Reinfall ausgeschlossen

Wenn aussen wegen der historischen Fassaden wie im schaffhausischen Stein am Rhein nichts geht, ist die Innendämmung das Gebot der Stunde. Bild: M. Schönfeld (Fotolia)

Die historischen Altstädte in der Schweiz sind Anziehungspunkte für Touristen aus aller Welt und natürlich wichtige Kulturgüter. Gleichzeitig ist es ein erklärtes Ziel, den Gebäudebestand mit teilweise schlechter Energiebilanz in dieser Hinsicht deutlich zu verbessern.

Ist aber eine energetische Sanierung mittels einer Dämmung an der Aussenseite des Gebäudes wegen der erhaltenswerten Fassade und Bausubstanz nicht möglich, bleibt meist nur die Innendämmung. Von Bauphysikern über lange Zeit eher kritisch gesehen, hat sich die Fachwelt in den letzten Jahren aufgemacht, innenliegende Dämmsysteme immer weiter zu verbessern. So bleibt das Thema Innendämmung ein Dauerbrenner, gerade weil es zu einem erheblichen Anteil kaum Alternativen dazu gibt, will man Ernst machen mit der Senkung des Energieverbrauchs im Altbaubestand, bei der auch eine Kerndämmung nur ausnahmsweise möglich ist.

Womit man kalkulieren muss

Wer innen dämmen muss oder möchte, hat auch Vorteile. Neben dem wohl wichtigsten Punkt der Unversehrtheit der Fassade lassen sich solche Massnahmen ohne aufwendiges Aussengerüst und auch partiell im Gebäude ausführen.

Nach Abschluss der Massnahmen heizen sich die Räume schnell auf, da die Wärmeverluste durch die neue Dämmschicht minimiert sind. Allerdings kühlt ein Raum auch schneller wieder ab, weil die so wirksame Dämmschicht der Fähigkeit der Mauer entgegensteht, Wärme zu speichern. Und damit ist man bei den zahlreichen Nachteilen und Schwierigkeiten einer Dämmung auf der Innenseite angelangt. Zum einen ist das ein durchaus beträchtlicher Raumverlust je nach Dämmstärke, die schnell 150 mm betragen kann und so für einen Verlust von einigen Kubikmetern Wohnraum verantwortlich ist. Zum andern geht es vor allem um die hohe Anzahl an Wärmebrücken und die drohenden Feuchteschäden an der Bausubstanz.

Tauwasser ist kaum zu umgehen

Denn wird eine Aussenwand von innen gedämmt, widerfährt ihr eine grundlegende Veränderung. Sie verwandelt sich von einer ehemals «warmen» Wand zu einer «kalten» Wand. Das muss so sein bei der Innendämmung, sonst wäre sie unwirksam.

Diffundiert nun der in der Raumluft enthaltene Wasserdampf durch die Dämmung nach aussen, trifft er auf die deutlich kühlere Wand und kondensiert dort zu Tauwasser. Das geschieht vor allem während der Heizperiode. Die Folgen sind die Durchfeuchtung des Bauteils und – über längeren Zeitraum gesehen – entstehender Schimmelpilz mitsamt Schädigung der Substanz. Dieser Hauptkritikpunkt an der Innendämmung ist kaum abwendbar, weil die massive Aussenwand nach der innenliegenden Dämmung nicht mehr als Wärmepuffer funktionieren kann.

Die Bemühungen um eine praktikable Lösung haben sich grundsätzlich dahingehend entwickelt, dass man zu einem Feuchtemanagement gelangt. Immer mehr Experten sind der Meinung, dass man sich nicht auf die Vermeidung von Tauwasser konzentrieren sollte, weil es ohnehin kaum gelingt. Im Zenrum muss die unschädliche Speicherung und Abgabe durch die Verwendung entsprechender Baumaterialien stehen. Diese müssen in der Lage sein, Feuchtigkeit gleichmässig aufzunehmen. Der Aufbau und die Ausführung sollen dabei so sein, dass die Materialien möglichst schnell wieder abtrocknen können.

Die gute Nachricht dabei: Die verschiedenen Hersteller von Dämmstoffen haben in den letzten Jahren dem systemischen Gedanken vermehrt Rechnung getragen, was insgesamt zu robusteren Lösungen für Innendämmsysteme geführt hat. Die weniger gute Nachricht: Immer noch gibt es zwei verschiedene Ansätze bezüglich innen angebrachter Isolationen. Viele Jahre herrschte das Prinzip des Feuchteschutzes durch diffusionsdichte Schichten vor. Bei Innendämmungen hat dies oft zu Schäden geführt. Das Feuchtemanagement hat deshalb zentrale Bedeutung erlangt und sammelt in der Praxis stetig Pluspunkte. Getreu dem Motto: «Wenn du es nicht vermeiden kannst, dann lerne damit umzugehen.»

