Schätze vom Schreiner

Module wie Vitrinen aus Glas, Tischvitrinen und Polster laden zum Verweilen ein und können flexibel angeordnet werden. Bild: Benjamin Hofer

Ausstellung. Beim Umbau der Zürcher Zentralbibliothek erhielt die «Schatzkammer» ein neues Gesicht. Die präzise Formensprache der Architekten verlangte Massarbeit. Für das modulare Möbelkonzept waren auch intermaterielle Kenntnisse des Schreiners gefragt.

Die Predigerkirche prägt die städtische Kulisse des Zürcher Niederdorfs. Der Chor des Gebäudes beherbergt heutzutage die Zentralbibliothek und den Ausstellungsraum «Schatzkammer». Im Rahmen eines Umbaus stand der Erhalt der denkmalgeschützten Bausubstanz aus dem 14. Jahrhundert im Vordergrund.

Gestaltung unter Denkmalschutz

Die 180 m2 grosse «Schatzkammer» besitzt einen chortypischen sechseckigen Grundriss. Der Raum dient – nach einer wechselvollen Geschichte – wieder als Präsentationsfläche für die Bestände der Kunstkammer. Das Büro Menzi Bürgler Architekten in Zürich zeichnete für den Umbau verantwortlich und entschied sich für die ursprüngliche Erschliessung vom Bibliothekshof her mit einer Freitreppe. Über einen Windfang betritt man ein 3,50 m hohes, einladendes Entrée. Geölte Eiche, Beton, Messing, Weissputz: Der Materialkontrast der Innenarchitektur springt ins Auge. Die markanten Betonpfeiler stammen von einem Umbau aus dem Jahr 1917 und stehen unter Denkmalschutz. «Ausgehend von diesem Bestand wählten wir Materialien, die im Lauf der Zeit Patina ansetzen», so Bettina Ries, die verantwortliche Projektleiterin.

Flächen für Furniere und feine Details

Durch eine dreiteilige Gliederung der Wandfläche wurde der Raum neu gefasst. Ein furniertes Eichentäfer von einem halben Meter Höhe macht den Sockel, ein etwa mannshoher Stucco Marmorino bildet das Mittelteil, während im oberen Raum bis zur Decke Weissputz aufgetragen wurde. Zwischen diesen beiden Materialien sorgt eine feine Messingleiste für eine kontrollierte Fuge. Rechts vom Eingang sind Einbauschränke mit grifflosen, furnierten Eichenfronten bündig ins Mauerwerk eingepasst. Bei der Furnierwahl und deren Zusammensetzung hatte der beteiligte Schreiner Michi Schnüriger von der Stalder Innenausbau AG in Wädenswil ZH die Qual der Wahl und entschied sich für ein «wildes Durcheinander», wie er sagt. Besonders ist auch die Furnierdicke von 1,4 mm. Der Empfangstresen mit seinem auf Gehrung gesetzten Furnier wirkt wie aus einem Guss.

Eine Konstruktionsfinesse ist die unten im Einbauschrank integrierte Radiatorenabdeckung. Dafür wurden rund 10 mm breite Holzleisten von hinten in die hölzerne Rahmenkonstruktion eingestemmt. «Wir mussten jede Leiste an beiden Enden bis zur Hälfte einfräsen», sagt der Fachmann.

Der Reiz einfacher Konstruktionen

Die Einbauarbeiten bestechen durch ihre dezente Ausführung. «Grundsätzlich wählen wir immer Konstruktionsdetails, die einfach zu lösen sind und den Ansprüchen des Architekten entsprechen», meint der Schreiner. Er weist auf die bündig aufgesetzten Messing-Griffleisten der Schubladen vom Empfangskorpus hin. Ein weiteres schönes Beispiel ist der individuelle Kabeldurchlass auf diesem Möbel.

«Für mich war das Objekt besonders, weil ein guter Architekt und eine engagierte Bauleitung die Handwerker entsprechend eingebunden haben», meint Michi Schnüriger. Er versteht das Ergebnis als stilvoll und von einer gewissen Selbstverständlichkeit zeugend.

Modulare Möbel für die Dauer

Die Materialvorgaben nahm Remo Derungs, Mitbegründer von Gasser Derungs Innenarchitekturen, in sein Ausstellungskonzept auf. So setzt sich das Täfer vom Empfang in veränderter Form in der «Schatzkammer» fort. Es verläuft ringsum entlang der Wände und dient dadurch auch als Radiatorenverkleidung.

Der punktuell ausgeleuchtete Raum fokussiert auf die Exponate und lädt so zum Entdecken der Kostbarkeiten ein. «Unser Konzept verleiht der ‹Schatzkammer› mit ihrer wechselvollen Geschichte identitätsstiftende Gestalt», so Remo Derungs. Ein modulares Ausstellungskonzept gliedert die Fläche des länglichen Raumes. «Es war unser Leitmotiv, so mobil wie möglich zu gestalten, um maximale Flexibilität für die Anordnung der Exponate zu ermöglichen», sagt der Innenarchitekt.

