Raum und Fluchtweg kombiniert

Die Statik der Putz-flügel mit der schweren Verglasung war eine Herausforderung. Bild: Morscher Architekten AG

Innenausbau.  Holz und Beton geben dem Erweiterungsbau der Primarschule in Täuffelen ein eigenständiges Gesicht. Die veränderten Anforderungen an den Brandschutz wie auch an die Nutzung eröffneten neue Gestaltungsmöglichkeiten für Schreiner und Architekten.

Vor den beiden Klassenzimmern der Primarschule Täuffelen BE liegen zwei räumlich versetzte Aufenthalts-, Spiel- und Arbeitsbereiche. Von beiden Seiten des Gebäudes strömt Tageslicht durch grossformatige Fenster herein. «Bereits beim Wettbewerbsentwurf wussten wir, wie sich die Brandschutzbestimmungen 2015 ändern würden. Das bot uns viel mehr Möglichkeiten in der Raumgestaltung als bisher», sagt Cornelius Morscher, der verantwortliche Architekt.

Brandschutz als Gestaltungsgeber

Die Zeit der dunklen, schmalen Schulflure, die als reine Fluchtzone galten, ist passé. Das Flüchten über einen weiteren möblierbaren Raum ist möglich, wenn die Fluchtweglänge bis zu einem Notausgang oder abschliessbaren Treppenhaus maximal 35 Meter beträgt. Morscher weist mit der Hand zum Treppenhaus hin, das stirnseitig verläuft und mit Glastüren verschliessbar ist. Sein Architekturkonzept fusst auf dieser neu gewonnenen Freiheit. Das Schulhaus wird von der Schmalseite her erschlossen. Auf jedem der drei Stockwerke befinden sich zwei versetzte, sogenannte Vorzonen, mit anschliessenden Klassenräumen – alle Kinder profitieren so von der Sicht nach draussen auf Wiesen und Felder. Die grüne Parzelle des Schulgeländes wäre maximal bebaubar gewesen, doch Morscher wollte die Freiflächen nicht zerstückeln. Statt einer Verknüpfung zum Bestandsbau schien es ihm reizvoller, den Pausenplatz zu erhalten und die verschiedenen Niveaus des Geländes einzubinden.

Material: einfach und robust

So erreicht man nach dem Eingang über wenige Stufen den zweiten Stock. Darunter liegen zwei Kindergartenräume, mit einem separaten Eingang erschlossen. In den vier Schulzimmern finden 120 Schüler der Unterstufe Platz. «Wir haben nicht nur gestiegene Schülerzahlen, sondern auch mehr bewegte Lernformen und wollten zusätzlich Spezialräume für Malen und Logopädie erhalten», sagt der Schulleiter Beat Rentsch über die Anforderungen.

Morscher Architekten entschieden sich für eine Materialkombination aus Beton und Holz. «Diese Verbindung erzeugt eine warme Stimmung und schafft ein optimales Raumklima», sagt der Fachmann. Die Fensterlaibungen wie auch Wand- und Deckenverkleidungen sind aus Fichte gefertigt, mit mattem UV-Schutz-Lack lackiert. Ursprünglich war Weisstanne geplant, aus Kostengründen wurde dies angepasst.

Massgenaue Einpassungen

Über das Treppenhaus mit dem Eichenholzgeländer gelangt man in den dritten Stock. In den Vorhallen beider Geschosse wurden von der 3A Schreinerei AG Akustikdecken eingezogen, gedämmt mit Steinwolle und mit schwarzem Vlies kaschiert. Die Fichten-Dachlatten wurden an der Schmalseite montiert. Revisionsschächte für Lüftung und Elektrotechnik sind integriert.

Einen Blickfang bilden die sogenannten Kulissentüren seitwärts mit ihren breiten Fälzen, welche den Türrahmen komplett abdecken. «Die grösste Herausforderung waren die Massarbeiten der verschiedenen Losnummern für Türen, Wandschränke, Schreinerarbeiten und Decken», sagt Samuel Fankhauser, Projektleiter und Mitglied der Geschäftsleitung der 3A Schreinerei. Die von der Schreinerei angefertigten Türen zu den Schulzimmern mussten flächenbündig in die Wandverkleidungen aus Fichte eingepasst werden. Die Decke neigt sich jeweils zu den Türen hin, als ein bewusstes Gestaltungsprinzip des Architekten.

