Mit Herz und Holz durchs Feuer

Der Surf-Champion Balz Müller hat geholfen, das Balance-board in der Szene bekannt zu machen. Bild: Jürg Kaufmann

Balanceboards.  Christof Peller machte sich mit Skateboards und Designmöbeln aus dem Zürcher Oberland einen Namen. Beim Brand der früheren Bührer-Fabrik in Hinwil vor einem Jahr verlor er 30 Jahre seiner Arbeit. Doch dank einem Geistesblitz surft er bereits auf einer neuen Welle.

«Holz ist doch verdammt schön», schwärmt Christof Peller (kleines Bild). «Denn Dinge aus Holz sind nie gleich, auch wenn sie gleich sind.» Ungeschminkt sei Holz am attraktivsten, und eine Shoppingtour beim Furnierhändler sei für ihn «richtig sexy». Der Unternehmer singt eine Lobeshymne auf den Werkstoff – und verschweigt dabei einen wichtigen Fakt: Seine Skateboards der Marke «Indiana» gehören zur Weltspitze. Doch Peller will sich nicht der Superlative bedienen. Qualität, Einzigartigkeit, Beständigkeit, aufs Minimum gebrachte Funktionalität, Schönheit, verpackt in einer Wolke von Bescheidenheit. So funktioniert Swissness. So funktioniert auch Peller.

Der 52-Jährige wohnt in einem denkmalgeschützten Haus in Küsnacht am Zürichsee. Die Decke aus uralten Holzbalken, der Fussboden aus Holz. Ein Kontrabass wacht in einer Ecke der Stube über ein Sammelsurium aus Boards, Paddles und allen möglichen hölzernen Dingen, die Peller auf Flohmärkten vor dem Verschwinden rettete. Es ist Nacht. Vor dem Fenster sieht man die Lichter am anderen Ufer des Sees. Auch Christof Peller hat das Licht angeknipst. Alles Lampen aus eigener Fabrikation. Einzelstücke, preisgekrönt und Weltspitze. Aber eben: Das hört er gar nicht gern.

Furnier und Fiberglas

Christof Peller wuchs in Herrliberg ZH auf. Im Alter von 19 Jahren sagte er der Mittelschule Adieu. Sein Vater Ingenieur, seine Mutter Pädagogin. Die Nachbarn Schreiner und Schlosser. Bei denen stand er in der Werkstatt, wenn wieder einmal ein Spielzeug kaputt ging. Die Fähigkeit, etwas zu reparieren, die Arbeit mit Holz faszinierten den Buben. Später wandte sich der sportliche junge Mann der Skaterszene zu. Im Winter snowboarden, im Sommer surfen auf dem See oder skaten auf dem Asphalt. Mit Gleichgesinnten bastelte er in der elterlichen Garage die ersten handgemachten Longboards «made in Switzerland». Die asymmetrischen Skateboards waren mit 70 Zentimetern Länge klein genug für jeden Studentenrucksack, gross genug, um durch den Alltag zu flitzen, und wendig genug, um im Turniermodus jeden Slalom zu meistern. Acht Lagen Mahagonifurnier und dazwischen eine Lage Fiberglas machten die Bretter gleichzeitig flexibel und stark. Jedem der Boards in Form eines Fisches brannten die Jungs einen Indianerkopf als Markenzeichen ein und versahen es mit einer Nummer. Ein paar Jahre später wurden die Boards dann grösser, runder und dadurch weniger anfällig für Kollisionsschäden. Jetzt kamen stabverleimte Esche und leichte Pappel zum Einsatz.

Mit ihrer konkaven Fläche waren diese Boards auch technisch eine Weiterentwicklung. Als zu diesem Zeitpunkt ein grosser Mitbewerber die Produktion einstellte, war das die Chance für Christof Peller und seine Freunde. Er gründete die Firma Indiana Skateboards und sicherte sich für die Fabrikation eine alte, acht Tonnen schwere Furnierpresse. «Dieser Dinosaurier des Schweizer Herstellers Steinemann lief zuverlässig. Wir waren mega stolz.»

