Passgenau in Holz und Stahl

Das horizontal verschiebbare Dachfenster ist ein Prototyp, der auf Wunsch des Bauherrn entwickelt wurde. Bild: Blumer Lehmann AG

Umnutzung.  Das SBB-Lagerhaus in Romanshorn ist nun ein Ort für Wohnen, Erholung und Veranstaltungen. Die neue Nutzung erforderte einen vielseitigen Innenausbau. Eine Schreinerei entwickelte ein einheitliches Erscheinungsbild, die Fensterbauer Spezialanfertigungen.

Über Jahrzehnte stand der fünfschiffige Sandsteinbau aus der Gründerzeit am Hafen von Romanshorn TG fast leer. 2015 erwarb der IT-Fachmann Peter Schnückel das denkmalgeschützte, einstige SBB-Lagerhaus und baute es in Zusammenarbeit mit dem Kreuzlinger Architekturbüro Andreas Hermann um. Eine Fläche von 10 000 Quadratmetern galt es zu strukturieren. Den Innenausbau stemmte die Schreinerei Fehlmann aus dem thurgauischen Müllheim, mit Türen, WC-Trennwänden, Garderoben und der Einrichtung von 38 Appartements und 6 Ferienwohnungen. Für den Geschäftsführer Heinz Fehlmann war es die grosse Aufgabe, ein einheitliches Erscheinungsbild übers ganze Objekt umzusetzen.

Einheitliche Materialisierung

Der Besucher tritt über zwei spiegelbildlich angeordnete Portale auf der Ost- und Westseite ins Gebäude. Fünf Meter hoch ist der Empfang, eine 2,7 × 2,4 Meter grosse Schwarzstahltür führt zu den Ausstellungsflächen dahinter und erinnert an die einst industrielle Nutzung des Hauses. «Die Tür musste stabil sein bei möglichst geringem Gewicht», sagt Schreiner Fehlmann zu den Überlegungen der Konstruktion. Aufgrund der übergrossen Masse wurden die Einzelteile, also Rahmen, Türen und Deckblatt, erst vor Ort montiert. Der Empfangskorpus ist ebenfalls in Schwarzstahl und mit umlaufender Eichenholztheke ausgeführt. «Wir schufen die Möglichkeit zur verdeckten Führung der Kabel», sagt Fehlmann. Diese können von der Bodendose bis zur Arbeitsfläche im Hohlkörper der Theke verlegt werden. Wo immer möglich, kamen für den Umbau im Innern natürliche Materialien wie Metall und Holz zum Einsatz.

Der Rundgang führt über eines von insgesamt vier Treppenhäusern ins Obergeschoss, wo die 28 bis 65 Quadratmeter grossen Business-Appartements liegen. Sie folgen alle einem Einrichtungskonzept: offene Wohnküche mit separatem Schlaf- und Badezimmer. Einbauküchen, -schränke und -garderoben sind alle in beschichtetem Kunstharz ausgeführt, das Trägermaterial ist MDF. Es war ein kostenbedingter Material-Kompromiss. Durch die exakten Massarbeiten des Schreiners wird der Platz optimal ausgenutzt. Ein Fingertipp genügt, und die grifflosen Fronten und Schubladen der Küche öffnen sich. Auch versteckte Räume tun sich auf. «Beim Schlafzimmerschrank wurde eine kleine Tür in die Blende integriert, um den Hohlraum als Stauraum nutzbar zu machen», sagt Fehlmann. Die Schrankfronten sind mit gefrästen Rillen verziert und funktionieren schallschluckend, die Elektrounterverteilung wurde elegant im Innern integriert.

So weit die Eiche reicht

Im Wohnbereich steht je ein schlankes Sideboard in Eiche furniert und mit Wasserlack behandelt, die Unterkonstruktion besteht aus Stahlfüssen. Eine Besonderheit mancher Appartements sind die Fenstersitznischen. Sie sind ebenfalls in Eiche furniert ausgeführt, die Fronten wiederum mit gefrästen Rillen und Tip-on-Öffnung. Fehlmann: «Eine demontierbare Sockelblende, ein sogenannter Kugelschnäpper, ermöglicht die Reinigung des Hohlraums dahinter.» Die Konstruktion musste als Sitzmöbel stabil sein, die Luftzirkulation für die integrierten Heizkörper funktionieren. Mit «G5 Antiscratch» von Adler wurde ein Lack für starke Beanspruchung gewählt. Und noch eine Spezialität: «Wir mussten Schränke und Simse an bestehende Bauteile wie Stahlsäulen anpassen», sagt der Fachmann. Passgenau gefertigt sind auch die in Eichenfurnier ausgeführten Waschtischunterbauten in den Badezimmern. Bei den Zimmertüren verzichtete man auf Eiche. Sie sind farbig lackiert, abgestimmt auf die dezenten Mocca- und Grautöne der Einbauten.

