Spitzes Bankhaus

Die Spitze des Bankhauses ragt mit sieben Geschossen in die Höhe und fällt nach hinten auf vier Geschosse ab. Bild: Sindre Ellingsen

Bankgebäude.  Mit dem dreieckigen Hochhaus in Holz und Glas hat sich die Sparebank im norwegischen Stavanger an ihrem Hauptsitz einen Neubau der Extraklasse geleistet. Schweizer Know-how in Sachen Ingenieurholzbau machte das aussergewöhnliche Tragwerk möglich.

Mit dem neuen Hauptsitz Bjergsted Financial Park der norwegischen SR Bank in Stavanger ist eine aussergewöhnliche Architektur in Holz und Glas gelungen. Das dreieckige Holzhochhaus liegt zentral zwischen der Innenstadt von Stavanger und dem Bjergsted-Park am Hafen. Es füllt ein dreieckiges Grundstück zwischen zwei spitz zulaufenden Strassen und ist in seiner Höhe gestaffelt angelegt: Der Baukörper bildet an der nördlich gelegenen Spitze, die in Richtung Park weist, mit sieben Geschossen den Hochpunkt und fällt über die Länge von 83 m bzw. 97 m auf vier Geschosse ab. Er besteht aus zwei Gebäudeflügeln, die sich wie ein A auffächern. Dazwischen liegt das Herzstück des Ensembles: ein glasüberdachtes Atrium mit einer skulptural anmutenden Treppenanlage aus Holz. Die Ost- und Westfassade entlang der Strassen bis zur Gebäudespitze verspringen im unteren Bereich nach innen. Oder umgekehrt gesagt: Die Stockwerke kragen über den Bereich der Eingangsebene aus und schützen den Gehweg darunter wie ein kleines Dach – ein Kunstgriff, um mehr Geschossfläche zu erhalten.

Schmuckstück in Holz

Das Büro Helen & Hard hatte gemeinsam mit dem Architekturbüro Sahaa den Wettbewerb für den neuen Hauptsitz der SR Bank, Norwegens zweitgrösster Bankengruppe, gewonnen. Aufgrund der anfänglichen Skepsis des Bauherrn gegenüber Holz für ein solches Grossprojekt zogen die Planer des Holzbauspezialisten Hermann Blumer vom Ingenieurteam Création Holz aus Herisau AR zur Beratung hinzu. Als Konzeptidee schlug er einen Holzskelettbau mit speziell ausgeformten Stützen und Trägern vor und stellte die Machbarkeit mit vorstatischen Überprüfungen sicher.

Bei der anschliessenden Überzeugungsarbeit wurden dann nicht nur die Nachhaltigkeits- und Gesundheitsaspekte sowie eine hohe Aufenthaltsqualität für die Mitarbeitenden als Vorteile genannt, sondern auch ein Kostenvergleich zwischen Holz und einer Mischkonstruktion aus Stahl und Beton als Entscheidungshilfe vorgelegt. Um die Vorteile, aber auch Abfallreduzierung und eine verkürzte Bauzeit zu nutzen, nahm der Bauherr am Ende sogar die Mehrkosten für ein Holzgebäude von 1,4 Prozent im Vergleich zur Stahl-Beton-Variante in Kauf. Die Baukosten beliefen sich am Ende auf zirka 40 Millionen Euro. Die Nutzfläche erstreckt sich oberirdisch auf 13 500 m² und unterirdisch auf 9000 m².

Gestaffelter Skelettbau

Das Ingenieurbüro Degree of Freedom erarbeitete zum einen den Stahl-Beton-Teil des Gebäudes – der gesamte Verwaltungsbau ruht auf einer dreigeschossigen, teils unterirdischen Stahlbeton-Konstruktion –, zum anderen aber auch die detaillierte Statik für den Holzbau auf Basis der Vorlagen von Hermann Blumer und übersetzte diese in die Werkplanung. Blumer und sein Team von Création Holz lieferten dabei die notwendige Unterstützung und sorgten mit ein paar Kniffen in Sachen Tragwerksausbildung und Holzartenwahl dafür, dass der aussergewöhnliche Entwurf in Holz überhaupt realisierbar wurde.