Weil die Maschine riesig und das Material umfangreich war, verlagerte man die Produktion in eine alte Fabrikhalle in Wald im Zürcher Oberland. Man verfeinerte, perfektionierte, und bald schon stellten Christof Peller und seine vier Mitarbeitenden Tausende von Boards her. Das Indiana-Skateboardteam wurde Welt- und Europameister. Der Erfolgskurs gipfelte im Jahr 2000 an der Sportfachmesse Ispo in München. Hier gewann Indiana die begehrte Auszeichnung «Ispo New Brands».

Eine Schreinerlehre hat Christof Peller bis heute nicht gemacht. Wenn er aber von all den verschiedenen Boards erzählt, die er je hergestellt hat, müssen selbst Freaks genau hinhören, denn der Bau von Boards scheint eine Wissenschaft für sich zu sein. Bald stellte der Unternehmer in Zusammenarbeit mit Willi Herzogs Nova-Ruder GmbH aus Männedorf auch hohle Stand-up-Paddles (Sup) her. «Meine Vision war immer: ‹From the Street to the Ocean›. Das Dahingleiten, egal ob auf Asphalt, Wasser oder Schnee, ist eben eine besondere, faszinierende Art der Fortbewegung», sagt Peller.

Holz leuchtet wie Bernstein

Kurz nach der Jahrtausendwende bremsten das Ladensterben der Detaillisten und der starke Euro die Schussfahrt des Unternehmens. Christof Peller navigierte um. Warum nicht andere schöne Dinge aus dem vorhandenen Furnier herstellen? Schliesslich hatten berühmte Schweizer Designer wie zum Beispiel Huldreich Altorfer, Embru oder auch der Landi-Stuhl des Designers Hans Coray einen Bezug zur Ortschaft Wald. «Die Kultur war ja einmal da, und wir versuchten, sie unter der Marke ‹Wald-Haus› neu aufzugreifen», sagt er. Das Erstlingswerk, eine Furnierleuchte, schuf er mit seinem ehemaligen Teamfahrer Kevin Fries, der zu dieser Zeit gerade Design an der Zürcher Hochschule der Künste studierte. Bald schon war die Stehleuchte WS40 mit ihren drei filigranen Chromstahlbeinen in Design-Magazinen zu sehen. Ihr Schirm ist ein zur Rundung geformtes Furnier, sechs Millimeter dünn und innen mit Fiberglas verstärkt. Möglich ist das mit allen Hölzern. «Besonders schön ist aber das Holz des Tulpenbaums. Hell und dunkel. Wie Bernstein, wenn das Licht durchscheint», schwärmt er. In Zusammenarbeit mit dem St. Galler Designer Andreas Bechtiger entstand der Stuhl «Chaz» auf einer 5-Achs-Fräsmaschine aus einem einzigen Stück Ahornholz. «Für Schreiner interessant, finde ich unser Tischgestell-System ‹WTB Wald-Haus›, das sich ganz einfach via zentrale Schraubverbindung individuell jeder Tischplatte anpasst und das ebenfalls mit Bechtiger entstand», sagt Peller und erklärt, dass das Tischgestell ideal fürs Homeoffice sei. «Schnell und einfach auf- und abzubauen.»

Feuer vernichtet 30 Jahre Arbeit

Und dann das. Mehr als 100 Meter hoch türmte sich schwarzer Rauch in den Himmel. Der Grossbrand der ehemaligen Bührer-Traktorenfabrik in Hinwil ZH, wohin Pellers Firma in der Zwischenzeit umgezogen war, verdrängte am 3. März 2021 sogar Corona kurzzeitig aus den Schlagzeilen. In der Meldung der Kantonspolizei hiess es: «Alle sich im Gebäude befindenden Personen konnten das Gebäude noch vor dem Eintreffen der Rettungskräfte unverletzt verlassen.» Einer von ihnen war Christof Peller. Er arbeitete gerade in seiner rund 250 Quadratmeter grossen Werkstatt, als er vom eindringenden Feuer überrascht wurde. Zuerst wollte er gegen die Feuerwalze ankämpfen. Doch bald schon lief er um sein Leben. Zurück blieb das Holz, die Pläne, die Formen, die Schablonen, 30 Jahre Arbeit – alles verbrannt. Zuhause angekommen, redete er sich ein: «Die löschen jetzt. Morgen mache ich weiter.» Nach dem Aufwachen realisierte er dann das Ausmass des Desasters. «Alles weg. Schlimmer geht es nicht. Du möchtest arbeiten, aber kannst nicht mehr. Ich war total am Boden», beschreibt er seine Situation. Doch Peller raffte sich auf. Woher er die Kraft dazu nahm, weiss er nicht: «Wenn das bisherige Leben und Arbeiten in Schutt und Asche gelegt ist, muss man die Situation analysieren und möglichst schnell neue Ziele entwickeln. Plötzlich war ich wieder ein Start-up. Mit allen Schwierigkeiten, aber auch mit der Chance auf Neuorientierung. Also liess ich alles Bisherige los und wartete, bis meine Kreativität zu mir zurückkehrte.»

