Mehrere Wege führen ans Ziel

Ein Erstgespräch beim VSSM: Daniel Furrer (l.) berät Unternehmer bei Fragen zum Thema Nachfolgeregelung. Bild: Helen Oertli

Nachfolgeregelung.  Wer seine Optionen kennt, entscheidet treffsicher: Es gibt viele verschiedene Formen, wie eine Nachfolge geregelt werden kann. Um die passende zu finden, lohnt es sich, den Fächer zu öffnen – denn die naheliegendste Option ist nicht immer die beste.

Im Zyklus eines jeden Unternehmens stellen sich laufend Herausforderungen. Doch kaum ein Prozess ist ähnlich anspruchsvoll wie die Regelung der Nachfolge im eigenen Betrieb. Viele Unternehmer haben die Firma in jungen Jahren von ihren Eltern übernommen und danach unter grossem Einsatz weiter aufgebaut. Das Lebenswerk nun in neue Hände zu übergeben, kostet Überwindung und stellt die Inhaber vor eine Vielzahl komplexer Fragen: finanzielle, steuerrechtliche, erbrechtliche und immer auch emotionale.

In der Schweiz stehen 70 000 KMU kurz vor einem Generationenwechsel, wie dem Bericht «Unternehmensnachfolge in der Praxis» zu entnehmen ist, den die Credit Suisse 2016 herausgegeben hatte. Diese Unternehmen sind für mehr als 400 000 Arbeitsplätze verantwortlich – 10 Prozent aller Beschäftigten in der Schweiz. Scheitert eine Nachfolgeregelung, belastet dies nicht nur das betroffene Unternehmen und dessen Mitarbeitenden, sondern auch Lieferanten und Partner. Laut der Studie «KMU Nachfolge – Quo Vadis?» der Stiftung KMU Next verschwindet nahezu jedes dritte kleine und mittlere Unternehmen, weil es nicht gelingt, einen Nachfolger zu finden.

Komplexität schreckt ab

In der Schreinerbranche haben laut dem Wirtschaftsinformationsdienst Bisnode D & B die Besitzer von 630 Betrieben das 60. Lebensjahr überschritten. Rund 14 Prozent aller Betriebe stehen also kurz vor einem Generationenwechsel. Dass viele Übergaben noch ungelöst sind, schreibt Franziska Müller Tiberini der hohen Komplexität von Nachfolgeregelungen zu. Die Autorin, Referentin und Gründerin der Beratungsstelle «Familienunternehmen» hat jahrzehntelange Erfahrung mit Nachfolgeregelungen. «Die Komplexität einer Nachfolgeregelung schreckt viele ab. Man weiss nicht, wo man beginnen soll», erklärt Müller Tiberini und empfiehlt: «Man kann nicht alle Themen gleichzeitig angehen, aber es hilft, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, was es zu regeln gibt, und dann Schritt für Schritt vorzugehen.»

Der Prozess einer Nachfolge braucht Zeit. Aktuelle Forschungsergebnisse der Studie KMU Next zeigen, dass die Variante, die Firma an unternehmensexterne Personen zu verkaufen, mit knapp 4,5 Jahren am kürzesten dauert. Bleibt das Unternehmen jedoch in der Familie, braucht der Prozess – vom ersten, gezielten Gespräch bis zur Übergabe des Büroplatzes – gut zwölf Jahre. Experten und Ratgeberliteratur empfehlen deshalb, den Nachfolgeprozess bereits mit Anfang 50 anzugehen.

Wie zukunftsfähig ist der Betrieb?

Als Allererstes gilt es zu klären, ob das Unternehmen überhaupt zukunftsfähig ist. Daniel Furrer, Bereichsleiter Technik & Betriebswirtschaft beim VSSM, berät Schreinerbetriebe bei der Suche nach einer Nachfolgelösung. Weil sich die Schreinerbranche in einem Verdrängungsmarkt befindet – in vielen Regionen besteht ein Überangebot von Unternehmen –, nimmt nun mit der Pensionierung der Besitzer eine Strukturbereinigung ihren Lauf.

Für einige Betriebe wird dies bedeuten, an grössere Mitbewerber zu verkaufen oder die Firma liquidieren zu müssen. Davon sind insbesondere Kleinstbetriebe betroffen. Doch was macht ein zukunftsfähiges Unternehmen aus? «Ein nachfolgewürdiges Unternehmen hat eine Vision, hebt sich im Markt ab und ist auch bekannt für seine Leistungen», antwortet Furrer. Damit es aber auch nachfolgefähig ist, müssen die Finanzen stimmen: Rentiert das Geschäft? Ist die Betriebseinrichtung zweckmässig und der Standort attraktiv? Immer relevanter sei die Frage geworden, wie das Wissen im Unternehmen organisiert ist, sagt Furrer.

