Spiel mit der Geschichte

Die alten Elemente kommen durch die neuen Einbauten stärker zur Geltung. Bild: Klaus Hoffmann

Persönliche Akzente.  Zu den grössten Stärken des Schreiners gehört es, Einzigartiges zu schaffen und individuelle Kundenwünsche umzusetzen. Im Umbau alter Liegenschaften kann er mit der gezielten Wiederverwendung einzelner Objekte sein Repertoire erweitern.

In so manchen alten Gebäuden finden sich ganz spezielle Gegenstände oder Einbauten, die mit etwas Fantasie und Gestaltungsgeschick in einem Umbauauftrag wiederverwendet werden können. Denn das Spiel mit diesen besonderen Elementen reflektiert die Geschichte, lässt den Charakter des Umbauobjektes weiterleben und widerspiegelt das Können des Schreiners.

Gewohnheiten und Lieblingsstücke

Um den Charakter und den Geist eines Gebäudes zu erfassen, besucht der Planer am besten schon im Vorfeld das Objekt und versucht, die Bedürfnisse des Kunden herauszuspüren. «Es hilft, sich mit der Geschichte und der Umgebung des Gebäudes auseinanderzusetzen», sagt Andreas Herz, Eigentümer der Schreinerei Werk Idee in Kreuzlingen TG.

So können zum einen besondere Stücke gesichtet und kann zum anderen auf die Gewohnheiten des Eigentümers eingegangen werden. Zum Beispiel wird so auch im neu umgebauten Gang die alte Steinnische wieder zur Nische für die Schlüssel oder das Portemonnaie. «Solche toll inszenierten Kleinigkeiten können eine sehr gute Wirkung haben», sagt Stefan Liechti, Inhaber der Werthmüller Schreinerei AG. Die Vielfalt der zu erhaltenden Objekte ist riesig und von Auftrag zu Auftrag unterschiedlich.

Vom Balken bis zur Bruchsteinwand

Neben dem gediegenen Kachelofen, dem schönen Gebälk oder dem alten Riegelboden bieten sich kleine Wandnischen, alte Schüttsteine oder besondere Türen und Wandverkleidungen als Gestaltungselement im Umbau an. Aber auch eine alte Wand mit schönen Bruchsteinen kann ein bereicherndes Element sein, wenn sie fachmännisch aufgearbeitet und versiegelt wird. «Gegenstände, die schon immer zum Objekt gehörten oder einen besonderen Bezug zum Haus oder Bewohner haben, bieten sich besonders zur Weiterverwendung an», rät Stefan Liechti. Ob nach Kundenwunsch oder Empfinden des Gestalters, bei der Auswahl sind nur wenige Grenzen gesetzt. Wichtig ist die Qualität, mit welcher die Objekte wiederverwendet werden.

Qualitätsanspruch hoch ansetzen

Die gewohnt hohe Qualität eines Schreinerumbaus muss natürlich auch bei den wiederverwendeten Elementen beibehalten werden. Das bedeutet, die Bearbeitung und Instandsetzung sind im Budget einzuplanen und auch zu verrechnen. «Die Wiederverwendung von Altholz ist tendenziell teurer und aufwendiger», sagt Christoph Wagner, Inhaber der Wagner + Boss GmbH in Thun-stetten BE. Hier spielen natürlich die Erfahrungswerte und die individuelle Ausrichtung des jeweiligen Schreinerbetriebes eine grosse Rolle. Auch der Zustand, die mögliche Dimensionierung und der allfällige Befall durch Holzschädlinge sollten abgeklärt werden. «Hier ist eine offene Kommunikation mit der Bauherrschaft sehr wichtig», sagt Wagner.

Für Instandsetzungen von schreinerfremden Objekten wie beispielsweise Steinböden und -wänden, spezielle Oberflächentechniken oder die Aufarbeitung von alten Farbflächen ist auch eine Fremdvergabe an einen Spezialisten abzuklären.