Eine neue Welle zeichnet sich ab

Sie kehrte in dem Moment zurück, als der leidenschaftliche Brettsportler Christof Peller eine neue Welle sichtete. «Alleine in der Schweiz gibt es 40 000 aktive Surfer und Wellenreiter. Während der Pandemie leidet diese Community unter Reisestopp und geschlossenen Fitnesscentern», sagte er sich. Ein Surfbrett, sowohl als Trainingsmöglichkeit für Profis als auch als Spassgerät für Familien. Beim Telefonieren oder beim Fernsehschauen einfach mal auf das Board, Fahrt aufnehmen, die Muskulatur trainieren, an der Sup-Technik feilen. Felsenfest davon überzeugt, dass die Welt auf so ein Skate-Balanceboard aus Holz gewartet hat, zapft Christof Peller sein Netzwerk aus der Surfer- und Designerszene an. So stiess er auf Balz Müller. Dem 28-jährigen Wingfoil-Freestyle-Weltmeister folgen auf Instagram über 30 000 Personen. Das deutsche Fachmagazin «Surf» zählt den Bieler zu den zehn besten Freestylern der Welt. «Wenn du alles verloren hast, spielt das Netzwerk den Tango. Balz Müller kannte ich von früher. Sein Video mit dem Skate-Balanceboard wurde inzwischen unzählige Mal angeklickt», sagt Peller. Mittlerweile stehen die Indiana-Balanceboard-Sets aus Esche, Nussbaum oder Eiche bereits in der ganzen Schweiz. Das Board ist 73,5 cm lang, 31 cm breit und besteht aus einem laminierten Holzkern, oben und unten verstärkt mit Fiberglas und abgedeckt mit Holz. Zum Set gehört eine Rolle aus portugiesischem Kork, auf der das Balanceboard im Flüstermodus gleitet. Beides zusammen ruht bei Nichtgebrauch auf einem Ständer. Und auch dieser hat eine Geschichte: Eines Tages entdeckte Christof Peller durch Zufall, dass der Holzsteg seiner Wohngemeinde Küsnacht erneuert wurde und dabei ein Berg Abfallholz anfiel. «Manchmal liegen die Ideen vor der Haustür.» Peller fragte nach und durfte sich bedienen. Aus diesem Holz entstanden die Ständer, in die Board und Rolle gestellt werden können. «So ein Set macht auch als Designobjekt, als Statement für Brettsportfreaks, in jedem Haus eine gute Figur. Klimaneutral und nachhaltig widerspiegelt es den Zeitgeist.» Sein Holz bezieht Peller möglichst aus der Schweiz. Dass gute Industrien in der Schweiz verschwanden, beelendet ihn. «Ich habe die Textilindustrie im Zürcher Oberland untergehen sehen. Solche Ereignisse haben mich geprägt. Man muss hiesige Unternehmen mehr berücksichtigen. Nur so können sie sich langfristig gegen Preisdruck und Konkurrenz wehren.» Christof Peller macht sich dafür stark. Mit Herz, Holz und Swissness.

www.indiana.chwww.wald-haus.chwww.nova-ruder.ch

Beatrix Bächtold

Veröffentlichung: 10. März 2022 / Ausgabe 10/2022

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