Strukturen anpassen

Unternehmen, die vom Einmannbetrieb zur mehrköpfigen Unternehmung gewachsen sind, vernachlässigen es oft, die internen Strukturen anzupassen. Kundendaten sind in Excel statt ERP geführt, dokumentierte Abläufe fehlen, alle Informationen laufen beim Inhaber zusammen. Doch gerade wenn es um die Nachfolge geht, muss der Besitzer austauschbar sein und der Betrieb reibungslos weiterlaufen.

Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, wie die Nachfolge gelöst werden kann. Die Zeiten, als das Unternehmen ohne zu hinter- fragen dem ersten Kind vermacht wurde, sind vorbei – wenngleich noch immer drei Prozent der Schweizer KMU dem ältesten Sohn oder der ältesten Tochter die Firma übergeben. In den letzten 20 Jahren fanden laut der Studie «Herausforderung Genera-tionenwechsel» 46 Prozent der realisierten Übernahmen innerhalb der Familie statt. In 25 Prozent der Fälle übernahmen Mitarbeitende das Unternehmen, bei 30 Prozent wurde der Betrieb an unternehmensexterne Personen verkauft.

Familieninterne Unternehmernachfolge

Bei der klassischen Übergabe treten Familienmitglieder die Nachfolge des Unternehmers an. Furrer rät Unternehmern, wertneutral zu hinterfragen: Was braucht das Unternehmen? Würde ich auch einem Aus-senstehenden mit denselben Qualitäten und Eignungen die Firma übergeben? Wenn diese Frage klar mit Ja beantwortet werden kann, dann sollte diese Lösung auch weiterverfolgt werden.

Bei der Übergabe innerhalb der Familie gilt es zudem zu klären, wie die Führung und das Eigentum übertragen werden sollen. An eine oder mehrere Personen? Und wer erhält welchen Anteil? Eine interne Nachfolgeregelung ist dann erfolgreich, wenn sie gleichermassen im Interesse der Familie als auch des Unternehmens ist.

Fremdmanagement unter Familienbesitz

Das Unternehmen kann auch im Besitz der Familie bleiben, jedoch von familienexternen Managern geführt werden. Diese Variante bietet sich beispielsweise an, wenn der Sohn oder die Tochter zwar gewillt, aber noch nicht bereit dazu ist, die Nachfolge anzutreten. Müller Tiberini kennt diese Situation aus ihrer Beratertätigkeit. Ein Unternehmer will zwar den Betrieb an die Kinder übergeben, doch erfüllen diese noch nicht die Anforderungen, die der Unternehmer an seine zukünftigen Nachfolger gestellt hat. «Nun wird für die nächsten Jahre ein aussenstehender Manager die Firma führen, und die Nachfolger haben Zeit, sich die noch fehlenden Kompetenzen und Erfahrungen anzueignen.»

Familienexterne Nachfolge

Für die Nachfolge durch familienexterne Personen gibt es zwei Formen.

Management-Buy-out: Von einem Management-Buy-out spricht man, wenn das Unternehmen an Kadermitarbeiter verkauft wird. Für Eigentümer ohne Erben ist es eine interessante Alternative, das Unternehmen an langjährige Mitarbeitende zu übergeben. Diese sind im Betrieb und in der Branche fest verankert und mit den internen Ab- läufen vertraut. Mit dem Kauf durch Kadermitarbeitende übernehmen diese die operative und finanzielle Verantwortung. Idealerweise werden die potenziellen Nachfolger schon früh identifiziert und entsprechend gefördert.

Management-Buy-in: Beim Management-Buy-in handelt es sich um den Verkauf des Unternehmens an externe Manager. Will sich eine aussenstehende Person selbstständig machen, so profitiert sie mit der Übernahme eines bestehenden Unternehmens von einer Betriebseinrichtung und einem bestehenden Kundenstamm. Denn übertragene Unternehmen haben mit einer 95-prozentigen Überlebenswahrscheinlichkeit in den ersten fünf Jahren eine deutlich bessere Quote als Neugründungen, von denen gemäss der Studie «KMU Nachfolge – Quo Vadis?» lediglich 50 Prozent überdauern. Angesichts des Überangebots an Schreinerbetrieben bietet sich manchmal eine Übernahme durch einen derzeitigen Mitbewerber an, falls dieser am Know-how, an der Betriebseinrichtung oder an der Gewinnung von mehr Marktanteilen interessiert ist. Vorausgesetzt, das Unternehmen ist attraktiv genug für den potenziellen Käufer.

