Kunstlicht simuliert die Natur

In diesem Raum passt sich die Farbtemperatur der Tageszeit an. Kühl am Morgen, … Bild: Bartenbach

LichtPlanung.  Neue Lichtlösungen können die innere Uhr der Menschen unterstützen und so die Arbeitseffizienz erhöhen. Möglich ist das durch Leuchten, die den Verlauf des Tageslichts nachempfinden. Für den Schreiner eröffnet sich eine Nische.

Ein Wintermorgen in der Schreinerei: Draussen ist es noch dunkel, das Licht in der Werkstatt schummrig, ein Ambiente zum Weiterschlafen. Die Arbeiter kommen nicht in Schwung.

Solche Situationen werden bald passé sein, glaubt man den Vertretern des Human Centric Lighting (HCL). Übersetzt bedeutet das eine biologisch wirksame Beleuchtung zur Steigerung des Wohlbefindens. Doch die LED-basierte Technologie ist noch nicht überall verbreitet. Bei der Umsetzung ist der Schreiner als Partner gefragt, der das Drumherum liefern kann.

Warmes und kaltes Licht steuern

Momentan kommt das HCL-Konzept vorwiegend im Premiumbereich zum Einsatz. Industrieunternehmen wie VW und Porsche, aber auch Pharmakonzerne wie Bayer, nutzen das Produkt, das auf der Tunable-White- Technologie beruht. Darunter versteht man die variable Farbtemperatursteuerung von einer warm- bis kaltweissen LED. Das Spektrum reicht von warmweissem Licht ab 2700 Kelvin, wie wir es von Glühbirnen kennen, bis hin zu tageslichtweissem Licht von 6500 Kelvin. Die entsprechende Farbtemperatur des Leuchtmittels wird mithilfe einer Software dynamisch gesteuert.

Wirkungsweise auf den Menschen

Zahlreiche Studien zeigen, dass das Tageslicht ein entscheidender Taktgeber für die innere Uhr des Menschen ist. Je nach Tageszeit kann Licht natürliche Impulse setzen. Das heisst: Eine Aktivierung am Morgen erreicht man durch höhere Blauanteile im Licht, vergleichbar mit dem morgendlichen Sonnenlicht. Für Lichtplanungen muss man wissen: Licht wirkt in drei verschiedenen Dimensionen.

Es beeinflusst uns biologisch, indem es uns wach oder schläfrig macht. Visuell wirkt es durch bestimmte Bilder auf der Netzhaut, die Informationen absorbieren. Emotional beeinflusst uns Licht, indem es Hirnregionen stimuliert und so für Wohlbefinden oder gesteigerte Aufmerksamkeit sorgt.

Ganzheitliche Lichtplanung

Die biologische Wirksamkeit des Lichts hänge von der Farbtemperatur, der Beleuchtungsstärke, der spektralen Zusammensetzung und der Lichtrichtung ab, so Daniel Tschudy. Er ist der Leiter Beratung Architekturkonzepte beim Unternehmen Bartenbach (A), einem Pionier der modernen Lichtentwicklung. Neben dem Licht wirken auch psychologische, raumklimatische und architektonische Faktoren auf unsere Leistungsfähigkeit ein. Im Grunde müsse man die Natur nachempfinden, zitiert Tschudy frei nach dem deutschen Schreiner, Künstler und Pädagogen Hugo Kükelhaus, der den Ansatz zur biologischen Lichtgestaltung bereits vor rund einem halben Jahrhundert formuliert habe.

Ein praktisches Beispiel zeigt: Das sogenannte Mittagstief wird durch den Einsatz von kaltweissem Bürolicht ausgelöst. Das heisst für die Lichtplaner: die 4000 Kelvin Bürolicht auf Tageslichtweiss und ebenso die Beleuchtungsstärke erhöhen. Die Folge ist, die Müdigkeit verschwindet und die Konzentrationsfähigkeit nimmt zu. In einem monetären Gewinn lasse sich das aber nicht ausdrücken, sondern zuerst in der Steigerung des Wohlbefindens.

Wer sich für eine ganzheitliche Lichtplanung interessiert, dem empfiehlt Tschudy die Weiterbildung zum Lichtplaner mit eidgenössischem Fachausweis bei der Schweizer Licht Gesellschaft (SLG). Tschudy ist auch an der ETH Dozent für Energie, Nachhaltigkeit und Technologie.

Schnittstelle Innenausbau

Aktuell arbeitet Bartenbach an der Beleuchtung eines Pfarreizentrums. Für die hinterleuchteten, mit Korbgeflecht bespannten Deckenelemente wird mit einer Schreinerei zusammengearbeitet. «Unsere Absicht ist es, das Licht unsichtbar zu halten. Dies geschieht durch die optimale Entblendung und Lichtverteilung in Kombination mit dekorativen Elementen und durch die Rücknahme der technischen Beleuchtung», erklärt Daniel Tschudy.

Zusätzlich entwickelt das Unternehmen Reflektoren und Linsen für die Industrie. Hersteller nutzen diese Elemente zum Bau entsprechender Leuchten. Doch bisher ist die Zahl der Hersteller begrenzt, die diese Premiumprodukte führen.

Technologie nicht für jede Leuchte

Einer dieser Hersteller ist die Firma Zumtobel in Dornbirn (A). Sie baut Leuchten mit Tunable-White-Technologie und der zugehörigen Steuerungssoftware «litekom», die über einen PC oder ein Tablet bedient wird. Ergänzend entwickelt sie biodynamische Lichtkonzepte unter dem Namen «Active Light». «Nicht jede Leuchte eignet sich für diese Technologie», so Andreas Reimann, der verantwortliche PR-Manager. Das jeweilige Lichtkonzept muss speziell auf die Einsatz- und Nutzergebiete abgestimmt werden. Das Unternehmen stützt sich dabei auf Forschungen mit dem Fraunhofer Institut über die wahrgenommene Lichtqualität im Büro. Danach liegt das vom Grossteil der Befragten angegebene Lichtbedürfnis mit 800 Lux deutlich über der empfohlenen Norm von 500 Lux.