Installationswand mit Wandschrank

In den Schulzimmern setzt sich die Wandverkleidung fort. «Es handelt sich um eine Installationswand in Ständerbauweise mit einer Nische für den Waschtisch», erklärt der Projektleiter. In ihr sind alle Leitungen verborgen wie auch die Wandschränke integriert. Die Schranktüren sind aus lasierten «Naturspan V»-Akustikplatten von Cridea hergestellt und in einen filigranen Metallrahmen eingepasst. «Die Oberflächen der Türen dürfen nicht gespritzt werden, sonst wirken sie nicht mehr schallabsorbierend», erklärt Fankhauser. Das Material funktioniert hier auch als Pinnwand. An der Decke, in den Zwischenräumen der Betonrippen, wurde eine handelsübliche Akustikplatte, die «Uniakustik SW superfine», mit Direktschrauben montiert.

Die robusten wie simplen Materialien dürften Gebrauchsspuren tragen, für ein Schulhaus optimal, meinen die beteiligten Gewerkspartner. Im Fensterbau war eine hochwertige Ausführung zwingend. Das zweiflügelige Fenster besteht aus einem grossen, nach innen zu öffnenden Putzflügel mit Griffrosette, einem Setzholz sowie dem schmalen Lüftungsflügel seitlich. Der Flügel besteht aus einem isolierten Träger, welcher innen mit Fichte furniert und aussen mit einer hinterlüfteten Blechverkleidung versehen wurde. Die äusseren Lüftungsgitter sind gleichzeitig auch die Absturzsicherung. Sie ist von innen eingelegt und mechanisch befestigt. «Die Fensterrahmen und -flügel in Holz sowie Metall wurden in unserer Schreinerei aus massivem und astfreiem Fichtenholz gefertigt und mit dem Verbundsystem ‹Faco 5000› fertig produziert», sagt Werner Oberbichler, Geschäftsführer der Firma Peter Klaus Schreinerei & Fensterbau AG.

Beschläge für die Fenster

Dieses Projekt stellte hohe Anforderungen an die Statik, Grösse, Optik und Funktion der Beschläge. Es kamen Heavy-Duty-Beschläge von Siegenia-Aubi zum Einsatz. Für die rund 190 Kilogramm schweren und 1750 × 2100 mm grossen Gläser musste ein Fenstersystem her, das die Fassung sicherstellt. «Eine zusätzliche Verklebung zwischen dem Randverbund und dem Holzfalz in den Ecken der Holz-Metall-Fenster garantiert zusätzliche Stabilität», sagt Nicola Di Gabriele, Geschäftsführer der Firma Faco Systeme AG in Lyss BE. «In der Ausführung dieses speziellen Fenstertyps bewegten wir uns im Millimeterbereich, um die Traglast zu optimieren.» Bei der Fensterplanung wie auch Montage haben die Planer die Lebensdauer des Gebäudes und etwaige Renovationen berücksichtigt. Alle Fenster sind mit einem 8-mm-Chromstahl-Flachblech ausgestattet und können so ausgeschnitten und komplett demontiert werden.

Die Verantwortlichen sind zufrieden mit dem Ablauf, den Kosten und dem Ergebnis des Projekts. Lediglich die Fertigungszeiten waren für die Fensterbauer und den Innenausbau äusserst kurz. «Wir konnten uns in jedem Stockwerk gut ausbreiten und praktisch mit allen Arbeitsgattungen gleichzeitig beginnen», sagt Projektleiter Samuel Fankhauser. Die Bündelung in einer Hand sparte Zeit.

www.morscher.chwww.3aschreinerei.chwww.klaus-fensterbau.chwww.faco-ag.ch

MZ

Veröffentlichung: 14. November 2019 / Ausgabe 46/2019

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