Das Ganze ist mehr als die Dämmebene

Ob nun mit oder ohne Feuchtebremse, darüber herrscht natürlich Uneinigkeit. Und dies mutmasslich auch deshalb, weil jeder Einzelfall genau betrachtet werden muss. Patentrezepte greifen kaum und können nicht für allgemeinverbindlich erklärt werden. «Auch bei einer Innendämmung mit einem Systemprodukt muss schnell ein Experte in Form eines Bauphysikers hinzugezogen werden, was wir für unsere Produkte auch leisten», sagt Thomas Boillat, bei der norddeutschen Redstone GmbH zuständig für die Beratung in der Schweiz bezüglich Schimmelsanierungsverfahren und Innendämmungsprodukte.

So sind beispielsweise Fachwerkbauten und allgemein Gebäude unter dem Einfluss von Schlagregen gänzlich anders zu betrachten, weil die Feuchteaufnahme von aussen eine gewichtige Rolle spielt. Aber auch Wände aus massiven Ziegelsteinen, aus Beton oder gar Bruchsteinwände aus Granit ohne nennenswerte Feuchteaufnahmefähigkeit sind unterschiedlich zu bewerten und brauchen differenzierte Lösungen. Im Zweifel bedarf es einer Berechnung unter Berücksichtigung der Nutzung und der Temperaturverläufe, um zu geeigneten Massnahmen zu kommen.

Hinterlüftung dringend vermeiden

Was aber wohl allgemein gilt und von den Anbietern trockener Systeme mit eingebauter Feuchtebremse sowie verklebter Produkte beachtet wird: Bei Innendämmungen muss eine Feuchteanreicherung durch Hinterströmung des Innendämmsystems mit feuchtwarmer Raumluft ausgeschlossen werden können. Die Folge: Viele Dämmplatten werden vollflächig aufgeklebt, was keine Arbeit für Schreiner darstellt. Es geht aber auch anders. Beim System von Flumroc etwa sitzt eine Dampfbremse zwischen zwei Lagen der Dämmschichten. Diese im Trockenbau umsetzbare Lösung ist dadurch interessant für den Innen- und Trockenausbauer.
Wären da nicht die vorhandenen Beschichtungen, sofern diese nicht im Zuge der Anbringung einer Dämmung abgetragen werden können.
Vorhandene, sperrende Farb- oder Putzschichten führen eine Dämmmassnahme schnell ad absurdum, weil der systemische Gedanke dann nicht mehr halten kann, was er – losgelöst von der jeweiligen Situation – verspricht. «In der Regel müssen Zement- oder Kunstharzputze sowie Farbschichten entfernt werden, weil sie eine Wasserdampfdiffusion kaum zulassen», sagt Boillat.

Wer sperrt, fällt bestimmt rein

Wie behutsam man mit solchen Planungen und Massnahmen umgehen muss, zeigen auch die Erfahrungen mit den Differenzen zwischen Theorie und Praxis. Etwa in Bezug auf die Dampfsperre. Denn mit einer solchen Schicht auf der Innenseite der Dämmung könnte man theoretisch das Problem der Tauwasserbildung an der Bausubstanz lösen. Mit einer perfekt angebrachten Schicht, zum Beispiel aus Aluminium, wäre dies so. In der Praxis ist dies allerdings kaum möglich. Dafür sorgen allein schon Durchbrüche durch Fenster, Steckdosen oder andere Installationen.

Hinzu kommt der Effekt der sogenannten Flankendiffusion durch angrenzende Bauteile und die Schwierigkeit, eine Dampfsperre dauerhaft dicht zu halten. Auch eine spätere Montage von wandhängenden Korpussen kann zum Beispiel für Schwierigkeiten sorgen. Deshalb setzen die Hersteller von Innendämmungen heute auf Dampfbremsen, die eine Austrocknung ermöglichen. Noch besser soll die sogenannte feuchtevariable Dampfbremse sein, die im Winter den Feuchtigkeitsstrom drosselt und im Sommer gut trocknen kann. Die andere Variante stellen die kapillaraktiven, diffusionsoffenen Systeme dar. Diese ermöglichen während der Heizperiode eine Diffusion von Wasserdampf in die Wand. Die Feuchte wird dann vom Material aufgenommen und kapillar an die Oberfläche der rauminneren Dämmschicht zurückgeführt. Das Feuchteniveau in der Wand soll so auf ein unkritisches Mass reduziert werden.

