Kochen mit Seitenwind

Funktion der Mulden-lüfter: Mittels Quer-strömung wird die Luft direkt am Entstehungsort abgesaugt. Bild: Falmec

Dunstabzug.  Immer öfter werden Küchen mit Dunstabzügen nach unten geplant. Das kochende Volk scheint eher gespaltener Meinung bezüglich Funktionsfähigkeit der Systeme. Deshalb ist es wichtig, nicht zu viel zu versprechen, sondern die Vor- und Nachteile klar zu benennen.

Zeitgemässe Küchen im mittleren und oberen Preissegment haben inzwischen meist keine Dunstabzugshaube mehr. Sie haben einen sogenannten Muldenlüfter, auch Kochfeldabzug genannt, der direkt am Ort des Geschehens integriert ist. Alternativ dazu werden auch absenkbare Tischlüfter eingesetzt, auch Downdraft genannt. Diese fahren beim Kochen elektrisch nach oben und verschwinden bei Nichtgebrauch wieder im Korpus unter der Abdeckung.

Der Trend: Je höher der Designanspruch und je repräsentativer die Küche, desto höher der Anteil für den Dampfabzug nach unten. Branchenkenner schätzen, dass in diesem Segment mindestens jede zweite Küche mit einem Dunstabzug nach unten ausgestattet ist. Ein Blick in die einschlägigen Küchen- und Kochforen im Internet zeigt schnell: Es gibt viele Fragen zu den verschiedenen Systemen und eine etwas in der Meinung gespaltene Kochgemeinschaft.

Nicht wenige Köche bezweifeln die Wirksamkeit des Dunstabzuges nach unten. Das gehört quasi zum Erfolgsprinzip und zur Marktführerschaft des Herstellers Bora hinzu. Denn wer sich bei einer Vorführung schliesslich von der Wirksamkeit überzeugen lässt, der ist auch schon fast als Kunde gewonnen. Aber viele sind skeptisch, dass ein Abzug nach unten den physikalischen Grundgesetzen entspricht.

Physik ist nicht jedermanns Sache

Warme Luft und damit auch heisser Dampf steigt nach oben. Das ist unstrittig. Höhere Physik oder etwas Fantasie braucht es, um der Argumentation zu folgen, dass dieser Luftstrom nur mit geringer Strömungskraft aufsteigt und deshalb leicht zu lenken ist. Denn genau damit arbeiten die Abzüge nach unten. Dort, wo die Abluft entsteht, erfolgt eine seitliche Ablenkung und schliesslich der Abzug nach unten. Dazu braucht es weder eine hohe Strömungkraft noch Volumen.

Zur Verdeutlichung wird manchmal das Beispiel eines Lagerfeuers bemüht. Schon geringer Seitenwind lässt einem den Rauch ins Gesicht wehen. «Dampf und Gerüche steigen mit maximal 1 m/s nach oben. Der Kochfeldabzug saugt jedoch unmittelbar mit einer Stärke von rund 4 m/s nach unten ab», argumentiert Hersteller Bora.

Tatsächlich kommt es nur selten zu höheren Strömungsstärken. Etwas anders verhält es sich mit hohen Töpfen. Es liegt auf der Hand: Je grösser die Distanz zur Absaugung, desto weniger wirksam ist diese. Wer also in einem hohen Topf Spaghetti kocht oder für die Grossfamilie den mächtigen Braten zubereitet und ihn im entsprechend grossen Behälter noch mit Wein ablöscht, der fährt mit einer anderen Technik möglicherweise besser.

Es gibt aber Hilfsmittel. Das Einfachste ist es, den Deckel etwas schräg aufzulegen, um die Lenkung der Dämpfe nach unten zu unterstützen. Und Hand aufs Herz: Wer den Braten ablöscht, sorgt zumindest vorübergehend bei fast jeder Technik für etwas Überforderung. Vergessen darf man auch nicht: Es gibt Tausende begeisterter Kunden mit reichlich Alltagserfahrung, die auf den Abzug nach unten schwören.

