Mehr Luft zum Leben

Ein gutes Raumklima sorgt für Wohlgefühl. Dazu müssen bei uns nicht zwingend wie hier in New York Klimageräte montiert werden. Kleine Lüfter für Fenster genügen. Bild: Fotolia, Franzeldr

Lüftungssysteme.  Bei Neubauten setzen sich zentrale, kontrollierte Wohnraumlüftungen mit Wärmerückgewinnung durch, bei Passivhäusern sind sie sogar Vorschrift. Doch bei Sanierungen scheitert der Einbau meist an den Kosten. Hier schaffen Fensterlüftungssysteme Abhilfe.

Etwa 28 900-mal ein- und ausatmen, morgens und abends das Bad benutzen, danach Kaffee kochen, neun Pflanzen tränken und das Abendessen zubereiten: Bei solchen oder ähnlichen Gewohnheiten müssen täglich rund zwölf Liter Wasser fortgelüftet werden, sonst kann man keine gute Raumluftqualität gewährleisten. Um das gewissenhaft zu tun, müssen die Fenster 13-mal im Abstand von einer halben Stunde für fünf Minuten geöffnet werden. Das ist eine sehr ambitionierte Aufgabe, zumal in vielen Haushalten nicht einmal genug Zeit vorhanden ist, um wenigstens am Morgen die Fenster zu öffnen und fünf Minuten lang quer zu lüften.

Die Anforderungen an die Wohngebäude verändern sich stetig. Immer bessere Standards von Dämmmaterialien und Fenstern sorgen dafür, dass die Gebäude praktisch luftdicht saniert werden und die alte, gesättigte Luft nirgends entweichen kann. Durch diese Entwicklung muss weniger Energie dazu aufgewendet werden, um die Raumtemperatur angenehm zu halten. Die luftdichte Gebäudehülle schliesst jedoch die Feuchtigkeit in den Räumen ein, und es kann so zur Entstehung von Feuchtigkeitsschäden wie zum Beispiel Schimmelpilzbefall kommen. Darüber hinaus steigen bei zu geringer Lüftung die Schadstoffkonzentrationen in der Raumluft.

Plötzlich ist die Gebäudehülle dicht

Allerdings benötigten auch alte Häuser neben dem unkontrollierten Luftaustausch über die undichte Gebäudehülle (sogenannte Infiltration) eine Lüftung über geöffnete Fenster, um den erforderlichen Luftwechsel sicherzustellen, sagt Christoph Geyer, Dozent für Bauphysik an der Berner Fachhochschule Biel (BFH). «Bei Sanierungen der Gebäudehülle nach dem aktuellen Stand der Technik wird diese luftdicht ausgebildet. Dadurch wird die Infiltration minimiert, womit die Bedeutung der Fensterlüftungssysteme zunimmt, um den Luftwechsel sicherzustellen.» Verschiedene Faktoren wie die Einbausituation und Einbaumöglichkeit müssen vorab abgeklärt werden. Die Menge von Zuluft und Abluft sollte definiert sein. «Bei starker Aussenlärmbelastung eines Gebäudes sind Lüftungssysteme zu wählen, die unabhängig vom Öffnen der Fenster funktionieren», sagt Geyer. Dabei würden in der Regel mechanische Lüftungsgeräte vorgesehen. Dies gelte auch dann, wenn die Belastung der Aussenluft durch Pollen oder Feinstaub mit einem Filter verringert werden soll. «Bei energieeffizienten Gebäuden mit einem sehr hohen Wärmeschutz müssen auch die Lüftungswärmeverluste reduziert werden. In diesem Fall kommen nur mechanische Lüftungssysteme mit einer effizienten Wärmerückgewinnung infrage.» Und nicht zuletzt sind Einbruchsicherheit, Ästhetik und Kosten auch immer Auswahlkriterien.

