Schreiner sagen Ja zum fortschrittlichen GAV

Die Auszählung der Delegiertenstimmen hat bei allen Abstimmungen klare Resultate ergeben. Bild: Patrik Ettlin

Entscheidung. Die Arbeitgebervertreter haben mit einem kräftigen Ja zum neuen GAV 2022 – 2025 für das Schreinergewerbe vorgelegt. Nun sind Unia und Syna gefordert. Bei einem Nein der Gewerkschaften droht den Schreinern ab 1. Januar 2021 der vertragslose Zustand.

Nach rund dreijähriger Verhandlungszeit haben die drei Sozialpartner Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM), Unia und Syna im Sommer 2020 ihren Mitgliedern einen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) präsentieren können, der allseitige Verbesserungen beinhaltet. Dieses Regelwerk tritt bei der Zustimmung aller Vertragspartner am 1. Januar 2022 für vier Jahre in Kraft. Da der neue GAV durch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) geprüft und vom Bundesrat für allgemeinverbindlich erklärt werden muss, haben die drei Vertragspartner vorsorglich beantragt, den bestehenden Übergangs-GAV für das Jahr 2021 zu verlängern.

Arbeitgebervertreter mit klarem Resultat

In seiner Corona-bedingt in schriftlicher Form durchgeführten Abstimmung hat der VSSM die Dokumente der Delegierten bis zum 17. November zurückgeschickt bekommen. Die Auszählung aller Geschäfte hat klare Resultate ergeben.

Mit einem deutlichen Mehr von über 97 Prozent haben die Delegierten dem neuen Gesamtarbeitsvertrag für das Schreinergewerbe 2022 – 2025 zugestimmt. Der ebenfalls zur Abstimmung gelangte Vorschlag für ein Vorruhestandsmodell (VRM) für die Schreinerbranche wurde mit über 85 Prozent der Delegiertenstimmen deutlich abgelehnt.

Das klare Ja zum neuen GAV ist ein kräftiges Zeichen der Arbeitgeber für eine erfolgreiche und zeitgemässe Schreinerbranche. Gleichzeitig ist die Zustimmung zu diesem neuen Regelwerk ein klares Bekenntnis zur paritätisch unterstützten Entwicklung des Schreinergewerbes. Die Arbeitgeber haben nun vorgelegt.

Wie entscheiden die Gewerkschaften?

Die Lage spitzt sich nun zu: Jetzt sind nämlichz die Gewerkschaften Unia und Syna gefordert, die bereits im Sommer getroffene Zustimmung zum ausgehandelten GAV von ihren Gremien ebenso überzeugend zu bestätigen. «Ein Negativentscheid der Gewerkschaften würde die Branche in einer schwierigen Zeit hart treffen und einen kräftigen Schaden anrichten», erklärt VSSM-Zentralpräsident Thomas Iten klar und deutlich.

Es droht der vertragslose Zustand

Es fragt sich tatsächlich, ob die Gewerkschaften eine gut funktionierende Branche, die Aus- und Weiterbildung der Berufs­leute und die paritätisch unterstützten Projekte und Kontrollen aufs Spiel setzen wollen. Thomas Iten: «Uns und der ganzen Branche würden bei einem vertragslosen Zustand jährlich Millionenbeträge fehlen, die wir in die Weiterbildung der Schreiner investieren.»

Was auch klar ist: Ein Negativentscheid der Basis von Unia oder Syna würde Türen und Tore für die ausländischen Unternehmer öffnen, sich ohne Rücksicht auf Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen im Schweizer Markt niederzulassen.

Unia und Syna wehren sich in einer Mitteilung und unterstellen den Arbeitgebern Wortbruch. Die Gewerkschaften berufen sich auf die Ergebnisse der Verhandlungen, auf die sich Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter letztlich geeinigt hatten. Dass die Delegierten des VSSM dazu befragt werden und das letzte Wort haben, war jedoch immer klar.

Die Delegierten des VSSM behandelten nebst den beiden Themen GAV und VRM noch weitere Geschäfte. Im Rahmen ihrer schriftlich abgehaltenen Delegiertenversammlung genehmigten sie den Jahres­bericht des VSSM 2019 und denjenigen des Zentralpräsidenten. Ebenso klar angenommen wurden der Geschäftsbericht und die Jahresrechnungen von VSSM und Militär- und Ausbildungsentscheidungskasse (Maek) und die Anpassungen im VSSM-Beitragsreglement. Auch beim VSSM-Beitragsfuss gibt es keine Änderung. Er wurde bei 254 Prozent belassen.

Patrik Ettlin

www.vssm.ch

«Entscheid der Basis ist zu akzeptieren»

Meinungen. Die VSSM-Delegierten haben für klare Resultate gesorgt: Ja zum GAV, Nein zum Vorruhestandsmodell (VRM). Doch was heisst das nun konkret? Die Schreinerzeitung hat bei den Mitgliedern der GAV-Verhandlungsdelegation nachgefragt.