Basierend auf solchen Studienergebnissen entstehen auch Lichtkonzepte für Verkaufs- und Präsentationsräume, wie auch für Industrie und Technik. In einer Fertigungshalle in Landsberg am Lech (D), in der behinderte Menschen beschäftigt sind, wurde für ein Maximum an Tageslicht die Dachkonstruktion verbessert. Mithilfe von Dachbindern erhöhte man die Transparenz der Verglasung. Indem eine Verglasung mit einer höheren Lichtdurchlässigkeit ausgewählt wurde, konnte auch die melanopische (lichtsensitive) Wirksamkeit um 14 Prozent erhöht werden. Durch den hohen Blauanteil sind die verwendeten Leuchten melanopisch wirksam.

Schulungen in Kooperation

Für die Projektplanung arbeitet Zumtobel mit Lichtlösungspartnern zusammen, also mit Lichtdesignern, Elektroplanern und Architekten, die für grössere Projekte spezielle Schulungen erhalten. Auch die Schulung von Schreinern ist denkbar. Ansprechpartner sind die jeweiligen Vertriebszentren von Zumtobel.

«In der Praxis funktioniert es so, dass die zuständigen Lichtplaner sich die Spezialisten, zum Beispiel den Schreiner, ins Projektteam holen,» heisst es bei Waldmann Lichttechnik aus Villingen und Schwenningen (D). Die Firma hat für den Pharmakonzern Bayer den LifeScience-Hub in Basel, ein internationales Forschungsgebäude, mit biodynamischem Licht ausgerüstet. «Lavigo» heisst die Stehleuchte, die mit dem Lichtmanagementsystem «Visual Timing Light» das Arbeitslicht taktet. Eine integrierte Tageslicht- und Präsenzsensorik sorgt jederzeit automatisch für das benötigte Licht. Die gleichmässige Ausleuchtung entsteht durch das ausgewogene Verhältnis von direktem und indirektem Licht.

Individuell steuern möglich

Eine Beleuchtung, die Ruhe- und Aktivitätsphasen auf natürliche Weise stimuliert, wirkt auch unterstützend auf die Tagesstruktur der Bewohner von Seniorenheimen. So setzte die deutsche Pro-Persona-Care in ihren Einrichtungen die Leuchte «Vivaa» in Verbindung mit der Steuerung «Dali» von Waldmann ein. Aber automatisch gesteuertes Licht wird nicht immer als Befreiung empfunden, sondern kann beim Nutzer auch zu psychologischen Barrieren führen. Das Gefühl, dem Licht hilflos ausgeliefert zu sein, muss ernst genommen werden. So besteht auch die Option, dynamisches Licht auszuschalten und individuell zu steuern.

Die schöne, neue Welt des Lichts klingt verheissungsvoll. Doch von einer flächendeckenden Umsetzung kann bisher keine Rede sein. Derzeit ist das vor allem eine Frage der Steuerung. «Die Komplexität der Programmierung nimmt für den Elektrofachmann zu», erklärt Daniel Tschudy. Statt eines Einkanal-Treibers müsse ein Zwei- oder Mehrkanal-Treiber angeschlossen werden. Verschiedene Anbieter verkaufen Mehrkanal-Treiber und LED, die ihre Lichtfarbe ändern können, bereits heute ohne Aufpreis. Allerdings kostet die Programmierung etwas mehr. Die Preise werden jedoch purzeln, so die Prognose des Fachmanns.

Arbeitsschützer kritisieren fehlende gesetzliche Vorschriften für HCL. Bisher galt die Norm Din EN 12464-1 für die Beleuchtung von Arbeitsstätten in Innenräumen. Die empfohlene Beleuchtungsstärke nach DIN-Norm liegt für Büros bei 500 Lux, die meistens mithilfe der Lichtregelung eingehalten wird. Selbst wenn man diese auf 1000 Lux erhöht, ist man von der Mittagssonne mit 100 000 Lux noch weit entfernt.

Keine Manipulation

Von einer zeitlich-biologischen Beeinflussung des Organismus ist also nicht die Rede. «Diese kann nur an den Schnittstellen, also morgens und abends, erfolgen, indem ich die innere Uhr vor- und zurückstelle», so Tschudy. Das heisst, man setzt in Nacht- und Abendstunden Melatonin-Licht ein, das heisst weniger als 2200 Kelvin, um die Konzentration zu erhöhen. Und in den Morgenstunden bringt ein hoher Blauanteil den Organismus in Gang. Es gehe darum, den Menschen in seinem biologischen Rhythmus zu unterstützen, und nicht darum, ihn aus seinem natürlichen Gleichgewicht zu bringen, sagt der Fachmann.

Schummrig beleuchtete Arbeitsplätze oder solche unter einer Neonsonne sollten also endgültig der Vergangenheit angehören. Doch die individuellen Nutzungsanforderungen und die Steuerbarkeit von HCL sind komplex. Es ist sicher von Vorteil, wenn der Schreiner das Thema kennt und Erfahrung in der Umsetzung mitbringt. Dann kann er im Team mit Lichtplanern oder Architekten auch Kliniken, Schulen, Hotels und Büros in ein anderes Licht tauchen.

www.bartenbach.comwww.zumtobel.comwww.waldmann.com

MZ

Veröffentlichung: 14. März 2019 / Ausgabe 11/2019

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