Noch mehr Diskussion und Fakten

Auch die Dunstabzugstechnik nach unten gibt es sowohl als Abluft- wie auch als Umluftvarianten. Und inzwischen ist die Modellvielfalt schon wieder fast nicht zu überblicken. Es findet sich kaum ein Hersteller, der inzwischen nicht auf diesen Zug aufgesprungen ist. Interessant, vor allem auf der Suche nach dem richtigen Produkt, ist deshalb der Vergleich untereinander. Und dort gibt es durchaus gewichtige Unterschiede. Das sind etwa die Kosten für den periodisch zu ersetzenden Kohlefilter oder auch die unterschiedlichen Konstruktionen für die Detaillösung des Fettauffangs. Und hier vor allem die Reinigungsmodalitäten.

Entscheidend ist, dass man bei der Umluft die Führung samt Rückströmung in den Raum im Griff hat. So finden sich etwa Modelle, bei denen diese nicht über einen Kunststoffkanal zur Entlüftung über den Sockel geführt, sondern über die gesamte Fläche hinter der Korpusrückwand geleitet werden. Hinter vorgehaltener Hand werden solche Systeme von Branchenkennern als wenig sinnvoll eingestuft. Dies betrifft auch einzelne Modelle etablierter Anbieter von Muldenlüftern. In jedem Fall sind dann nicht alle Materialien für die Rückwand geeignet. Diese muss zwingend mindestens 25 Millimeter Luft zur Wand oder zum angrenzenden Korpus aufweisen.

Was bei der Küchenplanung ebenfalls von Beginn an mit einfliessen muss, ist der Wegfall einer Leuchte, wenn nach unten abgesaugt wird. Was für den Gestalter ein Vorteil ist, weil extra Lichtquellen entsprechend eingesetzt werden können, kann bei einem Umbau auch zu mehr Aufwand führen, wenn die Deckenanschlüsse fehlen. In jedem Fall muss man bedenken, dass dann die gerne als Stimmungs- und Orientierungslicht genutzte Leuchte der Dunstabzugshaube entfällt.

Unstrittig sind andere Punkte. Neben gewichtigen Vorteilen gibt es auch nachteilige Aspekte beim Dunstabzug nach unten.

Vorteile eines Kochfeldabzuges

  • Kopffreiheit: Man muss kein Riese sein, damit das Kochen an einer normalen Dunstabzugshaube als Zumutung em- pfunden wird. Ergonomisch ungünstige Körperhaltungen oder das Stossen mit dem Kopf an der vorstehenden Haube ist mit einem Muldenlüfter Geschichte. Diesen Vorteil kann man auch mit einem ausfahrbaren Tischlüfter oder einer schräg an der Wand angebrachten Haube erreichen.
  • Freiraum gestalten: Wenn dort, wo normalerweise die Dunstabzugshaube montiert wird, keine vonnöten ist, eröffnen sich viele Möglichkeiten der Gestaltung für Küchenplaner und Kunden. Die beliebteste Variante ist dabei einfach der gestaltete Freiraum. Mit Abdeckungen von Muldenlüftern, die im selben Material wie das Kochfeld ausgeführt sind, sieht man bei manchen Modellen so fast nichts von der Absaugung. Einzige echte Alternative, gerade bei Insellösungen, ist ein Tischlüfter und, mit gestalterischen Einschränkungen, die von der Decke absenkbare Dunstabzugshaube.
  • Leiseres Kochen: Konstruktionsbedingt befindet sich beim Dunstabzug nach unten auch der Lüfter unten im Korpus. Konstruktiv etwas schallisoliert und vor allem weiter weg vom menschlichen Ohr, ist die Variante nach unten deshalb leiser als bei Dunstabzugshauben, bei denen der Motor direkt auf der Höhe der Ohren sitzt. Einzige konstruktive Alternative ist auch hierzu der Tischlüfter. Jedoch gibt es erste Neuerungen bei Hauben, die extrem leise sind, wie etwa von Electrolux.
  • Weniger Geruchsausbreitung: Erfolgt die Absaugung des Dampfs direkt am Ort des Geschehens, kann sich der Geruch beim Kochen weniger in der Umge- bungsluft ausbreiten. Auch bei gut funktionierenden Dunstabzugshauben haben Dämpfe und Essensgerüche mehr Zeit und Raum, um sich auszubreiten und niederzuschlagen.
  • Gut gereinigt: Die einzelnen Teile, allen voran der Metallfiltereinsatz von Muldenlüftern, sind kompakt in den Abmessungen. Da man das Kochfeld sowieso reinigt, landet das Metallgitter nach dem Kochen schnell im Geschirr- spüler. In der Praxis werden die Teile einer Haube weniger häufig gereinigt, weil aufwendiger. Weniger Teile mit geringerer Fläche führen zu leichterer Reinigung. Man kann deshalb einem Muldenlüfter tendenziell bessere Wartungs- und Pflegeeigenschaften attestieren.

