Vorstoss in die dritte Dimension

Solche schräge, bekantete Abschlüsse muss man in der Werkstatt fertigen. Bild: Andreas Brinkmann

Massaufnahme.  Es gibt Arbeiten, die sind erst sinnvoll durchführbar, wenn vom Start weg perfekt gemessen werden kann. Am Beispiel eines Treppenbauers werden digitale Massaufnahmen mit 3D-Scannern angesehen und Chancen sowie Probleme aufgezeigt.

Als Bodenleger gibt es wie in jedem Handwerk Arbeiten, bei denen es viel Erfahrung und Können braucht, damit sie in einer preislich interessanten Zeit umgesetzt werden können. Dazu gehört sicher das Belegen von Treppenstufen mit dem gleichen Parkett wie den übrigen Boden. Eine vor Ort gefertigte Betontreppe hat naturgemäss Toleranzen im Bereich der Trittdimensionen, bei der Ausrichtung der Tritte im Wasser und auch bei den Stufenhöhen. Beim Belegen mit Parkett muss daher jede Stufe eingepasst und ausnivelliert werden. Das gilt auch für allfällige Stirnbretter. Soll dann die Holzmaserung wie ein Wasserfall über alle Tritte verlaufen, muss diese zudem passgenau ausgerichtet werden.

Herausforderung als Geschäftsmodell

André Isler liebt gerade solche Aufgaben ganz besonders. Er ist mit seiner in Perlen LU ansässigen Firma Aufwärts AG auf Treppen spezialisiert. Schon bei der Firmengründung war für ihn klar: Der ganze Arbeitsablauf muss massiv beschleunigt werden, und das bei einer wirklich guten Qualität. Damit es möglich wurde, dass sämtliche Elemente in der Werkstatt fertiggestellt werden können und jeder Monteur alleine zwei Treppen pro Tag montieren kann, mussten Aufmass und Planung massiv optimiert werden.

Technik, die schon länger genutzt wird

Jeder hat wahrscheinlich schon davon gehört, dass es möglich ist, Menschen so zu scannen, dass sie anschliessend stark verkleinert mit einem 3D-Drucker als Skulptur gedruckt werden können. Heute werden Maschinenbauteile mittels hochpräziser Scanner auf ihre Genauigkeit und Fehler untersucht – ein Prüfverfahren, das in immer mehr Bereichen eingesetzt wird. Das sind dann nicht nur kleine Komponenten. Beispielsweise wird bei der Entwicklung einer Autokarosserie ein Modell in Originalgrösse aus Modelliermasse gefertigt, mit dem im Windkanal dann die optimalen Details gesucht werden. Anschliessend wird das Modell dann eingescannt, und die Daten können mit einem CAD-Programm weiterverarbeitet werden. Und ja, es gibt natürlich auch Geräte, die speziell für das Ausmessen auf der Baustelle konzipiert wurden. Die SchreinerZeitung hat 2017 in der Ausgabe 36 schon über den «Start einer digitalisierten Arbeit» berichtet.

Den Raum mit Punkten erfassen

Stationär mit oder ohne Stativ aufstellbare Geräte wie der «Focus» von Faro sind selbstnivellierend und scannen kugelförmig alles um sich herum, ausser den Bereich direkt unter dem Gerät. Die Firma wird in der Schweiz von der Faro Swiss Holding GmbH in Beringen SH vertreten. Der Scanner erschafft eine Wolke aus Messpunkten. Das sind dicht beieinander liegende Punkte auf allen Flächen im Raum in der «Blickrichtung» des Gerätes. Synchron dazu wird auch ein Panoramafoto erstellt.

Die vielen einzeln gemessenen Punkte ergeben eine für Schreinerarbeiten taugliches Ausmass, aber auch eine grosse Datenmenge. Da von einem Standort in einem Raum aus nicht jede Tiefe gleich gut oder überhaupt einsehbar ist, braucht es noch einen weiteren, klar versetzten Aufstellort für eine zweite Messung. Die Schnittmenge dieser beiden Punktwolken erlaubt beispielsweise zu erkennen, wie die Kante eines Fenstersimses ausgebildet ist. Erst dann kann eine Korpusblende schon in der Werkstatt die Anpassfräsung erhalten.

Nur extrahieren, was gebraucht wird

Die Datenmenge, die eine Raumausmessung mittels Messpunktwolke mit sich bringt, war für André Isler dann doch zu viel. Er braucht ja nur die Stufen mit ihren unmittelbaren Wandanschlüssen für seine Produkte. Im Innenausbau kann das umfassende Aufmass allerdings enorm von Vorteil sein, weil immer ein Rundumscan vorhanden ist. Sollte später noch eine zusätzliche Arbeit dazukommen, liegen die Masse bereits vor.

Die Daten können unmittelbar vor Ort mit einem speziellen Programm auf einem mobilen Computer eingelesen werden, und die Projektkarte generiert eine umfassende Übersicht vom eingescannten Standort. Letztlich ins CAD-Programm übernommen wird dann, nach der Datenaufarbeitung mit einer passenden Modellierungssoftware, vor allem das extrahierte Segment, das für die weitere Planung benötigt wird. Diese Übernahme erfolgt mit manchen CAD-Programmen automatisch, und für andere benötigt es ein zusätzliches Übersetzungsprogramm – ein Punkt, auf den man vor einem Kauf genau achten sollte.