Fachleute unterscheiden in der Regel zwischen zwei Lüftungssystemen:

  • Zentrale Lüftungsanlage: Als «Herz» der Lüftungsanlage wird im Keller ein sogenannter Monobloc installiert. Über Rohrleitungen, die sich durch das ganze Haus ziehen, werden die Räume erschlossen.
  • Dezentrale Lüftungsanlage: Der Luft- austausch erfolgt über Einzelraumlüfter. Auf dem Markt werden verschiedene solcher Fensterlüftungssysteme angeboten.

Passiver Strom oder aktives Ventilieren

Dieser Beitrag befasst sich nur mit den (dezentralen) Fensterlüftungssystemen. Ihr wesentliches Merkmal ist die Klassifizierung als Aktiv- oder Passivlüfter: Ein passives Gerät (ohne motorischen Ventilator) basiert auf der natürlichen Druckdifferenz zwischen kühler Aussenluft und erwärmter, verbrauchter Raumluft und erzeugt auf diese Weise einen Luftwechsel. Das Gerät sorgt beispielsweise bei einer künstlich geschaffenen Druckdifferenz (wie etwa durch die Dunstabzughaube in der Küche oder den Abzugsventilator im Bad) für das Nachströmen der Aussenluft. Ein aktiver Lüfter verfügt dagegen über einen Ventilator, der eine kontrollierte Lüftung sicherstellt. Wenn alle Faktoren bestimmt sind, kann ein geeignetes Lüftungssystem ausgewählt werden (siehe Übersicht auf der nächsten Seite).

Die Vorteile der intelligenten Lüftungstechnik zeigen sich am besten am Beispiel der Wärmerückgewinnung. Hier dreht sich letztlich alles um einen guten Austausch: Die frische, kalte Aussenluft wird angesaugt, und die warme, verbrauchte Raumluft wird abgesaugt. Durch die Führung der Luft über einen Wärmetauscher wird die Wärme der Abluft auf die Zuluft übertragen. Die Zuluft wird somit vorgewärmt. Die Raumluftfeuchtigkeit und die Heizkosten werden auf einen Streich reduziert.

Silvan Rupp von der Sparte Lüftungstechnik bei der Siegenia-Aubi AG sagt dazu: «Wenn alle Punkte mit dem Bauherrn besprochen sind, macht oftmals eine Beratung durch einen Lüftungsspezialisten Sinn, da die Einbausituationen vielfältig und die Vorgehensweisen auch objektabhängig sind.» Für den Einbau stehen Bedienungs- und Montageanleitungen der Anbieter zur Verfügung. «Diese müssen unbedingt eingehalten werden.»

Bei der Planung von aktiven Fensterlüftungssystemen darf überdies nicht vergessen werden, dass Stromzuleitungen notwendig sind. Und je nach Einbauvariante sind zusätzliche Rahmenverbreiterungen oder Kämpfer zu berücksichtigen.

Haupträume brauchen mehr Komfort

Lüftungssysteme mit reinem Auf-/Zu-Betrieb sind aus Komfortgründen nur für Nebennutzräume wie zum Beispiel Verkehrsflächen, Hobbyräume, Hauswirtschafts- und Lagerräume geeignet. In Hauptnutzräumen wie Wohn- und Schlafzimmern, Büros, Sitzungszimmern und Schulzimmern sollten nur Systeme mit kontinuierlicher, stetiger Steuerung (d. h. stufenlose Öffnung) eingesetzt werden. Bei Wohnungen werden automatische Fensterantriebe teilweise in Kombination mit Fortluft-Dunstabzugshauben eingesetzt. Das heisst, dass bei Betrieb der Dunstabzughaube ein automatischer Antrieb ein Fenster öffnet. Für solche Fälle dürfen auch Antriebe mit reinem Auf-/Zu-Betrieb eingesetzt werden.