 

In vielen Sitzungen haben die Mitglieder der GAV-Verhandlungsdelegation mit den Gewerkschaften im Vorfeld diskutiert und um optimale Verträge für die Schreinerbranche gekämpft. Nun stehen die Resultate fest.

Schreinerzeitung: Die Entscheidungen zum GAV und VRM sind deutlich ausgefallen. Waren Sie überrascht oder haben Sie solch klare Resultate erwartet?
Thomas Iten: Aufgrund der intensiven und konstruktiven Diskussionen in den Gremien und an den Infoveranstaltungen der Sektionen und Fachgruppen hatte sich bereits im Vorfeld ein deutliches Ja zum GAV und ein klares Nein zum Vorruhestandmodell (VRM) abgezeichnet. Daher war ich, genauso wie meine Kollegen der Verhandlungsdelegation, des Zentralvorstandes, der GAV-Kommission und der Präsidentenkonferenz wenig überrascht vom Ergebnis.

Welchen Einfluss hatte die schriftliche Form der Abstimmung?
Thomas Iten: Selbstverständlich bedauere ich es, dass die verschiedenen Voten und die Diskussion der Delegierten vor der Abstimmung gefehlt haben. Ich bin jedoch überzeugt, dass die Form der Abstimmung keinen Einfluss auf das Ergebnis hatte.

Was heisst das nun für den VSSM?
Josef Popp: «Die Delegierten stehen ganz klar zum neuen GAV, den die Verhandlungsdelegation in Zusammenarbeit mit der GAV-Kommission erarbeitet und dann mit den Sozialpartnern ausgehandelt hat. Beim VRM haben die Delegierten eine klare Ablehnung gezeigt, trotz Empfehlung der Verhandlungsdelegation, der GAV-Kommission und des Zentralvorstandes. Was das für uns bedeutet: Die Verbandsleitung und ihre Gremien akzeptieren den Willen der Basis und unterstützen diesen nach dieser Abstimmung. Wir alle wollen einen GAV, der die Arbeitsbedingungen regelt, die Weiterbildung unterstützt, die Sicherheit am Arbeitsplatz gewährleistet und den Arbeitsfrieden erhält. Klar ist aber auch: Man will in dieser unsicheren Zeit mit dem VRM nicht noch ein zusätzliches Vertragswerk.

Was bedeutet das für die Gewerkschaften Unia und Syna?
Josef Popp: Unsere Sozialpartner müssen akzeptieren, dass beim VSSM Demokratie herrscht und der ZV, die Verhandlungsdelegation und deren Gremien den Willen ihrer Mitglieder ernst nehmen. Die Führungsetagen unserer Sozialpartner sind meines Ermessens zum Wohl ihrer Mitglieder und der ganzen Arbeitnehmerschaft verpflichtet, den GAV Schreinergewerbe anzunehmen und ihn nicht wegen des VRM aufs Spiel zu setzen. Denn vom GAV Schreinergewerbe profitieren 100 Prozent der Arbeitnehmenden, vom VRM aber nur deren 7 Prozent der dem GAV unterstellten Arbeitnehmenden.

Das klare Nein zum VRM wirft Fragen auf. Weshalb konnte keine Mehrheit in der Branche für dieses Modell gewonnen werden?
Basil Gasser: Die Umverteilung der Gelder von Jung zu Alt und der mögliche frühere Abgang der älteren Mitarbeiter haben wohl den Ausschlag gegeben, dass die VSSM-Delegierten die Vorlage des Vorruhestandsmodells abgelehnt haben. Diese negativen Punkte überwiegen offensichtlich deutlich gegenüber den Vorteilen, die ein solches VRM bieten kann.

Sollten die Gewerkschaften nicht einlenken und sich gegen den neuen GAV aussprechen: Was erwartet dann die Branche?
Mario Fellner: Es ist tatächlich so, dass dann der vertragslose Zustand droht. Was heisst das? Bestehende Arbeitsverträge ändern sich durch den Wegfall des GAV grundsätzlich nicht. Neue Arbeitsverträge unterliegen jedoch nicht mehr den Bedingungen des wegfallenden GAV, sondern denjenigen des Obligatio­nenrechts und des Arbeitsgesetzes. Im Wettbewerb für neue Aufträge werden die Spiesse für in- und ausländische Betriebe nicht mehr gleich lang sein. Ausländische Unternehmen können ohne Rücksicht auf Mindestlöhne und Arbeitsbedingungen gemäss wegfallendem GAV in den Schweizer Markt drängen. Die Auswirkungen zeigen sich auch bei der finanziellen Unterstützung von Weiterbildungen und bei der pari­tä­tischen Organisation der Siko Schreinergewerbe. Sowohl die Siko wie auch die Finanzierung der Weiterbildung müssen überdacht und neu organisiert werden.

Thomas Iten ist VSSM-Zentralpräsident, Josef Popp und Basil Gasser sind Mitglieder des VSSM-Zentralvorstands, Mario Fellner ist Verbandsdirektor.

Patrik Ettlin

www.vssm.ch

 

Veröffentlichung: 26. November 2020

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