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In vielen Schreinereien fallen Arbeiten an, die ein Schüler an einem Wochenarbeitsplatz ausführen kann. Lift unterstützt die Schulen und Betriebe bei der Umsetzung. Bild: Lift

Jugendprojekt.  Nicht allen Jugendlichen gelingt der Übertritt in die Berufswelt problemlos. Für einige stellt die Lehrstellensuche eine grosse Herausforderung dar. Der Verein Lift unterstützt diese Jugendlichen in Zusammenarbeit mit den Sekundarschulen und KMU frühzeitig.

Manch einer denkt beim Wort «Lift» wohl eher an das Transportmittel in Gebäuden, und nicht an ein schweizweites Jugendprojekt. Der Name des Vereins mit Sitz in Bern lehnt sich aber durchaus an der hebenden Funktion eines Liftes an. Denn die Idee des Projektes ist, Schülerinnen und Schüler bei ihrem Einstieg, oder eben Aufstieg, in die Berufswelt zu helfen.

So fungiert Lift als Integrations- und Präventionsprogramm an der Nahtstelle zwischen der Volksschule und der Berufsbildung und kann so auch mithelfen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Bei einer Teilnahme am Projekt haben Jugendliche ab 13 Jahren vom siebten bis neunten Schuljahr während der unterrichtsfreien Zeit die Möglichkeit, bei einem Betrieb in der Region einen Wochenarbeitsplatz (Wap) zu besuchen.

Hierbei arbeiten sie regelmässig und vorzugsweise während mindestens dreier Monate in der gleichen Firma. Für ihre Tätigkeit erhalten sie einen Lohn von fünf bis acht Franken pro Stunde. Dabei soll das Geld nicht Hauptmotiv sein, am Projekt teilzunehmen. Ein kleiner Lohn ist aber zweifelsohne motivationssteigernd und willkommen. Die Möglichkeit, bei Engagement und guter Leistung mehr Lohn zu erhalten, ist zudem eine wichtige Erfahrung im Hinblick auf die Arbeitswelt.

Win-win-Situation

Markus Leuenberger (Bild) ist Bereichsleiter bei Lift und zuständig für die Deutschschweiz. Er spricht von einer grossen Chance für alle Beteiligten des Projektes: «Jugendliche können erste Einblicke in die Arbeitswelt gewinnen und praktische Erfahrung sammeln. Auf der anderen Seite können Firmen, die einen Wap anbieten, zukünftige Berufsleute kennenlernen und haben die Möglichkeit, ihren Beruf bekannter zu machen.» Ein Wochenarbeitsplatz sei auch nicht mit einer Schnupperlehre gleichzusetzen. Den Jugendlichen können einfache, repetitive Tätigkeiten übergeben werden. Sie arbeiten demnach auch produktiv, was die Betriebe entlasten kann.

«Die Erfahrung hat gezeigt, dass die jungen Leute bei ihren Arbeitseinsätzen oftmals manuelle Talente oder Vorlieben entdecken, auf welche sie in der Schule nicht gestossen sind», erklärt Leuenberger. «Das kann auch das Selbstvertrauen stärken.»

Das Lift-Projekt richtet sich grundsätzlich an Schülerinnen und Schüler, die erschwerte Bedingungen für den Einstieg in die Arbeitswelt haben. Dies können ungenügende Schulleistungen sein, Lernschwächen oder Motivationsschwierigkeiten. «Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund beherrschen die Sprache noch nicht so gut, andere haben ein schwieriges familiäres oder soziales Umfeld und zu Hause weniger Unterstützung», sagt Leuenberger. Die Jugendlichen, welche für eine Teilnahme am Projekt infrage kommen, werden von den Schulen selektioniert. Sie besuchen nebst den Wochenarbeitsplätzen einen Modulkurs zur Förderung ihrer Selbst- und Sozialkompetenz. Dieser wird an der jeweiligen Schule durchgeführt. Die Teilnahme soll aber in jedem Fall freiwillig bleiben. Nach ihrer Zusage sind die Jugendlichen jedoch verpflichtet, ihre Arbeitseinsätze zuverlässig zu leisten. Dies wird zusammen mit den Eltern und der Schule auch schriftlich festgehalten.