Nachteile eines Kochfeldabzuges

  • Raumverlust: Alles, was an Technik nötig ist, muss bei der Absaugung nach unten auch dort untergebracht werden. Dazu gehören der Lüfter, der Aktivkohlefilter und die Kanäle zur Luftführung. Das braucht Platz und schränkt die Nutzung des Korpusses für andere Zwecke ein.
  • Koppelung an das Kochfeld: Die überwie- gende Anzahl der Hersteller von Kochmuldenlüftern bieten diese nur im Paket mit dem Kochfeld an. Das erschwert die Auswahl des im jeweiligen Fall richtigen Gerätes und schränkt die Gestaltungsfreiheit etwas ein. Wer also klare Ansprüche hat, muss stets die Geräte der Hersteller im Doppelpack miteinander vergleichen. Doch die Entwicklung geht, wenngleich langsam, nun auch in die andere Richtung. Während es bei den Tischlüftern schon einige separat zu installierende Modelle gibt, ist die Anzahl bei Muldenlüftern noch sehr begrenzt. Dies liegt auch an unterschiedlichen Abmessungen und Designs, aber vor allem daran, dass die Produzenten auf den Erlös mit Koch- feldern nicht verzichten möchten. Dieser Nachteil wird zum Vorteil, wenn für Kunden beide Geräte perfekt sind.
  • Reinigungsintervalle: Ein Muldenlüfter ist näher am Geschehen und somit auch Spritzern ausgesetzt. Er muss tendenziell öfter gereinigt werden als eine Haube. Je nach Kochverhalten kann dies auch schon nach einer Benutzung nötig sein. Darauf sollte man hinweisen. Andererseits ist die Reinigung einfach und führt zu einem guten Wartungs- und Funktionszustand der Kocheinheit.
  • Eingeschränkte Wirksamkeit: Bei häufigem Gebrauch von hohen Töpfen braucht der Kochdunst eine Lenkungs- hilfe, damit er nach unten abgeleitet werden kann. Die sonst hohe Effizienz der Absaugung leidet darunter. Wer einen Gasflammenherd mit der Absaugung nach unten kombinieren möchte, sollte ein System wählen. Je nach Aufbauhöhe, sprich Lage der Flamme und Umluft- oder Abluftsystem, kann es sonst Schwierigkeiten geben.
  • Höhere Kosten: Dem meist geringeren Energieverbrauch der Kochfeldabzüge und damit geringeren Kosten stehen genauso regelmässig deutlich höhere Preise für den Aktivkohlefilter gegen- über. Wird etwa bei einer Haube ein relativ kostengünstiges Granulat einge- setzt, liegen die regelmässigen Kosten beim Filtertausch für die Modelle der Muldenabzüge schnell um das Zwei- bis Fünffache darüber.

Und noch eine andere Lösung

Daneben gibt es noch einen Kompromiss: die versenkbaren Kochfeldabzüge. Im Betrieb aus erhöhter Position arbeitend, verschwindet dieser bei Nichtgebrauch flächenbündig in der Abdeckung. Die Variante gibt es auch in kurzer Bauart für die Anordnung beidseitig des Kochfeldes. Eine tolle Lösung mit einem hohen Preis.

ch

Veröffentlichung: 08. November 2018 / Ausgabe 45/2018

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