Natürlich alternativ

Lehmplatten.  Im Trockenbau sind Lehmplatten eine ökologische und wohngesunde Alternative zu den Gipskartonplatten. Doch bislang führen diese eher ein Nischendasein. Dabei hat Lehm viele Vorteile vorzuweisen, auch in Verbindung mit einer Wand- oder Deckenflächenheizung.

Lehm gilt als einer der ältesten und bewährtesten Baustoffe der Welt. Fast vergessen, ist das nachhaltige Material inzwischen zurückgekehrt, auch weil es Lehm heute als Trockenbauplatte gibt. Trotzdem sind es oft noch «Überzeugungstäter», die solche Platten verwenden. «Es herrscht oft viel Skepsis. Aber diejenigen, die es einmal ausprobiert haben, bleiben dann meist dabei», weiss Fachberater Armin Martinelli von der Haga AG.

Des Holzes Bruder

Die gemischte Konstruktionsweise von Lehm mit Holz hat sich im Fachwerksbau Jahrhunderte lang bewährt. Genauso wie Holz ist Lehm ein Baumaterial, das fast überall gewonnen werden kann. «Beide Werkstoffe haben vorzügliche Eigenschaften – jeder für sich, aber auch in Kombination», so die Schaerholzbau AG.

Schon vor Jahren hat sich das Unternehmen daran gemacht, Innenwände mit den beiden natürlichen Materialien neu zu denken. «Ein Haus aus Holz und Lehm ist stabil und giftfrei. Die 6 cm dicken Lehmschichten bringen einem Holzbau Masse, auch Speichermasse, machen ihn fülliger. Aussen Holz und innen Lehm garantiert für Wände, die gut dämmen und ein angenehmes Raumklima schaffen.» Allerdings bedingt die klassische Verarbeitung von Lehm auch fachliches Know-how, damit als Putz aufgetragener Lehm nicht aussandet und keine Risse entstehen. Leichter geht es mit Trockenbauplatten, bei denen die Oberfläche nur noch dünn aufgeputzt oder auch schon fertig ist. Dann müssen nur die Stösse der Platten verspachtelt werden.

Lehm ist nie genau Lehm

Lehm besteht aus einer Mischung aus Sand, Schluff und Ton, also den drei Korngrössen eines natürlichen Bodenaufbaus. Der Ton ist dabei der «Kleber». Je mehr davon enthalten ist, desto «fetter» ist ein Lehm. Je nachdem, aus welcher Grube der Lehm stammt, hat dieser wegen der unterschiedlichen Zusammensetzung und dem Gehalt von Elementen wie Eisen, Kalzium oder Magnesium auch eine unterschiedliche Farbe.

Lehm aus Zürich sieht deshalb anders aus als Lehm aus dem Raum Luzern. Diese Vielfalt und das nötige Wissen darum steht natürlich einem modernen Produkt etwas im Wege. Der logische Schritt ist deshalb die reproduzierbare Platte.

Lehm kann grosse Mengen an Feuchtigkeit aufnehmen, speichern und wieder langsam an die Luft abgeben. Das führt zu einem angenehmen Raumklima in allen Jahreszeiten mit relativen Luftfeuchtigkeiten zwischen 45 und 55 Prozent. Zu diesem ausgezeichneten Sorptionsverhalten gesellen sich gute Schallschutzeigenschaften, eine hohe Wärmespeicherfähigkeit und Hitzeschutzfunktionen. Je nachdem, wie die Platten optimiert wurden, lässt sich das eine oder andere Ziel mit den Produkten erreichen.

Platten für jeden Zweck

Entsprechend vielgestaltig zeigen sich die Trockenbauplatten aus Lehm der Hersteller.

Durch die Zugabe von Zuschlägen mineralischer oder pflanzlicher Art, verringert sich die Trockenschwindung und Rissbildung des Materials. Auch optimiert man so die Platten auf die Zug-, Druck- und Abriebfestigkeit. Leichtzuschläge wie Schilf oder Hanffasern verbessern die wärmedämmenden Eigenschaften der Platten, setzen aber auch die Speicherfähigkeit herab. Es kommt also auch bei den Platten darauf an, welches Ziel bauseits erreicht werden soll.