Spezielle Fensterlösungen

Unter den speziell angefertigten Sprossenfenstern in den Appartements laden breite Fenstersimse zum Verweilen ein. «Die Ausführung der reinen Holzfenster mit zweifachem Isolierglas erarbeitete die Firma Blumer Techno Fenster AG zusammen mit der kantonalen Denkmalpflege und der Firma Fensterinform nach alten Plänen», sagt Theo Graf, Verkaufsberater bei Blumer. Entsprechende Wärmedämm- und Schallschutzwerte wurden verlangt. «Aufgrund der Lage direkt am See, der Gebäudehöhe und der Spannweite der Fensterelemente mussten Normen bezüglich Durchbiegung, Windlast und Staudruck berücksichtigt werden.» Ein Fensterflügel besteht aus bis zu 20 Sprossenfeldern, insgesamt als Doppelflügel angelegt. Ein Flügelmass beträgt bis zu 1400 × 2650 mm. Damit die Fenster standhalten, passte man die Querschnitte der Blend- wie auch der Flügelrahmen entsprechend an.

Eine Neuheit fürs Dach

Eine weitere Spezialanfertigung des Umbaus zeigt sich im Dachgeschoss, wohin der Rundgang fortgesetzt wird. Für die Lofts unter dem Dach entwickelte die Firma S. Stebler auf Wunsch des Bauherrn und in Absprache mit der Denkmalpflege einen Fenster-Protoyp. «Aus Gründen der höheren Wind- und Luftdichte entwickelten wir das zweiflügelige Hebe-Schiebe-Dachfenster ‹S 221›, auf dessen Flügeln eine aufgesetzte Beschattung montiert ist», sagt Inhaber und Geschäftsführer Markus Stebler. Sie funktioniert in jeder Position des Fensters. «S 221» ist stufenlos zu öffnen und zu schliessen. Es wurde ziegelbündig eingebaut, und die Flügel heben sich beim Öffnen über die Ziegelebene. Beide Fensterflügel schieben sich vollständig zur Seite, und der Wohnraum erweitert sich so zu einem Wohnbalkon. Zum Einsatz kommt das Fenster in denkmalgeschützten Bauten in der Schweiz und im nahen Ausland, weil es sich harmonisch und je nach Ziegelart bündig in die Dachlandschaft einfügen lässt. Es wird auf Mass gefertigt und nimmt auf die bestehende innere Tragwerksstruktur Rücksicht.

Türen über Türen

Auf dem Rückweg durch die langen, umlaufenden Flure abwärts geraten die vielen Türen in den Blick. «Alle Türen zu den Appartements und Ferienwohnungen sind Brandschutztüren, auch die Abschlusstüren der Geschosse», sagt Schreiner Fehlmann. Das Brandschutzkonzept sah weiter einen speziellen Fluchtweg vor. Auch Schall- und Einbruchschutz spielten wesentliche Rollen. Sämtliche Innentüren, Rahmen, Futter-, Schiebe- und Stahlzargentüren fertigte der Thurgauer Schreinereibetrieb. Insgesamt wurden 318 Türen angefertigt und verbaut, 120 davon nach Brandschutzvorschriften. Der Abschluss des Rundgangs führt in den «Bauch» des Monumentalbaus. Die Architekten mussten unter dem Gebäude ein wasserdichtes Untergeschoss mit Tiefgarage, Technikräumen, Lagern und WC-Anlagen schaffen. Keine leichte Aufgabe, denn für die statische Unterkonstruktion wurden alle rund 250 Pfähle erneuert und 16 Meter tief in den Seegrund gerammt.

Pflegeleicht und wartungsarm

Die Schreiner führten in den WC-Anlagen die Trennwände pflegeleicht, wartungsarm und mit selbstschliessenden Türen aus. Kunstharz und Eichenfurnier mit Wasserlack kamen zum Einsatz. «Das Ausarbeiten von speziellen Lösungen unter grossem Zeitdruck stellte unser Team immer wieder auf die Probe», sagt Fehlmann. Auch dank fristgerechter Lieferungen konnten die Termine für Anschlussarbeiten von Gipser und Holzbauer eingehalten werden. Es gab eine rollende Planung für das riesige Umbauprojekt; die Vergabe der Schreinerarbeiten an einen Betrieb und Ansprechpartner bewährte sich in diesem Fall.

www.schreinerei-fehlmann.chwww.hermann-architekt.chwww.blumer.chwww.stebler.ch

Manuela Ziegler

Veröffentlichung: 16. Dezember 2021 / Ausgabe 51-52/2021

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