Mit dem Wasser leben lernen

Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Umstände und Ansprüche bei Massnahmen zur Innendämmung sind geeignete Partner meist unentbehrlich. Als solcher agiert auch die Haga AG im aargauischen Rupperswil mit natürlichen Baustoffen, seit über 20 Jahren auch mit Innendämmplatten aus Calcium. Diese werden ohne eine Sperrschicht aufgebracht und sind wie alle Produkte aus der Gruppe der Calciumsilikatmaterialien feuchtigkeitsregulierend, sprich diffusionsoffen und kapillaraktiv. Solche Platten bestehen aus Kalk, Quarzsand, Wasser und Zellulosefasern. Wegen des hohen ph-Wertes, etwa der Stufe zehn, haben Schimmelpilze keine Chance, denn sie finden kein Milieu für ein Wachstum. «Unsere Platten sind von A bis Z durchgeprüft, können pro Quadratmeter mehrere Liter Wasser aufnehmen und auch rasch wieder abgeben, weshalb es dabei auch keine Dampfbremse braucht», sagt Boillat.

Allgemein kann man sagen, dass sich für die Innendämmung Materialien eignen, die Feuchtigkeit aufnehmen, gleichmässig verteilen, zur Dämmstoffoberfläche leiten können und unempfindlich gegenüber Tauwasser sind. Materialien wie Mineralwolle, geschäumte Kunststoffe oder Ähnliches gelten in dieser Hinsicht als weniger geeignet, weil sie diffusionhemmend und überwiegend nicht kapillaraktiv wirken können. Systeme, etwa aus Holzfaserdämm- oder Calciumsilikatplatten, können dies besser. Bei der Pavatex-Gruppe setzt man auf eine mineralische Funktionsschicht für den Feuchtetransport innerhalb der Faserdämmplatte «Pavadentro», die für eine Innendämmung Verwendung findet.

Bei Innendämmungen können auch einzelne Massnahmen zu erheblichen Effekten führen, wie das Beispiel eines Therapieraumes in einem Berner Altstadthaus zeigt. Einst mit einem etwas modrigen Geruch am Morgen konfrontiert, gegen den auch regelmässiges Lüften nicht half, hatte sich Therapeut Tibet Yilmaz zur Sanierung der 4,5 × 2,5 m messenden, westseitigen Aussenwand entschlossen. «Alte Schichten wurden entfernt, durch einen diffusionsoffenen Putz ersetzt und mit Haga-Klimaplus-Calciumplatten gedämmt», sagt Walo Britschgi, verantwortlicher Berater und Bauleiter bei den ausgeführten Sanierungsmassnahmen. Die Dämmung zeigte Wirkung in Form eines deutlich verbesserten Raumklimas mit behaglichem Ambiente. «Es ist zwar eine sehr subjektive Wahrnehmung, aber das Gefühl stimmt jetzt für mich und meine Patienten», sagt Yilmaz.

Kellerdecke birgt viel Potenzial

Messbar ist dagegen der verminderte Energieverbrauch durch die Dämmung. Eher selten werden einzelne Wände so ertüchtigt. Die Isolierung des Dachgeschosses bei Sanierungsarbeiten ist dagegen eine klassische Variante von wirksamen Teilmassnahmen im Bereich der Innendämmung. Aber auch durch eine ungedämmte Kellerdecke geht viel Energie verloren, und die Wohnqualität wird gemindert. Mit dem Verlust von etwa zehn Prozent der eingesetzten Wärmeenergie kann man auf diesem Wege rechnen. Dabei wäre die Kellerdeckendämmung als Einzelmassnahme eine recht effiziente, einfache und sehr gut spürbare Massnahme. Denn die Bewohner des Erdgeschosses erfahren eine deutliche Zunahme des Wohnkomforts wie wärmere Füsse – und natürlich haben sie auch nichts dagegen, wenn die Heizkostenabrechnung günstiger ausfällt. «Das Wasser sucht sich immer den einfachsten Weg. Deshalb muss man auch bei Teilmassnahmen wie der Kellerdeckendämmung genau hinsehen, welche Materialien und Massnahmen zu welchen Effekten führen. Im Zweifel muss ein Bauphysiker beigezogen werden, damit man am Ende nicht reinfällt», sagt Boillat.

www.haganatur.chwww.flumroc.chwww.pavatex.chwww.redstone.dewww.knaufinsulation.de

ch

Veröffentlichung: 02. November 2017 / Ausgabe 44/2017

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