«Schiff ahoi» in alter Frische

Fränzi Rölli spricht mit Begeisterung über die Schreinerarbeiten auf «ihrem» Schiff. Bild: Stefan Hilzinger

Restaurierung.  Die «Stadt Luzern» ist das Flaggschiff auf dem Vierwaldstättersee. Nach der fast dreijährigen Generalüberholung sticht sie zum Saisonstart am 1. Mai wieder in See. Das von Schreinern sorgsam restaurierte Interieur im Art-déco-Stil ist die Visitenkarte der alten Dame.

«Ah ja, hier ist der Motor». Kaum an Bord, tritt der Journalist auch schon ins Fettnäpfchen. «Die Maschine», korrigiert Schreinerin Fränzi Rölli (25) den Gast auf der «Stadt Luzern». Das Schiff mit Jahrgang 1928 hat eine Dampfmaschine und eben keinen ordinären Verbrennungsmotor. Mit der Maschine und dem Kesselraum hat Röllis grosse schreinerische Herausforderung zu tun. «Die Brandschutztür zum Kesselraum wird meine Diplomarbeit in der Ausbildung zur Schreinerin in der Denkmalpflege», sagt sie. Die besondere Knacknuss dabei: Die Tür öffnet nicht nach innen, sondern nach aussen – und sollte natürlich auch unauffällig in das gediegene Interieur des bald 100-jährigen Schiffes passen. Noch habe sie keine Lösung für die Tür und das unsichtbare Band, sagt sie beim Besuch auf der schwimmenden Baustelle im vergangenen Herbst. Mittlerweile hat Schreinerin Rölli den praktischen Teil ihrer Weiterbildung zur Handwerkerin in der Denkmalpflege mit Erfolg abgeschlossen (Schreinerzeitung vom 28. Januar).

Röllis Arbeitgeber ist die Firma Shiptec, eine Werft am Vierwaldstättersee in Luzern, die etwa das jüngste Patrouillenboot für die Schweizer Armee baute. Deren aktuell wichtigstes Vorhaben ist aber die komplette Sanierung und Restaurierung der «Stadt Luzern». Das im Jahr 2018 gestartete Projekt kommt bald zum Abschluss. Nach 80 000 Stunden Arbeit und 13 Millionen Franken Investitionen heisst es beim Saisonstart am 1. Mai wieder «Schiff ahoi».

Es gibt immer etwas instand zu halten

In der Schiffsschreinerei von Shiptec arbeiten neun Schreiner und zwei Lernende. An den historischen Dampfschiffen der Vierwaldstättersee-Flotte gibt es immer etwas instand zu halten, schliesslich sind die Fahrzeuge Wind und Wetter ausgesetzt, was Bauteile aus Holz bekanntlich nicht besonders mögen. Franziska Rölli hat das Metier bei der Restaurierung eines anderen Schiffes von ihrem Vorgänger bei Shiptec kennengelernt. Nun ist sie als Teilprojektleiterin verantwortlich für den Innenausbau der «Stadt Luzern».

«Die Aufgabe ist von zwei Seiten her spannend: Einerseits weil ich eng mit den andern Handwerkern im Betrieb, den Elektrikern, den Schlosssern, den Malern und den Installateuren, zusammenarbeiten darf, und anderereits wegen der besonderen Voraussetzungen auf dem Schiff mit seiner langen Geschichte», erklärt Rölli. Bei der Sanierung blieb praktisch kein Stein auf dem anderen. Es ist, als würde man ein Haus bis auf die Grundmauern entkernen, und das Innenleben wird komplett überarbeitet und restauriert. Anders als an Land können sich Handwerker und darunter besonders die Schreiner nicht auf gewohnte Hilfsmittel wie die Wasserwaage verlassen, die vie- len gekrümmten Formen verlangen zudem Augenmass und Improvisationsgeschick. «Es gibt immer Kompromisse von der Genauigkeit her», sagt Rölli.