Netzwerk nutzen

Hansjörg Zimmerli wollte die Liquidation seiner Schreinerei, der H. J. Zimmerli AG in Zofingen AG, auf jeden Fall verhindern. «Ich war es meinen langjährigen Mitarbeitenden schuldig, ihre Arbeitsplätze zu erhalten», erzählt Zimmerli rückblickend. Über sein Netzwerk thematisierte Zimmerli seine Suche nach einem Nachfolger. Anfragen trafen ein, doch meist nur von Finanzinvestoren, die an einem Risikokapital interessiert waren. Ein anderer Interessent – ein junger Mann ohne ausreichende Ausbildung, dafür mit einem vermögenden Schwiegervater – sah die Unternehmung eher als Experiment. «Das konnte nicht gut gehen», war Zimmerli klar.

Der Besitzer stand schon kurz vor seinem 70. Geburtstag, als sich Christian Binder bei ihm vorstellte. Binder hatte einen grösseren Ladenbaubetrieb geführt und wollte sich selbstständig machen. Über die Vermittlung des VSSM gelangte er zur Schreinerei in Zofingen, die seinen Vorstellungen entsprach. «Danach ging es schnell», erzählt Zimmerli. Beraten durch seinen langjährigen Treuhänder, erstellte er die Verkaufsdokumente, setzte einen Preis fest und führte die Verhandlungen.

Da Zimmerli bereits Jahre früher die Einzelfirma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt hatte, lief die Übergabe einfach. Die meisten der zwölf Mitarbeitenden konn-ten ihre Arbeitsstelle behalten. Erst später, als bei der Binder Interior AG, wie das Unternehmen unterdessen hiess, die Abteilung Küchenbau reduziert und stärker auf den Ladenbau fokussiert wurde, bedeutete dies eine Kündigung der Mitarbeitenden, die zuvor Küchen geplant hatten. Heute empfiehlt Zimmerli: «Beginnen Sie möglichst früh mit der Suche. Lassen Sie sich von einem guten Treuhänder beraten und nutzen Sie das Netzwerk des Verbands.»

Serie

Betriebsnachfolge im Fokus

In einer losen Folge beleuchtet die SchreinerZeitung die Problematik rund um die Betriebsnachfolge. Erschienen ist bereits «Übergabe an die nächste Generation». Geplant sind weitere Beiträge zu den Themen:

  • Analyse und Vorbereitung
  • Umsetzung und Abkoppelung
www.schreinerzeitung.ch

Zur Person

Beratung für Unternehmerfamilien

Franziska Müller Tiberini führt seit 1996 ihr eigenes Beratungsunternehmen «Familienunternehmen.ch» und berät Einzelpersonen und Unternehmerfamilien zum Thema «Familiennachfolgeprozesse». Die Autorin war 15 Jahre im familieneigenen Betrieb tätig, der Messgeräte im Hochspannungssektor herstellte, zuletzt als CEO und Mitglied des Verwaltungsrates. Berufsbegleitend studierte sie Betriebswirtschaft und absolvierte diverse Weiterbildungen, so auch zur Mediatorin. Müller Tiberini ist Autorin diverser Fachartikel und dreier Bücher.

www.thefamilyretreat.ch

Hilfe bei der Planung

Durch den VSSM: In einem vertraulichen Erstgespräch werden Unternehmer oder potenzielle Nachfolger durch einen Experten des VSSM an die Nachfolge herangeführt: Analyse der aktuellen Situation, Varianten und Optionen, Erläuterung der verschiedenen Phasen der Nachfolge. Dabei wird aufgezeigt, wie der VSSM im jeweiligen Fall konkret Unterstützung bieten kann. Dieses Angebot ist für VSSM-Mitglieder kosten- los. Weitere Informationen erteilt Daniel Furrer, Bereichsleiter Technik & Betriebswirtschaft beim VSSM, unter daniel.furrer[at]vssm[dot]ch oder Telefon 044 267 81 30.

Durch die HFB: In einem eintägigen Seminar an der HF Bürgenstock erhalten die Teilnehmer einen roten Faden durch den Prozess der Nachfolge. Ebenso wird an Beispielen aufgezeigt, worauf bei Nachfolgeregelungen zu achten ist. Zwei ausgewiesene Experten bringen ihr Wissen ein, über das sie in diesem Themenbereich aus ihrer täglichen Arbeit verfügen.

www.vssm.chwww.hfb.ch

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Veröffentlichung: 23. Mai 2019 / Ausgabe 21/2019

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