Verschiedene Vitrinentypen

Das modulare System besteht aus einem Grundkorpus beziehungsweise Sockel mit den Massen 1400 × 700 × 400 mm. Aus ihm wurden zwei mäandrierende Verläufe längs im Raum arrangiert. Es gibt drei Typen von Vitrinen, die flexibel angeordnet werden können: die Tischvitrine in Eiche furniert, die Glasvitrine sowie das Sitzpolster. Ihre jeweilige Grösse entspricht dem Grundkorpus oder ist halb so lang. Für zweidimensionale Objekte stehen Wandaufsteller bereit. Daneben gibt es die Wandvitrine, bestehend aus MDF, Stahl und Messing. Sie ist fest jeweils in die von aussen zugemauerten Fensternischen montiert. Beim Bau kam das sogenannte Zwei-Kammern-Prinzip zur Anwendung, um das Klima im Innern konstant zu halten.

Apparatebau für Schreiner

Der verantwortliche Schreiner Peter Burkhardt, Geschäftsführer der Schreinerei Touchwood in Wädenswil ZH, ist in diese intermateriellen Arbeiten «hineingewachsen»: «Für mich ist es spannend zu planen, wie ich die Leitungen und die Lüftung innerhalb der Kammern intergrieren muss.» Die Exponatekammer verfügt über eine geschlossene Lüftung. Die vorgelagerte Kammer mit den seitlich gerichteten LED-Leuchten benötigt separate Öffnungen mit Vlies sowie elektrische Leitungen.

Der Vitrinenkorpus besteht aus speziellem MDF, und es wurden Lacke verwendet, die nicht ausdünsten. Die gläserne Front ist in einer Stahltür gefasst, die beim Metallbauer gefertigt wurde. Das an den Kanten vorgebogene Messing hat der Fachmann selbst geschnitten und geklebt. «Für unsere Kunden ist es interessant, dass wir intermaterielle Arbeiten aus einer Hand liefern können», sagt Peter Burkhardt.

Weitgehend beschlaglos

Der Geschäftsführer von Touchwood kann dank seines beruflichen Netzwerks auch die Glasvitrinen eines deutschen Herstellers anbieten. Die Objekte sind mit einem verdeckten Türgelenk am oberen Rand versehen. Noch mehr Details bieten die Tischvitrinen mit integriertem Sicherheitssystem. Durch ein eingebautes Sicherheitsglas im Deckel sieht man die Schätze. Diese ruhen auf Sockeln aus Plexiglas. Mit dezenten Griffmulden lässt sich die Vitrine wie eine Schatztruhe öffnen. Lediglich ein schmales Klavierband hält den Deckel. Die Beleuchtung verläuft unterhalb des Holzrahmens. Dafür wurden LED-Röhren mit einem 45° abgeschrägten Plexiglas abgedeckt, für die Regulierung des Feuchtigkeitshaushalts sorgt ein Sorbtionsmittel, versteckt im Boden der Vitrine.

Verdeckte Funktionalitäten

Die rund 50 kg schwere Tischvitrine wird wie eine Sänfte transportiert, und zwar mit zwei Holmen, die über Saugnäpfe am Glas oben halten. Die massiven Holzverkleidungen aus unterschiedlich breiten Latten bei Radiatoren und Sockeln berechnete der Gebäudetechniker. Der Schreiner montierte die Verkleidungen vor Ort. Dahinter verstecken sich vorgefertigte Kästen, die Heizung, Elektrizität und Lüftung beherbergen. Die Entwürfe des Innenarchitekten wurden in Zusammenarbeit mit dem Schreiner entwickelt. Es geht um nichts weniger, als einen Schatz zu heben, denkt die Besucherin noch beim Rundgang.

www.menzibuergler.chwww.stalder-ag.chwww.gasserderungs.chwww.touchwood.ch

Umbau im Bestand

Denkmalgerechte Neukonzeption

Der Chor der Zürcher Predigerkirche wurde im Zuge der Reformation zur ersten Bürgerbibliothek der Stadt und war auch ihr erstes Museum.

Neue funktionale und technische Anforderungen veranlassten die Zentralbibliothek Zürich zu einem Umbau, ausgeführt vom Büro Menzi Bürgler Architekten. Wegweisend ist der Erhalt des denkmalgeschützten Bestandes. Die Erschliessungssituation wurde neu konzipiert, das Treppenhaus renoviert und ein behindertengerechter Personenaufzug eingebaut.

Es waren aufwendige Abgrabungen im archäologischen Bestand erforderlich sowie Eingriffe in die denkmalgeschützte Substanz. Die Neukonzeption der Ausstellung «Schatzkammer» im Erdgeschoss übernahm das Büro Gasser Derungs Innenarchitekturen.

www.zb.uzh.ch

MZ

Veröffentlichung: 15. Dezember 2016 / Ausgabe 50/2016

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