Alles muss zusammenpassen

Eigentlich steht der Scanner am Anfang eines Auftrages, und nach seinen Daten erfolgt die Planung und anschliessend nach deren Daten eine computergesteuerte Verarbeitung. Wer in allen Phasen auf die Kompatibilität seiner Ausrüstung achtet, dürfte sicher einfacher zu guten Resultaten kommen und einen reibungslosen Durchlauf in der gesamten Auftragsbearbeitung erreichen.

Der 3D-Raummesser «Hottscan» der deutschen Firma Hottscan GmbH zielt darauf, die Datenmenge auf das Notwendige zu reduzieren. Pro Raum braucht es 20 MB Speicherplatz. Auf Basis der Fotogrammetrie werden 60 Messpunkte erfasst und 60 Fotos geschossen, wodurch ein normaler Raum mit Fenstern und Türen ausreichend erfasst sein sollte. Auch hier steht ein Rundum-Panoramabild zur Verfügung. Für besondere Details können zusätzliche Messpunkte bestimmt werden, und stark strukturierte Flächen lassen sich mit einem Gitternetz detaillierter erfassen.

Mittels der App «BimCAD» zur Gebäudeerfassung vom gleichen Anbieter lässt sich zudem alles auf einem Tablet oder sogar dem Handy vor Ort in 2D- und 3D-Zeichnungen kontrollieren. Die optische Erscheinung und das Positionieren des Geräts entsprechen grundsätzlich dem vorher beschriebenen von Faro und von anderen Anbietern, wenn automatisch 360° erfasst werden. Ein Scan-Durchlauf dauert übrigens nur etwa zwei Minuten.

Mit dem Scanner in der Hand

Um alle Stufen einer betonierten Treppe über ihre ganze Höhe exakt zu erfassen, wollte André Isler nicht mit einem Stativ arbeiten und dieses immer wieder versetzen müssen. Stufen sind nicht immer einfach von einem Standpunkt einsehbar. Er suchte mehr Mobilität und wurde im deutschen Leinenfelden-Echterdingen fündig, bei der Firma Ametek GmbH.

Deren Handscanner «Go Scan Spark» von Creaform und die 3D-Modellierungssoftware «VX Elements» arbeiten nahtlos so zusammen. Während des Scanvorgangs wird in Echtzeit der Fortschritt auf einem Bildschirm angezeigt. Dadurch ist erkennbar, wann die Datenstruktur geschlossen und somit «wasserdicht» ist – eine spätere Nachbearbeitung von Hand, um Lücken zu schlies- sen, entfällt weitestgehend.

Zehn Minuten genügen

Wenn André Isler zwei Mal die Treppe rauf und wieder runter gelaufen ist, hat er alle Daten, die er für seinen Auftrag benötigt. Damit das geht, hat er einen Rucksack mit einem Rechner und einem starken Akku ausgerüstet. Damit verbunden trägt er in der einen Hand ein Tablet, damit er auf dem doch grossen Bildschirm den Scanfortschritt sieht, und in der anderen Hand den Scanner. Rund zehn Minuten dauert so eine vollständige Aufnahme aller Treppenstufen und deren Wandanschlüsse.

Der Handscanner von Creaform hat ein polygones Messverfahren. Das heisst: Es wird in kleinen Dreiecken gemessen. Wie schon bei der Messpunktwolke lohnt es sich, bei rechtwinkligen Kanten und Profilen aus verschiedenen Blickwinkeln zu scannen. Dann stimmen die Daten, und es kommt zu keinen unklaren Übergängen. Damit eine Treppe so schnell gescannt werden kann, legt Isler Referenzpunktleisten auf die Stufen. Dadurch werden alle Ebenen sicher als solche erkannt.

Da der Scanner selber nicht nivelliert, müssen auch Nivelliermarkierungen mitgescannt werden, damit die Stufen im CAD-Programm gleich so geschiftet werden können, dass sie im Wasser sind und die richtigen Abstände zueinander haben. Gerade das mit der Tritthöhe und -tiefe ist mit dem Zeichnungsprogramm gut erreichbar und wäre mit reinem Anpassen der Stufen vor Ort kaum möglich.

Ein Handscanner für die Polizei

Passend zum Thema dieses Beitrags hat die Firma Faro am 8. Juli 2020 den tragbaren 3D-Scanner «Freestyle 2» vorgestellt. Geboten wird auch hier eine Echtzeitvisualisierung und eine schnelle, vollständige Dokumentation, die auch noch bei engeren Raumverhältnissen möglich ist. Gescannt werden kann in einem Bereich von 0,4 bis 10 m. Ein Infrarotlaser projiziert ein Raster aus unsichtbaren Punkten auf das Ziel, und zwei Kameras werten diese aus. Zusammen mit der Farberfassungskamera ergeben sich fotorealistische Bilder in Echtzeit, die direkt auf dem Bildschirm am Gerät be- trachtet werden können. Auch der Akku sowie ein Datenspeicher sind im Gerät integriert, wodurch nur eine Hand wirklich zu tun hat.

Konzipiert wurde der Handscanner vor allem für die Ermittlungsarbeit der Polizei. Die Daten sollen aber auch für Aufmassarbeiten auf dem Bau durchaus brauchbar sein. Interessierte Schreiner werden noch weitere geeignete Geräte finden. Wichtig ist dann immer zu wissen, mit welchen Programmen die Daten anschliessend modelliert werden und ob das vorhandene CAD-Programm diese Daten auch übernehmen kann. Manche Firmen bauen sehr gute Geräte, andere Firmen wiederum haben die passende Software dazu.

www.aufwärts.chwww.faro.comwww.hottscan.dewww.creaform3d.com

ab

Veröffentlichung: 16. Juli 2020 / Ausgabe 29-30/2020

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