Stabilität durch Kultur und Werte

Oftmals sind Projektleiter ratlos, weshalb ihre genau geplanten Optimierungen auf Widerstand stossen. Bild: Pixabay

Unternehmenskultur.  Betriebe sollten ihre Werte aktiv leben und gezielt in Veränderungs- und Innovationsprozesse einfliessen lassen. So verbessern sie die Chance wesentlich, dass diese auch angenommen und umgesetzt werden.

Die Anpassung der strategischen Ausrichtung, die Umstellung auf schlankere Prozesse, die Optimierung einzelner Arbeitsabläufe, die Implementierung neuer IT-Systeme oder Themen wie die Digitalisierung oder New Work prägen jedes Unternehmen, wenn es um das Formen der eigenen Zukunft geht. Obwohl oft viel Zeit und Energie in die Planung und Umsetzung solcher Veränderungsprozesse investiert wird, greifen diese in der Praxis nicht immer wie gewünscht oder stossen sogar in den eigenen Reihen auf Ablehnung.

Ein ganzheitliches Thema

Ein zentraler Grund, weshalb Veränderungsprozesse in der Praxis oftmals nicht angenommen werden oder scheitern, ist die ausschliessliche Betrachtung von Strukturen, Systemen und Prozessen.

Veränderungsprozesse haben jedoch immer auch starke Auswirkungen auf das Team und die individuelle Arbeitswelt jedes einzelnen Mitarbeiters. Solche Vorhaben beeinflussen die grundlegende Einstellung sowie Verhaltensweisen der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Hier spielen existenzielle Ängste eine zentrale Rolle – bezüglich der individuellen Person, des Arbeitsumfeldes und der eigenen Fähigkeiten. Um diese Befürchtungen abzufangen, ist das Vertrauensverhältnis wichtig, welches wiederum auf den gelebten Werten der jeweiligen Unternehmenskultur basiert.

Zentrales Element

Jedes Unternehmen lebt, ob bewusst oder unbewusst, seine eigene Kultur. Allgemein wird unter der Unternehmenskultur ein System gemeinsam geteilter Muster des Denkens, Fühlens und Handelns sowie der vermittelnden Normen, Werte und Symbole verstanden. Diese individuell abgestimmte Kultur prägt die Entscheidungen, die Handlungen und das Verhalten aller Mitarbeiter und wirkt dadurch auf jeder operativen Ebene. Aus diesem Grund sollte die Unternehmenskultur als zentrales Element in jedem Veränderungsprozess beachtet und mit in das Change-Management einbezogen werden.

Passive und aktive Kulturentwicklung

Im Laufe seiner Geschichte lernt ein soziales System, welche Aktionen positive und welche negative Konsequenzen nach sich ziehen. Basierend auf diesen Erfahrungen, formt es seine individuelle Kultur. Dieser Formgebungsprozess kann zum einen still und passiv erfolgen und zum anderen sehr aktive Elemente beinhalten. Ein aktiver Bildungsprozess ist häufig durch Debatten, Diskussionen und gegenseitige Bewertungen geprägt. Über die Zeit kristallisieren sich auf diese Weise die Eigenschaften der jeweiligen Unternehmenskultur heraus. Es entstehen bestimmte Grundannahmen, Überzeugungen und Gewohnheiten, die das Verhalten eines Unternehmens und das seiner Mitarbeiter prägen. Diese kulturellen Eigenschaften entstehen nicht zufällig, sondern haben ihre Ursache in individuellen Annahmen, Einstellungen, Überzeugungen und Menschenbildern. Diese typischen Verhaltensweisen bestimmen zudem, was für Gefühle und Reaktionen in einem Unternehmen mitwirken, und haben innere und äussere Auswirkungen.

Toxische Züge erkennen

Eigenschaften, die sich durch das stetige Wachstum, durch Neuausrichtungen oder Reaktionen auf äussere Einflüsse in einer Kultur eingebürgert haben, können plötzlich überholt oder sogar schädlich wirken, obwohl sie ursprünglich durchaus zweckmässig waren. Nicht selten finden sich in Unternehmen deshalb destruktive Verhaltensschleifen, die sich unbemerkt über die Zeit erhalten haben. Leerläufe, Doppelspurigkeiten oder systematische Ablehnung sind Beispiele für solche toxischen Züge. Oft führt die Entdeckung solcher Verhaltensweisen dazu, dass sich Unternehmen erstmals konkret mit den eigenen Werten und ihrer Kultur auseinandersetzen. Wer diese kennt, kann sie im Alltag zielgerichtet als strategisches Instrument in vielen Situationen einsetzen.

Chance zur stabilen Entwicklung

Heutzutage wollen sich Mitarbeiter mit ihrem Unternehmen identifizieren. Dadurch finden Firmen, die sich ihrem Wertegefüge bewusst sind, in der Regel einfacher motivierte und sinnsuchende Arbeitnehmer. Vor allem Fachkräfte stellen oftmals eine funktionierende Kultur und offene Arbeitsweise über die üblichen Rahmenbedingungen wie beispielsweise die Entlöhnung.

Seit den 80er-Jahren wird der Unternehmenskultur auch aus wissenschaftlicher Seite ein wachsender Stellenwert zugesprochen. Vielerorts wurde erkannt, dass die Kultur eines Unternehmens massgebend zum Erfolg oder Misserfolg beiträgt. In den anfangs erwähnten Veränderungsmassnahmen und auch bei Themen wie New Work oder Digitalisierung können Unternehmen mit einer bewusst gelebten Kultur auf eine stabile und verlässliche Basis bauen. Unterschiedliche Forschungsansätze aus der Wirtschaftswissenschaft, der Soziologie und der Wirtschaftspsychologie haben den Konsens, dass die im gesellschaftlichen und beruflichen Umfeld gelebten Werte ebenfalls einen Einfluss auf das Erreichen der Unternehmensziele haben.

Äussere Einflussfaktoren

Neben den wirtschaftlichen Faktoren spielt das soziale und politische Umfeld ebenfalls eine Rolle. So beeinflussen wichtige gesellschaftliche Themen wie die Diversität, der demografische Wandel, die Globalisierung oder die jeweils vorherrschende Leistungsgesellschaft unsere Arbeitskultur. Die Auseinandersetzung mit diesen zahlreichen und unterschiedlichen Einflussfaktoren prägt ein Unternehmen.

Mit einem bewussten Blick auf die eigenen Werte lässt sich die eigene Kultur erkennen, formen und nutzen.

Kulturentwicklung

Die Prägung der Unternehmenskultur wird von diversen internen und externen Einflüssen geprägt:

  • Historisch: Die Sozialisation erfolgt über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Erfahrungen und Handlungen aus der Vergangenheit beeinflussen das zukünftige Handeln.
  • Emotional: Aus den gelebten Werten und Normen resultieren Verhalten und Emotionen. Diese können negativ oder positiv ausfallen.
  • Interaktiv: Durch die verbale und nonverbale Kommunikation innerhalb der Organisation entstehen gegenseitige Anforderungen.
  • Kollektiv: Die jeweiligen Spielregeln einer Kultur müssen von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern akzeptiert und getragen werden.
  • Implizit: Die Gewohnheiten einer Organisation werden so verinnerlicht, dass diese zu Normen im Arbeitsprozess werden.

Noah Gautschi

Veröffentlichung: 10. März 2022 / Ausgabe 10/2022

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