene Büroräume

Der Innenausbau des zweiten Obergeschosses wurde von der H&T Raumdesign AG in Aarau realisiert. Seitens der Bauherrschaft bestand der Wunsch nach einem Open Space Büro, also einem offenen Raum ohne feste Trennwände. Dies unter anderem auch, um die dank der Glasfassade günstige Lichtsituation optimal auszunutzen.

«Die Schwierigkeit lag darin, das Gleichgewicht zu finden zwischen Offenheit und Privatsphäre», sagt Innenarchitekt Roland Schaad. So wird das Bürogeschoss durch die filigranen Fachwerke gestützt und durch Akustikelemente sowie Vorhänge gegliedert. Die Arbeitsplätze sind entlang der Glasfassade angeordnet. Die Mittelzone ist geprägt von Besprechungsräumen mit Glaswänden, Sitz- und Kaffeenischen sowie diversen kleineren Besprechungszonen, sogenannten Fokusboxen. Die Verkleidungen und die Trennwände zwischen den jeweiligen Elementen wurden in furnierter und geölter Eiche ausgeführt. Bei den Besprechungsräumen sorgen VSG-Verglasungen mit natur eloxierten Profilen für die gewünschte Transparenz sowie vertikale Holzlamellen und Vorhänge für die nötige Privatsphäre. Die Sitznischen wurden mit farblich auf den warmen Eichenton abgestimmten Stoffen überzogen. Die Teeküchen und Wandverkleidungen, wie jene bei den wabenartig angeordneten Postfächern aus Eiche sind aus Formex Fenix gefertigt. Die Aussenecken der Postfächer sind auf Gehrung verleimt und mit einer Schattenfuge in die Wandverkleidung integriert.

Zu den Herausforderungen zählte für Christian Horlacher, Abteilungsleiter Innenausbau von H & T Raumdesign, dass sämtliche Ecklösungen des Bürobereiches auf Gehrung konstruiert waren und teilweise erst auf der Baustelle verleimt werden konnten.Dies bedingte auch beim Transport eine grosse Sorgfalt.

Geerdete Atmosphäre

Das Konzept der warmen Farben und Materialien zieht sich durch das gesamte Gebäude, bis hin zu den Personal-Garderoben, welche im ersten Stock untergebracht sind. «Wir haben bewusst auf ein angenehmes und unaufdringliches Design gesetzt», erklärt Roland Schaad. Mit der Wahl der Farben und der Materialien habe er versucht, die Identität des Unternehmens zu unterstreichen. «Zweifel steht für Natürlichkeit und Bodenständigkeit, da wäre es falsch gewesen, auf Hochglanzmöbel zu setzen», findet er. Und einen Innenausbau in der typischen, orangen Unternehmensfarbe hätte er als schwierig empfunden.

Der Innenausbau in warmen Erdtönen soll einerseits für ein Wohlfühlklima sorgen und andererseits daran erinnern, dass hier mit der Kartoffel ein Naturprodukt verarbeitet wird. Die Garderoben für die knapp 150 Mitarbeitenden nehmen das Konzept mit der Kombination aus Eichenholz und den dezent beleuchteten Sitznischen in einem erdig-matten Braunton auf. Die Garderoben stellte die Johann Ernst AG aus Killwangen AG her.

Das Personalrestaurant wurde von der Schreinerei Küffer in Pieterlen BE umgesetzt. Der Essraum ist mit rechteckigen Tischen aus Eiche und dunklem Kunstharz sowie runden Tischen in weissem Kunstharz bestückt. Blickfang sind die drei runden Sitznischen mit harmonisch abgestimmten Grautönen von Lackierung und Polster. Die Konstruktion der runden Sitznischen war laut Projektleiter Michael Meister eine echte Herausforderung.

Um die Rundungen zu fertigen, wurde eine Unterkonstruktion mit Rippen als Formgeber erstellt. Diese wurde anschliessend mithilfe eines Spannsets mit vorgängig auf der CNC-Maschine geschlitzten MDF-Platten umleimt. Nach dem Bündigfräsen der Überstände wurden die verleimten Fugen auf der Oberseite der Sitznischen überfurniert, damit diese unter dem Lack nicht zeichnen. Die Rundung unter dem Sitzbereich wurde hinterschrägt, um eine Fussfreiheit zu gewährleisten.

Die Sitznischen wurden im Betrieb zusammengebaut, um die exakten Masse für die Polsterung erfassen zu können. Dies führte zu einer erschwerten Anlieferung. Die Polster wurden vor Ort montiert.

Raum für informelle Besprechungen ist auch auf der gegenüberliegenden Seite des Personalrestaurants vorhanden. Hier kann mittels schalldämmender Glasschiebewand mit integrierter Tür ein abgetrennter Sitzungsraum geschaffen werden.

Gefertigt wurde die Schiebewand von der entsprechenden Abteilung der H & T Raumdesign AG. Diese lieferte ausserdem eine schalldämmende Schiebewand mit weiss beschichteter Oberfläche zum flexiblen Unterteilen der Sitzungszimmer.

Flexibilität ist eines der Markenzeichen in der Geschichte von Zweifel und dies seit jenem denkwürdigen Tag, an dem in der Feldküchen-Pfanne die ersten Kartoffel-Chips frittiert worden sind.

www.haeubi.chwww.hta.chwww.schreinerei-kueffer.chwww.zsbarchitekten.chwww.objekt13.ch

Zweifel Pomy-Chips AG

Jährlich werden am Produktionsstandort Spreitenbach AG über 20 000 Tonnen Kartoffeln von rund 250 Schweizer Bauern zu Chips verarbeitet. Das Salz stammt aus der Saline in Bex VD. Die Marke Zweifel umfasst gut 70 Chips- und Snacksorten. Die Abfälle der Kartoffeln werden als Tierfutter verwendet oder in Biogas umgewandelt. Das Werk in Spreitenbach verfügt über eine eigene Kläranlage, aus der Biogas und schliesslich Strom gewonnen wird.

www.zweifel.ch

Monika Hurni

Veröffentlichung: 25. März 2021 / Ausgabe 13/2021

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