Laut Silvan Rupp reiche konventionelles Fensterlüften oft nicht aus, zumal es selten konsequent angewendet werde. Und ein schlechtes Raumklima könne zu gesundheitlichen Beschwerden führen.

www.ahb.bfh.chwww.siegenia.ch

Spaltlüfter

Neben einem herkömmlichen Dreh-Kipp-Beschlag gibt es heute Spaltlüfter. Das sind Fensterbeschläge wie «Safe & Go» von Weru, welche den Fensterflügel parallel 6 mm vom Fensterrahmen abstehen lassen. Die frische Aussenluft strömt langsamer und gleichmässiger in den Innenraum. Da- durch wird sie schneller auf die Raumtemperatur erwärmt. Die Zugerscheinung und die Energieverluste sind deutlich geringer als bei einem gekippten Fenster. Der Spaltlüfter ist eine günstige Variante mit Einbruchsicherheit bis zur Widerstandsklasse RC2 – auch in der Lüftungsposition.

www.weru.ch

Falzlüfter

Wie es der Name schon andeutet, werden die Falzlüfter im Fensterfalz montiert. Sie arbeiten selbstregulierend (Passivlüfter). Für die Luftzufuhr müssen die Fensterdichtungen an bestimmten Orten ausgeschnitten werden. Die Montage erfolgt seitlich oder oben. Solche Systeme, beispielsweise «Air Comfort» von Weru, können auch nachgerüstet werden und kommen hauptsächlich in Mietwohnungen zum Einsatz. Falzlüfter sind in der Regel weder von innen noch von aussen sichtbar. Bei starkem Wind legt sich die Dichtung an den Öffnungsspalt, so dass nur noch begrenzt Luft einströmen kann. Durch das Ausschneiden der Dichtung wird der Schallschutz leicht reduziert.

www.weru.ch

Schalldämmung und Pollenfilter

Der Schalldämmlüfter erfüllt hohe Anforderungen an die Schalldämmung. Solche Systeme gibt es für verschiedene Einbauvarianten: für die Montage im Kämpfer, im Glasfalz oder in der Rahmenverbreiterung. Die Lüftung erfolgt aktiv, passiv oder kombiniert.

Weru bietet einen Schalldämmlüfter in Verbindung mit einem Pollen- und Feinstaubfilter an («Fresh»-Lüfter). Das zum Vorteil von Allergikern und Personen, die an sehr stark befahrenen Strassen oder Gleisen wohnen. Das System ist in verschiedenen Montagevarianten erhältlich. Die Filter können durch die Bewohner auf einfache Weise ausgewechselt werden. Beim «Fresh»-Lüfter lässt sich die Frischluftzufuhr individuell über einen Schiebemechanismus einstellen (unteres Bild).

Für den Fall, dass keine besonderen Anforderungen an den Schutz vor Schall, Pollen oder Feinstaub bestehen, gibt es solche Lüfter auch ohne Extras in mehreren Einbau- und Funktionsvarianten.

www.weru.ch

Lüfter mit Wärmerückgewinnung

Systeme mit Wärmerückgewinnung sind nur als Aktivlüfter erhältlich (oberes Bild: «Aero Therm» von Weru; unteres Bild: «Aeromat VT» von Siegenia). Sie vereinen das Lüften mit dem Sparen von Heizkosten. Es gibt Systeme, die direkt im Fensterrahmen integriert sind, und solche, die angebaut werden. Die Bedienung erfolgt manuell oder mit Fernbedienung. Fensterlüfter mit Wärmerückgewinnung können auch in teilsanierten Altbauten eingebaut werden, ohne dass aufwendige Installationen notwendig sind. Solche Systeme sind meistens kombiniert mit Schallschutz und Pollen- beziehungsweise Feinstaubfiltern und stellen den Luftaustausch nahezu ohne Wärmeverlust sicher: Der Wirkungsgrad beträgt bis zu 90 %. Rolf Suter, Inhaber und Geschäftsführer der Firma Suter Fenster und Haustüren im schaffhausischen Neuhausen, weist aber darauf hin: «Systeme mit Wärmerückgewinnung sind nicht einfach nachrüstbar und sollten sorgfältig geplant werden.»

Ein integrierter Kohleaktivfilter und der optional erhältliche Pollenschutzfilter reduzieren Schadstoffe in der Luft.

www.suterfenster.chwww.siegenia.comwww.weru.de

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Veröffentlichung: 29. Oktober 2015 / Ausgabe 44/2015

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