Entsprechend besteht die oberirdische Tragstruktur aus einem Holzskelettbau mit Stützen und Zangenträgern aus Buchen-Furnierschichtholz, in den unteren zwei Geschossen – beziehungsweise aus Brettschichtholz in den darüber liegenden Etagen – sowie Decken aus Brettsperrholz. Stützen und Träger sind quer zum Strassenverlauf im Tragwerksraster von 5,40 m angeordnet. Dabei sind die Brettschichtholz-stützen ab der dritten Etage durchgehend bis zum Dach gefertigt. Sie sind maximal 23 m hoch, nämlich dort, wo sie bis ins siebte Stockwerk ragen. Auch die beidseitig an die Stützen anschliessenden Brettschichtholz-Träger reichen jeweils durchgehend über die gesamte Breite des Gebäudes bzw. der Gebäudeflügel.

Eingepasst in die Ausfräsungen der Stüt-zen, sind sie in den Kreuzungspunkten per Überblattung miteinander verkämmt und durch hochtragfähige Baubuche-Dübel verbunden. Die charakteristische, von Hermann Blumer entwickelte, organische Ausformung der Träger und Knoten mit den sichtbaren Baubuche-Dübeln war in Skandinavien zuvor unbekannt. Neben ihrer tragenden Funktion bilden sie auch ein gestalterisches Markenzeichen des Bankhauses.

Konstruktive Stabilisation

Die Aussteifung des Gebäudes erfolgt über die vier Stahlbeton-Erschliessungskerne, die Brettsperrholz-Deckenscheiben sowie über die umlaufenden Brüstungsträger aus Buchen-Furnierschichtholz der Festigkeitsklasse GL 70. Letztere verbinden die achsenweise als Rahmentragwerke ausgebildeten Stützen und Träger wie Ringbalken und versteifen zusätzlich die Decken an den Stirnseiten. Sie tragen ausserdem die Fassadenverglasung. Selbst die Auskragungen an der Süd- und Nordseite des Gebäudes lies-sen sich erst mithilfe der Brüstungsträger realisieren. Sie nehmen die Windkräfte auf und übertragen sie über die Deckenscheiben in die Betontürme. Um den Decken in diesen auskragenden Bereichen die notwendige Steifigkeit zu verleihen, sind die Brüstungsträger zusätzlich über alle Ebenen mit vertikalen Baubuche-Streben verbunden. Die Steifigkeit der Knotenverbindungen mit Baubuche-Dübeln trägt ebenfalls zur Gesamtaussteifung bei.

Lasten sinnvoll abgestützt

Überhaupt wurde Baubuche überall da eingesetzt, wo besonders hohe Lasten aufgefangen werden mussten. Das war etwa bei den Stützen und Trägern im Erd- und ersten Obergeschoss der Fall, da die Planer die Stützen der Ost- und Westfassade rund 2,23 m aus der Fassadenebene nach innen gerückt haben. Der Versprung sorgt für hohe Auskragungslasten auf die Träger über dem ersten Obergeschoss und infolgedessen für entsprechend hohe Lasten auf die Stützen und Träger darunter.

Ausserdem wollte man an der Ostseite, am Eingang des Gebäudes, einen markanten Raum schaffen und in diesem zweigeschosshohen Bereich die Zahl der Stützen reduzieren, sprich auf die Mittelstützen, wie es sie in den Geschossen darüber gibt, verzichten. Das erforderte im zweiten Obergeschoss eine Transferstruktur zur Umleitung der von oben ankommenden Punktlasten auf die verbleibende Struktur darunter. Entsprechend hohe Lasten hatten die Träger und Stützen im Erd- und ersten Obergeschoss aufzunehmen. Für diese Träger mit Spannweiten bis zu 9 m setzten die Holzbau-Ingenieure wieder die hochtragfähige Baubuche ein. Für die bis zu 7,50 m hohen Stützen wählten sie Baubuche S mit parallel verklebten Furnierlagen.