Doch das Vorhaben, die vielen Salons, Treppen und Decks zu restaurieren, verlangten genaue planerische Vorarbeit, wie Rölli unterstreicht. Schliesslich sollte alles, was ausgebaut wurde, an derselben Stelle wieder eingebaut werden können – und dies möglichst ohne Würgen. Weil das Schiff beidseits der sogenannten Centerline symmetrisch aufgebaut ist, dient diese imaginäre Mittellinie als wichtige Referenz. Jedes ausgebaute Werkstück, jedes Teil der Täfelung, jede Zierleiste und so weiter wurden nummeriert und entsprechend in den Plänen vermerkt. Zwar wurde vom ganzen Schiff vorgängig ein dreidimensionaler Scan erstellt. Doch die dabei entstandene Punktwolke aus räumlichen Daten konnte nicht direkt in die Planung der Schreinerarbeiten übernommen werden. «Leider fehlten uns da noch die passenden Schnittstellen», sagt Rölli. Aber man lerne daraus für nächste Projekte.

Sünden der Vergangenheit korrigieren

Der Stil der 1920er-Jahre, der Art-déco-Stil, prägt den Innenausbau des Schiffes. Bei vergangenen Sanierungen und Modernisierungen des Schiffes ist man nicht immer pfleglich mit dem historischen Erbe umgegangen, Das habe sich vor allem bei der Möblierung der Salons gezeigt. «Das Interieur war richtiggehend zusammengewürfelt», sagt Rölli. Anhand von historischen Aufnahmen habe man die alten Stühle und Sessel aber rekonstruieren können und lasse sie nun nach neuen Plänen wieder anfertigen.

Teak, Nussbaum und Ebenholz verleihen den beiden Salons im Heck ihren gediegenen Reiz. «Bevor wir die Täfelung abnahmen, wussten wir nicht genau, was uns erwartet», sagt Rölli. Doch die Substanz des Innenausbaus zeigte sich überraschend solide. «Es gab da und dort etwas Fäulnis, aber Schädlinge waren keine im Holz», sagt Rölli. Der Grundsatz, so viel wie möglich zu erhalten und nur so viel wie nötig zu ersetzen, habe eingehalten werden können.

Bei der aktuellen Restaurierung setzen die Schiffsschreiner auf Plantagenteak aus sicherer Quelle als Ersatz für das ursprüngliche Teak aus Burma und das in den 80er-Jahren verwendete Koto. «Wo die Qualität des Burma-Teaks noch in Ordnung ist, belassen wir natürlich das Original.» Für die Schiffdecks verwendete das Shiptec-Team Doussié. Die auch Afzelia genannte Baumart gehört zu den Johannisbrotgewächsen und ist härter als Eiche oder Teak.

Rücksichtsvolle Modernisierung

Bei allem Respekt vor der Geschichte des historischen Dampfers: Die Grundsanierung ging da und dort auch mit einer Modernisierung einher. Da sind Dinge, die Ausflügler nicht wahrnehmen: Etwa, dass die verwendeten Farben und Lacke den neuesten Anforderungen an den Brandschutz entsprechen. Anderes wird durchaus sichtbar sein: Beispielsweise, dass jeder Tisch im Salon Heck mit einer 230-Volt-Steckdose ausgestatt ist. «Schliesslich wollen die Passagiere ihr Handy aufladen können oder auch mal am Platz ein Raclette geniessen», sagt Rölli. Im Queen-Salon, der nach der englischen Königin Elizabeth II benannt ist, sind die länglichen Schlitze im Sockel ein dezenter Tribut an die neue Lüftung und Heizung.

Ganz neu und ein Entwurf aus der Hand von Schreinerin Rölli ist ausserdem das Buffet im Salon Oberdeck Heck. «Hier haben wir mit einem Küchenbauer zusammengearbeitet, da es in unserer Werkstatt keine CNC-Maschine hat», sagt Rölli. Um das Buffet zweckmässig zu platzieren, seien die beiden Türen zum Aussenbereich verschoben worden. «Wir haben zudem ein versenkbares Fenster eingebaut, damit die Glaces direkt hinausgereicht werden können», berichtet die junge Schreinerin. Und wenn der Ausflügler dann mit dem Cornet in der Hand auf dem Deck steht, sollte er unbedingt einen Blick auf den Boden werfen. «Das Schiffsdeck haben wir vor Ort montiert. Die Konstruktion ist ein Geheimnis.» Man soll es sich anschauen kommen, mehr verrät Rölli nicht.

www.shiptec.chwww.lakelucerne.ch

Stefan Hilzinger

Veröffentlichung: 11. März 2021 / Ausgabe 11/2021

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