Doppelt gewinnen

Wie beschrieben, müssen Qualität, Planung und die Sicherheit stimmen. So ist zum Beispiel bei Geländern oder Überkopfteilen eine genauere Abklärung sinnvoll. Nach dem Umbau wirken die Elemente meist stark auf den Kunden. «Viele Leute verbinden solche alten Werkstücke auch mit ihrer Kindheit oder Jugend», sagt Stefan Liechti. So macht sich der Schreiner beim Kunden durch seine individuelle Planung und Herangehensweise unvergesslich und er bekommt eine einzigartige Referenz, die keiner nachbauen oder kopieren kann. Nachfolgend ein paar Beispiele von Schweizer Schreinern.

www.werk-idee.ch
www.werthmuellerag.ch
www.wagnerboss.ch


Originalgetreu zurückgebaut

In einem mehrgeschossigen Gebäude im deutschen Konstanz-Petershausen bekam der alte Eingangsbereich wieder eine Tür. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts führte die Tür von der Strasse direkt in die Poststelle, die im Gebäude integriert war.

Nach deren Schliessung hundert Jahre später wurde die Tür im Zuge einer Umnutzung halb zugemauert und mit einem Brüstungsfenster versehen. Nun hat der Schreiner den Zugang wieder komplett geöffnet und dem Erdgeschoss neues Leben eingehaucht.

Passende Lösung

Die zweiflügelige Fenstertür in Holzbauweise, welche den Eingangsbereich nun verschliesst, wurde in Abstimmung mit der Denkmalpflege ausgearbeitet.

Ebenso erfolgte im Innenraum der Rückbau auf die originale Deckenhöhe von 4,1 Metern. Die Wände wurden mit einem zeitgemässen Kalkputz versehen.

www.werk-idee.ch


Unterschiedliche Materialien statisch eingesetzt

In Gondiswil BE wurde in der Hocheinfahrt eines alten Bauernhauses eine zusätzliche Wohneinheit integriert. Dazu wurde die Einfahrt bis auf den Dachstuhl, der für die Abbauphase provisorisch abgestützt wurde, abgebaut. Die alte Balkenlage der Hocheinfahrt fand eine neue Verwendung als Galerieboden, und die weiteren Altholzteile wurden als statische Elemente in den Dachstuhl integriert. Sämtliches Holz wurde nach der Demontage mit Glasbruch gestrahlt und anschliessend gebürstet. So bekamen alle Balken ein einheitliches Erscheinungsbild.

Holz und Stahl kombinieren

Ein zentrales Element des Umbaus war es, eine harmonische Verbindung der alten Holzbalken mit der neuen Stahlkonstruktion zu schaffen. Herausfordernd war der gezielte Einsatz des Altholzes, damit es nicht zu dominant wirkt.

Auch der Einsatz des Altholzes als präzi- ses und zum Teil auch tragendes Baumaterial benötigt eine genaue Planung und Abstimmung.

www.wagnerboss.ch


Aus zwei Wohnungen wird eine

In einem alten Mehrfamilienhaus in Thöringen BE wurden im Rahmen einer Umbauaktion zwei Wohnungen zu einer grösseren Einheit verbunden. Der Schreiner sanierte sämtliche alten Schiebeböden und Wandverkleidungen.

Viele der alten, gestemmten Wandverkleidungen wurden demontiert, gestrahlt und gebürstet. Anschliessend konnten diese neu platziert und wiederverwendet werden. Zusätzlich wurden einige Innenwände entfernt, um dem Innenraum mehr Durchsicht zu verleihen.

Den Charme behalten

Der Bauherr wollte so viele Innenausbauten wie möglich mit dem vorhandenen Altholz ausführen. Hierfür wurden die Wandverkleidungen auf einem tragenden Fachwerk verbaut, das ebenfalls aus dem vorhandenen Altholz errichtet wurde.

Das benötigte eine genaue Planung und Sortierung des Materials, weil die Dimensionierung und die statische Ausführung besondere Anforderungen an das Altholz stellen.

www.wagnerboss.ch


Alte Konstruktion mit neuen Elementen

Ein über 500-jähriges Haus in Schaffhausen wurde in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege komplett entkernt und wieder frisch aufgebaut. Im Innenraum herrscht eine harmonische Mischung aus gezielt eingesetzten, alten Elementen und neuen Einbauten.

Das Passende kombiniert

In den einzelnen Räumen des Gebäudes ergänzen sich fein restaurierte Sichtmauerwerke mit modernen Putzflächen.

Das alte Gebälk unterstützt optisch die Raumeinteilung und bringt so Weite in die alten Räume. Besondere und einzigartige Objekte und Konstruktionen wie beispielsweise die gebogene Decke wurden originalgetreu aufgefrischt und wirken im umgebauten Gebäude weiter.

www.lohrer.ch

njg

Veröffentlichung: 01. November 2018 / Ausgabe 44/2018

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