In den Geschossen darüber sind die Zangenträger vor allem aus Fichten-Brettschichtholz hergestellt. Dabei besteht jeder dieser Träger aus einem äusseren Balken, einer Baubuche-Einlegeplatten zur Verstärkung und einem weiteren Balken, der jedoch vor der Stütze endet und eine Art Füllbalken zwischen den eigentlichen Zangenträgern, die seitlich an die Stützen anschliessen, darstellt. Während die Baubuche-Platten die Schub- und Druckfestigkeit der Träger im Bereich der Verkämmung mit den Stützen erhöhen, sind die äusseren Brettschichtholz-Balken mit variabler Höhe ausgeführt, um den statischen und gestalterischen Anforderungen gerecht zu werden. Denn sämtliche Träger sind entsprechend dem Kräfteverlauf geformt. Sie erhielten bei der Vorfertigung auch gleich Öffnungen für Kabel und Leitungen. Die gesamte Holzkonstruktion wurde nach den strengen Brandschutzanforderungen von REI90 entworfen, per Heissbemessung «auf Abbrand» dimensioniert und gemeinsam mit der Glasfassade entwickelt. Beim Modell der Heissbemessung wird der statisch erforderliche Querschnitt, der bei der sogenannten Kaltbemessung rein lastbezogen ermittelt wird, mit einer Holzschicht «aufgestockt», die dann im Brandfall abbrennen und verkohlen darf. Dabei bestimmt die gewünschte Feuerwiderstandsdauer die Dicke der Holzschicht. Diese wiederum lässt sich anhand des rechnerischen Abbrandverhaltens, kurz Abbrandrate, von Holz berechnen. Die Dübel sind zudem alle innenliegend, also im Holzquerschnitt integriert, und dadurch im Brandfall geschützt.

Skulpturale Treppe

Eine besondere konstruktive Leistung stellte ausserdem die Holzkonstruktion der geschwungenen Haupttreppe als das Herzstück der Bank dar. Wie eine Raumskulptur rankt sie sich geschossweise in die Höhe. Nach dem ersten geraden Treppenlauf schwingt sich die Treppenkonstruktion in vier höhenversetzt sich überschneidenden, winkelförmigen Einzeltreppen bis in die oberste Etage. Die doppelt gekrümmten Wangen scheinen dabei aus den jeweiligen Galerieebenen abzuzweigen.

Die Treppenläufe sind jeweils an fünf Punkten fixiert: sie sind am oberen und unteren Ende jeweils an zwei Punkten in die Podeste eingespannt. Der fünfte Punkt, der zur Verringerung der Spannweite erforderlich war, befindet sich auf etwa einem Drittel der Länge, kurz vor der Treppenbiegung. Hier ist die Treppenwange mit einem leistungsstarken Stahlverbinder an einem auskragenden Deckenbalken angeschlossen. Hermann Blumer und das Team von Création Holz waren auch bei der Treppenkonstruktion unter anderem im Hinblick auf das Schwingungsverhalten beratend tätig, um so das Begehen der Treppe mit dem höchstmöglichen Gehkomfort zu ermöglichen. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung – und wahrscheinlich bis heute – galt sie als grösste freischwingende Holztreppe der Welt. Ohne das Mitwirken der Schweizer Ingenieure hätte sie allerdings niemals im Rahmen der zulässigen Schwingungen realisiert werden können. Nun steht sie ganz selbstverständlich da. Lichtbänder betonen ihren skulpturalen Charakter und begeistern Nutzer und Besucher gleichermassen.

Zur Person

Hermann Blumer, ein Pionier des modernen Ingenieurholzbaus

Ingenieurbaukunst ist die Verknüpfung von Ingenieurwissenschaft und Kunst. Beim Holzbauexperten Hermann Blumer lassen sich die beiden Aspekte kaum auseinanderdividieren. Der gelernte Zimmermann hat an der ETH Zürich Bauingenieurwesen studiert, war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Ingenieurholzbau und Baukonstruktionen der Universität Karlsruhe. Es folgten Tätigkeiten im familieneigenen Holzbaubetrieb, die Gründung des Ingenieurbüros SJB & Partner sowie der BSB Holzkonstruktionen AG. Er war Leiter von Bois Vision, baute das Kompetenzzentrum HWZ Leibstadt auf und ist Geschäftsführungsmitglied von Création Holz. Blumer ist bekannt für die Entwicklung komplexer Tragwerke und neuartiger Verbindungstechnologien.

www.hermann-blumer.ch

Susanne Jacob-Freitag, SJF

Veröffentlichung: 18. August 2022 / Ausgabe 33/2022

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