Aus eigener Erfahrung

Die Schreinerei König AG in Gümligen BE nimmt seit rund zehn Jahren am Projekt Lift teil. «Das Prinzip des Wochenarbeitsplatzes war mir aber nicht neu», sagt Daniel König (Bild), Inhaber der Firma. Der 54-Jährige erinnert sich noch gut: «In meiner Jugend habe ich in der Freizeit selbst schon in Betrieben gearbeitet, um mein Taschengeld aufzubessern.» Deswegen habe er auch aus Überzeugung am Projekt teilgenommen. Der Wap lasse sich gut in den Arbeitsalltag der Firma integrieren. «Zu Beginn, bis sich die Jugendlichen eingewöhnt haben, braucht es natürlich etwas mehr Betreuung. Danach ist der Aufwand aber nicht mehr sehr gross», sagt König. Den Mitarbeitern zur Hand gehen, Reinigungs- und Schleifarbeiten, oder auch Oberflächenbearbeitungen wie Ölen – das alles sind Tätigkeiten, die Schüler an ihrem Wap bei der Schreinerei König ausführen können.

«In all den Jahren haben wir kaum negative Erfahrungen gemacht. Es kam zwar vor, dass wir mal mit einem Schüler Klartext reden mussten, da die Zuverlässigkeit zu wünschen übrig liess», sagt König. Im Austausch mit der Schule habe dann aber immer eine Lösung gefunden werden können. Auch Markus Leuenberger betont: «Die Betriebe sollen keine Disziplinarstelle sein.» Wenn die Abmachungen seitens der Jugendlichen nicht eingehalten werden, ist die Lehrperson, welche die Modulstunden betreut, oder der Wap-Koordinator von Lift Ansprechperson. «Wie überall ist auch beim Lift-Projekt eine offene Kommunikation wichtig», sagt Leuenberger.

Florian Burkhalter, Lehrling im dritten Lehrjahr der Schreinerei König, war selbst einmal ein Lift-Schüler. Der heute 18-Jährige besuchte damals die Realschule in Gümligen BE. «Ich dachte, das ist doch etwas Gutes. So kann ich mal einige Berufe kennenlernen und dabei auch etwas Taschengeld verdienen», erzählt Burkhalter. «In dem Modulkurs bekamen wir eine Liste mit möglichen Betrieben. Unseren Wap mussten wir dann aber selbstständig organisieren.»

Handwerkliche Arbeit

In der achten Klasse trat Burkhalter seinen ersten Wochenarbeitsplatz beim Werkhof Gümligen an. An seinem ersten Tag sei er zwar sehr aufgeregt gewesen, jedoch habe er sich auch gut vorbereitet gefühlt. «Da war vieles neu und ganz anders als im Schulalltag. Aber zu Hause habe ich schon immer viel gewerkelt, deshalb ging mir die handwerkliche Arbeit leicht von der Hand.» Seine dritte Station war dann die Schreinerei König AG. Gegen Ende des achten Schuljahres arbeitete er dort für drei Monate. In der Schreinerei gefiel es Burkhalter jedoch so gut, dass er beschloss, seinen Wap zu verlängern. So konnte er dann über ein Jahr Einblicke in den Schreinerberuf gewinnen. Als es dann konkret um die Berufswahl ging, habe er keine grosse Überwindung mehr gebraucht, Firmen für Schnupperlehren anzufragen. «Aufgrund des Lift-Programmes fühlte ich mich da schon sehr sicher. Ich habe auch meine Wochenarbeitsplätze als Referenz bei Bewerbungen angeben können», erzählt Burkhalter.

Er habe sich bei mehreren Firmen beworben und auch die Zusage für die Lehrstelle gehabt. «Bei der Schreinerei König AG gefiel es mir einfach am besten. Deshalb habe ich mich entschieden, da meine Ausbildung zu machen», sagt der Lernende. Inzwischen ist er im dritten Lehrjahr und erfolgreich in der Berufswelt angekommen.

Investition in die Zukunft

Zweifelsohne lässt sich ein Wap nicht in jeder Firmenstruktur gleich gut integrieren.Die Betreuung der Jugendlichen braucht zudem Zeit und Energie, was oftmals beides nicht im Übermass vorhanden ist.

Wer sich aber dazu entschliesst, hat die Chance, einen Beitrag zur Prävention der Jugendarbeitslosigkeit und des Fachkräftemangels zu leisten.

Das Projekt Lift in Zahlen

Laut Lift beteiligen sich schweizweit rund 165 Schreinereien und Zimmereien an dem Projekt, wobei die meisten Auszubildenden gemäss Statistik von 2021 in den Branchen Verkauf und Gesundheit vermittelt werden. Betriebe können sich bei der zuständigen Regionalleitung oder direkt bei den teilnehmenden Schulen melden.

Seit 2006 bringt Lift Jugendliche, Schulen und Wirtschaft zusammen.

www.jugendprojekt-lift.chwww.schreinerkoenig.ch

Sven Bürki

Veröffentlichung: 24. November 2022 / Ausgabe 47/2022

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