Was die Platten eint

Trockenbauplatten aus Lehm sind genauso verarbeitbar wie Gipskartonplatten. Zugeschnitten werden die Platten mit dem Cuttermesser und Bruchkante oder mittels Sägen. Die Wandmontage erfolgt auf das gängige Rastermass der Unterkonstruktion mit 62,5 cm Achsmass, für eine Deckenmontage entsprechend 31,25 cm. Neben den Schnellbauschrauben können an der Wand auch Breitrückenklammern verwendet werden. Die Deckenmontage verlangt zusätzlich den Einsatz von Unterlagsscheiben der Verschraubung. Auch für die Unterkonstruktion stehen die gewohnten Varianten zur Verfügung.

Dies gilt für Platten ab 16 mm Dicke. Bei geringeren Stärken müssen die Platten mit Lehmmörtel auf ebenen Untergrund verklebt werden.

«Fette bis magere» Platten

Anders als bei den Gipskartonplatten gibt es bei Lehmbauplatten aber auch deutliche Unterschiede: etwa die Platten vom Hersteller Pro Crea, die in der Schweiz über die Stroba Naturbaustoffe AG erhältlich sind. Diese haben eine Beimischung von Holzfasern, sind aber dennoch mit Flächengewichten von bis zu 41 kg je Quadratmeter dem natürlichen Lehm recht nahe – unter den Platten gewissermassen eine «fette» Variante. Damit diese auch als Einmann-Platte für die Beplankung einsetzbar ist, muss dann das Format entsprechend kleiner werden. Im Fall von Pro Crea werden die Platten deshalb im Mass von 1250 × 250 mm produziert, um bei einem angenehmen Stückgewicht zwischen 10 und 11,5 kg zu bleiben.

Ein Produkt mit Holzfasern in einer anderen Form bietet der Hersteller Naturbo über die Schweizer Vertretung der Haga AG. Eine Holzfaserplatte von 18 mm Dicke dient als Trägermaterial, auf das beidseitig eine reine Lehmschicht aufgetragen ist. Weitere Besonderheit hierbei ist die deutlich ausgeprägte Flachkante, ähnlich wie bei Gipskartonplatten. Da die Platte auf der Fläche mit Feinlehm beschichtet ist, müssen nach der Montage lediglich die Flachkanten verputzt werden. Dadurch kommt diese Variante dem Trockenbau sehr nahe. Denn je nach gewünschter Güte der Oberfläche verlangen viele Produkte einen flächigen Feinlehm-auftrag, bevor Farbe aufgebracht werden kann. Damit einher geht ein hoher Feuchteeintrag, der entsprechende Trocknungszeiten bedingt.

Wieder etwas anders im Aufbau und damit auch in den Eigenschaften sind solche Platten wie etwa Lemix, die im gesamten Querschnitt einen Anteil an gehäckseltem Stroh enthalten. Dadurch sind die Platten bei 125 × 62,5 cm und 16 mm Stärke mit 18 kg relativ leicht.

Vorteile nicht übertreiben

Damit die Platten die nötige Eigenstabilität aufweisen, sind diese meist armiert. Dazu dient seltener ein Jutegewebe, öfter ein Glasfasergewebe. Beim Zuschnitt ist deshalb darauf zu achten, dass die Armierung durchtrennt wird. Das Gewebe von der Rolle wird auch an den Stössen verwendet und in die Putzschicht mit eingearbeitet.

Der Hinweis einiger Hersteller, dass das natürliche Material «kompostierbar» sei, ist deshalb mit Vorsicht zu geniessen. Zwar sind die Platten ökologisch, doch wer tatsächlich kompostieren möchte, muss das Glasfasergewebe durch Zertrümmern der Platten vorher herauslösen. Das ist natürlich bei Platten, die nur eine Armierung an den Stössen benötigen, einfacher als bei denen, die zweiseitig flächig armiert sind.

Als Nachteil von Lehmplatten im Trockenbau darf auch der Preis nicht verschwiegen werden. Das Material ist gegenüber den Gipskartonplatten deutlich teurer. Als Daumengrösse kann der Faktor zwei bis drei veranschlagt werden. Aber auch hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Herstellern. Dazu kommt, dass die Gesamtherstellungskosten wiederum vom verwendeten System abhänigig sind. Kleinere Formate brauchen einen erhöhten Aufwand bei der Unterkonstruktion und mehr Zeit beim Montieren. Und schliesslich kommt es auch darauf an beim Preisvergleich, wie viel Arbeit durch den Gipser nach der Montage der Platten noch erforderlich ist.

Demgegenüber steht ein gesundes und behagliches Raumklima durch Lehm, dem nur wenige andere Materialien wie etwa der Kalkputz das Wasser reichen können. Es kommt also darauf an, was dem Bauherren dies wert ist, zumal sich weitere Vorteile mit Lehmplatten wie die Implementierung einer Wand- oder auch Deckenflächenheizung mit den meisten Platten realisieren lassen.

www.haganatur.chwww.schaerholzbau.chwww.stroba.chwww.lemix.euwww.lehmbaukollektiv.chwww.lanatherm.chwww.wandheizung.de

Nein, wer es nicht erlebt hat, kann es sich meist erstmal schwer vorstellen. Werden Wände oder Decken mit einer Flächenheizung versehen, herrscht nicht nur ein gutes Raumklima, sondern auch eine gleichmässige Wärme. Denn es handelt sich dabei um Strahlungswärme und nicht um die durch andere Heizquellen bekannte Konvektionswärme. «Man kann sich das in etwa wie bei der Wärme durch die Sonne vorstellen. Treffen die Strahlen auf ein Hindernis, dann erwärmt sich dieses», erklärt Martinelli. Einen heissen Kopf und kalte Füsse hat mal also eher in einem Raum mit einem herkömmlichen Heizkörper als in einem Zimmer mit einer Wand- oder Deckenflächenheizung in Lehm.

Flächenheizung im System

Viele Anbieter von Lehmbauplatten haben auch Varianten mit integrierten Heizschlangen im Angebot, so dass sich aufgrund der identischen Plattenstärke ein Trockenbau mit Heizung relativ einfach umsetzen lässt. Auch hier scheinen die Vorteile schwergewichtig: Durch eine Flächenheizung im Lehmverbund kann die tatsächliche Raumtemperatur gesenkt werden, weil die gefühlte Temperatur höher liegt. Laut Hersteller geht es dabei in etwa um zwei Grad.

Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass sich gerade im Dachausbau eine Wand- oder Deckenflächenheizung während der Sommermonate auch zur Kühlung einsetzen lässt. Dafür wird einfach kaltes Wasser durch die Rohrschlangen geleitet.

Nachteilig ist dabei der erhöhte Planungsaufwand. Eine Wandflächenheizung hinter einem grossformatigen Kleiderschrank zu platzieren, ist natürlich wenig sinnvoll. Eine Wandflächenheizung setzt damit ein Raumkonzept voraus und die Arbeit mit dem Heizungsbauer Hand in Hand. Zwar bieten die Hersteller von Lehmplatten mit Heizung entsprechende Berechnungen und Planungsinstrumente, doch bedingt die Auslegung und Platzierung der Elemente die Zusammenarbeit mit dem Heizungsbauer oder einem Energieplaner. Denn je nachdem, wie gut die Aussenwand gegen Wärmeverlust isoliert ist, kann eine Platte mit Dämmeigenschaften vorteilhaft sein. Lehm ist ein guter Wärmeleiter, so dass der Aufbau der Platte auch die Richtung der Wärmeabgabe bestimmt.

Die Montage der Elemente an sich ist dagegen recht einfach: Die Platten werden wie gewohnt montiert und dann mittels Presskupplungen in Reihe miteinander verbunden.

ch

Veröffentlichung: 04. Dezember 2014 / Ausgabe 49/2014

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